Kommentar
08:47 Uhr, 30.01.2015

Schock: Deflation in Deutschland?

Europäische Konjunkturdaten sorgen selten für große Aufregung.Gestern war das anders. Was ist passiert?

Es ist offiziell: die Deflation greift um sich, jetzt auch in Deutschland. Ein Aufreger? Wenn man die meisten Medienberichte dazu liest, dann ja. Tatsächlich überrascht der moderate Rückgang der Preise aber nicht. Man könnte auch sagen: wer überrascht war, der hat in den vergangenen Wochen alle relevanten Entwicklungen verschlafen.

Trotzdem wird der Preisrückgang gleich in einen negativen Kontext gestellt. Der Preisrückgang ist der erste seit der Finanzkrise. Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Hier werden Finanzkrise mit Preisrückgang kombiniert, obwohl die Umstände vollkommen andere sind. Da kann man sagen, was man will, viele verbinden den Preisrückgang sofort mit Schlagworten aus der Krise. Einige Faktoren sind zu damals ähnlich. Auch damals kam es zu einem Ölpreisschock. Der Grund für den Schock war freilich ein anderer. 2008 gab es einen Nachfrageschock, heute einen Angebotsschock.

Grafik 1 zeigt die Inflation seit der Wiedervereinigung Deutschlands. Es handelt sich dabei um die annualisierten Monatswerte. Das sind jene, die auch heute in den Medien diskutiert werden. Sie zeigen für Januar ein Minus von 0,3%. Wie wenig das eigentlich ist zeigt die längere Zeitreihe ganz gut. 2008 betrug die Inflationsrate demnach noch über 3%. Teilweise reichte die Inflationsrate sogar schon fast an die 4 Prozentmarke heran. Daran kann sich kaum noch jemand erinnern. Eine Inflationsrate von 4% in Deutschland? Wann hat es das schon gegeben?

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Gegeben hat es das seit langem nicht mehr. Zuletzt gab es nach der Wiedervereinigung kurzzeitig recht hohe Inflation, aber nicht 2007 und 2008. Die annualisierten Monatswerte sind daher etwas irreführend. Auf die tatsächliche Jahressicht (Grafik 2) sieht die Sache schon wieder etwas anders aus. Hier wird die Inflation für das Gesamtjahr 2014 abgebildet. Diese lag bei immerhin noch knapp einem Prozent. Die Inflation wurde vor allem von Alkohol, Tabak, Gesundheitskosten sowie Hotellerie und Gastronomie getragen. Auf der Gegenseite haben Telekommunikation, Bildung und Verkehr die Rate gedrückt.

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Zu guter Letzt kann man sich noch die aktuellsten Daten auf Jahressicht ansehen. Diese sind in Grafik 3 dargestellt. Man sieht, wie schnell sich das Bild wandeln kann. Verkehr - getrieben vom Ölpreis - wird deutlich billiger. Ebenso verlieren Nahrungsmittel und Nachrichtenübertragung (vor allem Telekommunikation). Wo die Inflation keinen Halt macht, dass sind nach wie vor Alkohol, Tabak und Gesundheitskosten. Gerade im zuletzt genannten Bereich wären deflationäre Tendenzen einmal gar nicht so schlecht.

Wie 2015 aussehen wird, das lässt sich noch nicht sagen. Ebenso wird auf breiter Front betont, dass niemand das D-Wort in den Mund nehmen möchte, weil Preise in einem Monat gefallen sind. Es wird anerkannt, dass vor allem Energie die Entwicklung bestimmt. Hat der Ölpreis erst einmal einen Boden gefunden, dann kommt wahrscheinlich eine böse Überraschung. Die Preise steigen eigentlich nach wie vor auf breiter Front. Das wird durch den Ölpreis aber verdeckt. Findet dieser einen Boden oder steigt sogar wieder, dann schlägt das voll durch. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Euro immer mehr an Außenwert verliert. Ehe man sich versieht steht die Inflation dann auf einmal bei 2%.

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15 Kommentare

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  • Jarakoff
    Jarakoff

    Schon bemerkenswert wie im Mainstream eine Deflation stets mit einer drohenden Rezession verbunden wird (...in einer Rezession herrscht ja schließlich meistens Deflation). Daraus wird dann gefolgert, dass man die Rezession verhindern bzw. bekämpfen kann, wenn man die Deflation verhindert. Hier wird m.E. Ursache und Wirkung vertauscht. Die Deflation ist nicht die Ursache für die Rezession, sondern deren Symptom.

