Risiken sind wieder wichtiger als Erträge
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Boston (GodmodeTrader.de) - Auch Ende 2018 wurden die Märkte wieder mit Rückblicken auf das alte und Ausblicken auf das neue Jahr überschwemmt. Aber Prognosen sind nicht einfach. Für Zwölf-Monats-Ertragsprognosen gilt dies erst recht, wie Robert M. Almeida, MFS Global Investment Strategist, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Im Grunde seien die Finanzmärkte ein Forum, das Kapitalnehmer und Kapitalgeber zusammenführe. Wer heute Kapital gebe, hoffe darauf, es später zurückzubekommen – zusammen mit einem Ausgleich für das Risiko und den Zeitwert des Geldes. Die Assetpreise seien letztlich nichts anderes als die abgezinsten zukünftigen Rückflüsse. Wenn diese Cashflows aber hinter den Erwartungen zurückblieben – oder sie überträfen – reagierten die Marktpreise entsprechend. Umso wichtiger sei, was letztlich die Cashflows bestimme, heißt es weiter.
„Um es kurz zu machen: Wir halten vor allem vier Dinge für relevant – Absatzmengen, Preise, Gewinnmargen und Unternehmensgewinne. Wie viele Einheiten eines Produkts wird ein Unternehmen in den nächsten drei bis fünf Jahren verkaufen? Zu welchem Preis? Wie werden sich die Gewinnmargen entwickeln? Wichtig ist auch die Höhe der Gewinne und freien Cashflows und inwieweit sich die Erwartungen in den Kursen widerspiegeln. Wir glauben, dass langfristig die Fundamentaldaten die Cashflows bestimmen und die Assetpreise wiederum von den Cashflows abhängen“, so Almeida.
Kurzfristig könne es aber anders sein. Die Märkte seien oft sehr kurzsichtig und reagierten zu stark auf Informationen, die sich am Ende als wenig relevant erwiesen. Langfristig könne dies zu Marktineffizienzen führen. Wenn zum Beispiel ein neues Gesetz verabschiedet werde, sei es schwer zu prognostizieren, wie Investoren dies interpretierten. Die Prognose kurzfristiger Marktbewegungen sei frustrierend, und doch würden sich die Marktstrategen in den kommenden Wochen immer wieder daran versuchen. Eines stehe aber fest: Weltweit seien die Unternehmen heute zu stark verschuldet, insbesondere die Unternehmen aus den USA. Hier sei die Verschuldung jetzt höher als vor der Finanzkrise, heißt es weiter.
„Nach der Finanzkrise 2008 sind die Nettomargen der Unternehmen aufgrund fallender Faktorkosten gestiegen: Die Kapitalkosten gingen zurück, die Zahl der Mitarbeiter ebenfalls. Doch drei bis vier Jahre später hatte die Weltwirtschaft noch immer mit den Spätfolgen der Krise zu kämpfen, und viele Unternehmen schafften es nicht, ihre Umsätze zu steigern. Die Gewinnmargen waren ungewöhnlich hoch, doch Absatzmengen und Preismacht blieben mäßig. Viele Unternehmen versuchten daraufhin, den freien Cashflow durch Änderungen der Finanzierungsstruktur zu steigern. An den Kreditmärkten war man nur zu gerne bereit, den Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen, nicht zuletzt wegen der unorthodoxen Notenbankpolitik des Quantitative Easing“, so Almeida.
Mit zunehmender Reife des Konjunkturzyklus seien mehr Anleihen begeben worden, und die Verschuldungsgrade seien gestiegen. Die Kreditbedingungen seien weniger restriktiv geworden. Man habe weniger Sicherheiten verlangt, und die Kreditqualität von Unternehmensanleihen sei insgesamt zurückgegangen. Der Anteil von Titeln mit BBB-Rating am Global Credit Index habe sich seit der internationalen Finanzkrise fast verdoppelt. Besonders hoch verschuldet seien die Unternehmen in den USA, wo etwa ein Drittel der Investmentgrade-Emittenten einen Nettoverschuldungsgrad (Net Leverage Ratio) von vier oder mehr hätten. Und doch waren seienAnleiheninvestoren aufgrund der niedrigen Renditen bereit, eine allmählich nachlassende Kreditqualität zu tolerieren, heißt es weiter.
„Unabhängig davon, ob sich die Zweifel an der Kreditqualität schon 2019 oder erst sehr viel später als berechtigt erweisen, machen sich unsere Analysten weltweit Sorgen um die Verschuldungsgrade. Hoch verschuldete Unternehmen haben, so meinen wir, ihr Schicksal weniger gut in der Hand. Wenn die Absatzmengen nicht überdurchschnittlich steigen und es an Preismacht mangelt, werden Margen und Gewinne bei steigenden Faktorkosten am Ende fallen – denn die Unternehmen müssen höhere Zinsen zahlen, wenn sie Anschlussfinanzierungen für ihre sehr niedrig verzinslichen Anleihen brauchen. Wir halten es für recht wahrscheinlich, dass Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit im Zuge der Digitalisierung nachgelassen hat, in einem schwierigeren Marktumfeld nicht mehr mit der Nachsicht der Ratingagenturen rechnen können. Sie könnten aber ausgerechnet dann Kapital benötigen, wenn es am Anleihemarkt zu Knappheiten kommt“, so Almeida.
Für einige könnte die Refinanzierung dann prohibitiv teuer werden, und viele Emittenten könnten in Schwierigkeiten geraten. Die Einzeltitelauswahl werde dann entscheidend sein, da die Differenzierung zwischen Unternehmen mit und ohne nachhaltige Margen größere Auswirkungen auf die Portfolioerträge haben werde als in den letzten Jahren. Langfristig, also auf Sicht von zehn Jahren, erwarte man deutlich niedrigere Erträge als in den zehn Jahren zuvor. Es sei davon auszugehen, dass ein internationales Balanced-Portfolio (60 Prozent internationale Aktien, 40 Prozent internationale Anleihen) in US-Dollar gut vier Prozent Nominalertrag erwirtschaften werde. Die stark überdurchschnittlichen Erträge der letzten 30 Jahre dürften allmählich der Vergangenheit angehören, heißt es weiter.
„Unsere Marktmodelle beruhen auf Fundamentaldaten, weil wir sie für maßgeblich für die langfristige Kursentwicklung halten – auf Absatzmengen, Preisen, Margen und Gewinnen. Mehr Informationen hierzu finden Sie in unseren aktuellen Long-Term Capital Markets Expectations. Zusammenfassend meinen wir, dass die Kombination aus hoher Verschuldung der Unternehmen und hohen Margen der Grund dafür ist, dass wir auf Zehnjahressicht unterdurchschnittliche Erträge erwarten – zumal die konjunkturbereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnisse überdurchschnittlich hoch sind. Alles in allem glauben wir, dass Investoren ihre Portfolios neu ausrichten sollten. Ziel sollten nicht mehr überdurchschnittliche Erträge, sondern ein angemessener Umgang mit Risiken sein. In dieser Phase des Konjunkturzyklus zählen Entscheidungsfreiheit und Selektivität“, so Almeida.
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