Scholz verspricht Wirtschaft Erleichterungen - aber keine neuen Steuersenkungen
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Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Wirtschaft Entlastungen über Investitionserleichterungen und den Abbau der Bürokratie, aber keine generellen Steuererleichterungen zugesagt. Nach dem Spitzengesprächs mit der deutschen Wirtschaft in München zeigte er sich zuversichtlich, dass das Wachstumschancengesetz in abgespeckter Form nun von Bundestag und Bundesrat beschlossen und dass das geplante Bürokratieentlastungsgesetz die Wirtschaft in Milliardenhöhe entlasten wird. Das größte Wachstumshemmnis in Deutschland sei aber der Mangel an Fachkräften, wie Scholz betonte. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) forderte nach dem Gespräch von der Bundesregierung "ein klare Wachstumsagenda", die über eine Legislaturperiode hinaus trage. Konkret forderte Russwurm niedrigere Steuern, weniger Bürokratie und Verlässlichkeit.
Scholz warnte davor, die Lage in Deutschland schlechtzureden. Der Bundeskanzler betonte, es helfe "natürlich nicht, wenn ganz viele Lobbyisten und Politikunternehmer die Stimmung im Land verschlechtern". Denn dann behielten die Menschen ihr Geld auf dem Sparbuch und investieren nicht. Man dürfe die Herausforderungen nicht übersehen, die Lage nicht schönreden, aber man müsse die Grundlage dafür schaffen, dass Zuversicht herrsche.
Er verwies auf Maßnahmen, die seine Regierung eingeleitet habe. Deutschland mache Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Das geplante Bürokratieentlastungsgesetz werde eine "erhebliche milliardenschwere" Entlastung für die Wirtschaft mit sich bringen. Außerdem werde man Planungen und Genehmigungen beschleunigen sowie staatlichen Investitionen erhöhen. "Das wichtigste Wachstumshemmnis für Deutschland, wie in jedem Bericht immer steht, aber meist gern verschwiegen wird, ist der Arbeitskräftemangel", sagte Scholz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Spitzen der Wirtschaftsverbände in München. Hier setze die Bundesregierung mit ihrem Fachkräfteeinwanderungsgesetz an.
Russwurm fordert echten Kraftakt
Die Wirtschaft zeigt hingegen nach dem Gespräch deutlich ihre Unzufriedenheit. Russwurm betonte, die aktuell hohe Verunsicherung bei den Unternehmen sei "Gift" für Investitionen. "Im Mittelstand genauso wie in großen Unternehmen kommt es zunehmend zu der Verlagerung von den Investitionen ins Ausland oder gleich zur Schließung ganzer Betriebe. Die Zeiten sind also ernst", sagte Russwurm auf einer Pressekonferenz am Rande der Handwerksmesse in München. "Gerade angesichts der trüben Wachstumsprognose braucht es einen echten Kraftakt, auch steuerpolitischen Kraftakt, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und Investitionen in Deutschland zu motivieren."
Ziel müsse aus Sicht der Wirtschaft eine international wettbewerbsfähige Steuerbelastung der Unternehmen sein. Die von den Wirtschaftsverbänden vorgeschlagene Steuerbelastung 25 Prozent wäre immer noch deutlich höher als der Schnitt in der Europäischen Union. Russwurm mahnte außerdem niedrigere Energiepreise an. Denn die hohen Strompreise seien ein "echter Standortnachteil" und bremsten die stärkere Elektrifizierung aus. Scholz verwies bei den Forderungen nach Steuererleichterungen aber auf beschränkten finanziellen Spielraumen im Haushalt. Die Wirtschaft wolle keine höhere Staatsverschuldung, die Regierung werde aber die Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen. Gleichzeitig wollten viele Subventionen, andere wollten einen Subventionsabbau. Hinzukämen die staatlichen Hilfen für die Ukraine.
"Da sind schon viele Aufgaben auf einmal zu bewältigen. Ich bewundere alle, die sagen, das ist alles von selbst getan. Das ist es nicht. Aber wir werden die Grundlagen dafür schaffen, dass wir die Grundlagen unserer Volkswirtschaft erhalten", versprach Scholz. Dies bedeute, dass Deutschland Wachstum haben werde. Die vier Spitzenverbände der Wirtschaft, zu denen neben dem BDI auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zählen, hatten Scholz bereits vor Wochen ein Zehn-Punkte-Papier geschickt mit Vorschlägen, wie man die Wirtschaft wieder ankurbeln könne. Sie haben Scholz vorgeworfen, bislang noch keine Antwort erhalten zu haben.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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