    Oft wird dabei das "Schreckgespennst" Japan, mit der "verlorenen Generation", an die Wand gemalt. Mir persönlich ist dabei gar nicht aufgefallen, dass sich Japan in den letzten 20 Jahren mit deflationären Tendenzen in ein Dritteweltland gewandelt haben soll... oder habe ich da was verpasst? Geht es den Leuten in Japan denn wirklich so elendig schlecht? Meines Erachtens ist das alles nur Propaganda der Mainstream-Ökonomen!

    Grundsätzlich ist eine Deflation nicht zwangsweise "schlecht", denn Sie erhöht die Kaufkraft der Bürger; sie kann somit sogar den Lebensstandard steigern (und genau darum geht es doch!!!). Es kommt dabei - wie im obigen Artikel kurz erwähnt - sehr stark darauf an, ob die Deflation durch einen Nachfragerückgang oder durch billigere Produktionskosten (z.B. sinkende Rohstoffpreise aufgrund Überkapazitäten oder technologischer Fortschritt) entstanden ist.

    Entscheidend ist m.E. nicht, ob wir 1-2% Inflation oder 1-2% Deflation haben, sondern vielmehr, ob die Löhne real steigen oder fallen. 2% Deflation ist keine Katastrophe, solange die Löhne nominal gleich bleiben, d.h. die Reallöhne um 2% steigen. Umgekehrt kann eine Inflation von 2% "schlecht" sein, wenn die Löhne nominal gleich bleiben, d.h. die Reallöhne um 2% fallen.

    Man sollte sich m.E. also vielmehr direkt um die Reallohnentwicklung sorgen als um die Inflationsrate.

    18:12 Uhr, 31.01.2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    ​Bradley.....

    ich kann Ihnen nur zustimmen !!

    WAHNSINN !!!

    18:20 Uhr, 30.01.2015
  • schimpanse69
    schimpanse69

    ​Entschuldigung. Es müsste wohl heißen:

    "der Zins sei die Wurzel allen Übels"

    18:19 Uhr, 30.01.2015
  • Bradley
    Bradley

    ​Schaut euch bloß mal den Bund-Future an, der steht fast bei 160. Dies würde bedeuten, dass für 10jährige Bundesanleihen 0,00% Zinsen zu zahlen sind. Endlich ist es geschafft, der Zins ist abgeschafft, unser Dank gilt der EZB, was für ein Wahnsinn.

    17:47 Uhr, 30.01.2015
    1 Antwort anzeigen
  • schimpanse69
    schimpanse69

    PS: Biete günstige Geldanlage. Negativzins ist sehr gering.

    17:04 Uhr, 30.01.2015
  • schimpanse69
    schimpanse69

    ​Mein Wohlstand ist gesättigt. Was soll ich mir nun für Güter kaufen?

    17:02 Uhr, 30.01.2015
    1 Antwort anzeigen
  • xpec
    xpec

    ​Grafik 2 fehlt im Artikel.

    16:01 Uhr, 30.01.2015
  • Trading2001
    Trading2001

    ​Die EZB führt immer die Geldwertstabilität an, die gegeben ist, wenn ca 2% Inflation herrschen. Ich hab noch keinen größeren Blödsinn gehört. Aktuell haben wir Geldwertstabilität im Währungsraum, da Inflation nur leicht über 0%

    Im Verhältnis zu anderen Währungen haben wir dank EZB keine Geldwertstabilität, da der Euro z.B. gegen den US-Dollar innerhalb kurzer Zeit fast 30% verloren hat. Mag sein, dass dadurch die Exporteure mehr Geschätmachen, aber der Normalbürger wird wie immer um sein Geld gebracht!!!!

    11:39 Uhr, 30.01.2015
  • Löwe30
    Löwe30

    ​Deflation ist ein Zeichen dafür, dass die Produktivität steigt und die Preise für einzelne Güter sinken. Das ist gut für die Menschen, denn wenn Güter im Preis sinken, können sich die Leute mehr Güter leisten und das bedeutet ihr Wohlstand steigt. In unserem staatlich erzwungenen, betrügerischen, planwirtschaftlichen Geldsystem, wird den Menschen diese Mehrung des Wohlstand, der mit der Produktivitätssteigerung einhergeht zu erheblichen Teilen vom Staat zunichte gemacht, und zwar zugunsten des Staates, dessen Schulden durch die dauernde Geldschöpfung aus dem Nichts, weniger Wert werden. Der Staat und auch die Banken und das Großkapital ziehen aus der Geldschöpfung Nutzen, denn mit der Geldschöpfung können sie sich Güter aneignen, ohne dafür eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen. Inflation ist ein riesiger Betrug an der arbeitenden Bevölkerung. Sie führt dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich unnötig weitet.

    10:36 Uhr, 30.01.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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