Kommentar
11:24 Uhr, 25.04.2018

Schulden und die nächste Finanzkrise

Es ist erstaunlich, wie stabil die Aktienmärkte derzeit angesichts der vielen Risiken in der Welt sind. Hier mal ein Blick auf die Verschuldung.

  • Die Verschuldung in der Welt ist, anders als versprochen, seit der großen Finanzkrise nicht gesunken, sondern erheblich gestiegen. Das ist ein Warnzeichen.
  • Das schürt Ängste bei den Anlegern, belastet die Finanzmärkte und hat erhebliche negative Makrowirkungen.
  • Eine neue Finanzkrise muss sich daraus nicht ergeben. Wenn es jedoch irgendwo "knallt", können Weiterungen unter diesen Bedingungen schwer aufgehalten werden.

Wenn eines sicher ist, dann dies: Es wird auch wieder eine neue Finanzkrise in der Welt geben. Wann und in welcher Form wissen wir natürlich nicht. Dass sie wieder durch Zo­ckereien am amerikanischen Immobilienmarkt passiert, schließe ich aus. Die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber könnte sie vielleicht durch die so stark gestiegene Verschul­dung von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten aus­gelöst werden? Das Thema ist derzeit in aller Munde. Der Internationale Währungsfonds hat auf seiner Frühjahrsta­gung in der letzten Woche in Washington eindringlich davor gewarnt.

Tatsächlich ist die Verschuldung inzwischen extrem hoch. Sie ist in der Welt mehr als doppelt so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung. Seit der großen Finanzkrise ist sie nicht zurückgegangen (wie alle das versprochen und prognosti­ziert hatten). Sie ist im Gegenteil um über 10 % ge­wachsen. Etwas mehr als ein Viertel entfallen auf die priva­ten Haus-halte, 30 % auf die Unternehmen. Der Löwenanteil von 42 % betrifft den Staat.

STAATSSCHULDEN IN % BIP

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Quelle: IWF

Die Grafik zeigt, wie sich die Staatsverschuldung in den letzten 140 Jahren entwickelt hat. In Kriegszeiten war sie wie zu erwarten besonders hoch. Danach ging sie meist zurück (zum Teil auch durch Währungsreformen). Heute ist sie höher als im Ersten Weltkrieg und etwas niedriger als im Zweiten Weltkrieg. Allein das ist schon beängstigend. Von einem Rückgang auf globaler Ebene kann nicht die Rede sein, allenfalls in einzelnen Ländern (zum Beispiel in der Bundesrepublik).

Nun soll man die Verschuldung nicht generell verteufeln. Nicht jeder Kredit ist schlecht. Ohne Kredite wären Wirt­schaft und Gesellschaft nicht denkbar. Viele Familien mit Kindern könnten sich ein Haus oder ein Auto erst leisten, wenn die Kinder bereits erwachsen sind. Unternehmen könnten nur im Ausmaß der erwirtschafteten Gewinne wachsen, investieren und Arbeitsplätze schaffen. Wachstum und Wohlstand wären geringer. Staaten ohne Ver­schuldung sind häufig solche, die zu wenig in die Zukunft investieren.


Aus den hohen Schulden muss sich nicht zwangsläufig eine neue Finanzkrise ergeben. Sie sind aber ein Zeichen, dass Regierungen, Unternehmen und Haushalte den Ernst der Lage nicht verstanden haben.


Aber jetzt haben wir des Guten zu viel. Das ist ein Zeichen, dass in der Gesellschaft nicht ordentlich gewirtschaftet wird. Die Ausgaben sind größer als die Einnahmen. Das macht den Menschen Angst. Bei Privaten besteht die Gefahr von Pleiten. Beim Staat trauen die Menschen der Re­gierung nicht mehr (mit entsprechenden Folgen für Populismus und Staatsverdrossenheit). Manche fürchten, dass es zu einer Währungskrise kommen könnte. In den Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre haben wir früher gelernt, dass Staaten nie pleite gehen können, weil sie das Monopol zur Erhe­bung von Steuern haben. Ich würde das heute nicht mehr querschreiben.

Die hohe Verschuldung ist auch eine Hypothek der Finanz­märkte. Die Aktienkurse sind niedriger als sie sonst wären. Anleger bevorzugen Werte mit gesunder Finanzstruktur. An den Bondmärkten wären die Zinsen niedriger. Die Credit Spreads von Unternehmens- zu risikoärmeren Staatsanlei­hen könnten geringer sein. Das alles ist im Augenblick nicht so sichtbar, weil die Notenbanken die Märkte mit Liquidität fluten. Es wird sich jedoch umso stärker zeigen, wenn es wieder normalere monetäre Verhältnisse gibt.

Wegen der hohen Verschuldung sind auch die Schwankun­gen an den Märkten höher. Investoren müssen mehr zah­len, wenn sie sich gegen Kurseinbrüche absichern wollen. Im Augenblick ist die Volatilität noch relativ niedrig. Das wird sich jedoch ändern, wenn die Notenbanken die Liquidität einfangen und sich die Zinsen wieder auf normalere Ni­veaus heben.

Schließlich hat die hohe Verschuldung auch erhebliche Makrowirkungen. Das Wirtschaftswachstum leidet. Rezes­sio­nen dauern länger. Staaten sind gerade in Zeiten hohen Refinanzierungsbedarfs verletzlicher gegenüber externen Schocks. Es ist kein Zufall, dass Italien in Europa das Land mit der höchsten Staatsverschuldung ist und sich gleich­zeitig mit der Erholung aus der großen Finanz­krise am schwersten tut. Der Währungsfonds richtet daher einen dringenden Appell an die Staaten, die jetzt noch gu­ten Zei­ten zu nutzen, ihre Haushalte zu sanieren und Puffer für schwierige Zeiten aufbauen.

Gibt es einen allgemeinen Maßstab, wie hoch die Staats­verschuldung sein darf, um die Handlungsfähigkeit der Regierungen zu erhalten? Nein. In Europa wurde mit den Maastricht-Kriterien die Grenze von 60 % formuliert, bis zu
der die Staatsverschuldung steigen kann. Diese Grenze ist jedoch willkürlich. Für Schwellen- und Entwicklungsländer müsste sie viel niedriger liegen. In manchen Staaten könnte sie höher sein, wenn das Land seine Verschuldung überwiegend im Inland deckt (wie z. B. Japan). Letztlich hängt es auch vom generellen Umfeld ab, wie sensibel die Gläubi­ger auf die Verschuldungsnöte eines Staates reagier­en.


Für den Anleger

Aus den hohen Schulden muss sich nicht zwangsläufig eine neue Finanzkrise ergeben. Sie sind aber ein Zeichen, dass Regierungen, Unternehmen und Haushalte den Ernst der Lage nicht verstanden haben. Die Risikoneigung ist zu hoch. Wir befinden uns im bekannten "Minsky-Mo­ment", das jeder Krise vorausgeht. Je länger es anhält und je höher die Verschuldung steigt, umso größer die Gefahr, dass es an irgendeiner Stelle "knallt". Das beginnt normalerweise an besonders heiklen Schwachpunkten. Bei Ländern sind es solche mit hoher Verschuldung und/oder instabilen Bedingungen wie etwa Venezuela, Eritrea, Zimbabwe oder Somalia. Es würde sich dann schnell auch auf andere Staa­ten oder Unternehmen ausbreiten. Noch ist es glücklicher­weise nicht so weit.


Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

10 Kommentare

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    staaten haben immer nur dann probleme mit ihren verschuldungen, wenn große teile der schulden in fremdwährungen aufgenommen werden.

    verschuldungen in eigener währung bringen hingegen keine probleme mit sich, da ihre rückzahlung immer durch die eigene notenbank gesichert ist.

    13:57 Uhr, 25.04.2018
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