Kommentar
15:29 Uhr, 03.07.2022

Rezession klopft ganz laut an Tür der US-Wirtschaft – Wie tief kann es noch abwärts gehen bei S&P500 und DAX?

Viele Experten behaupten, dass die US-Wirtschaft frühestens Ende 2023 in eine Rezession abrutschen könnte. Der Kurseinbruch bei S&P500 und DAX im vergangenen Halbjahr spricht allerdings eine ganz andere Sprache und die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA heizen diese Sorge zurecht weiter an.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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    Kursstand: 12.813,03 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500
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    Kursstand: 3.825,33 Pkt (S&P) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Woran lag es, dass sich die Indizes zum Start in das zweite Halbjahr dennoch ein wenig erholt haben und wie tief könnte es noch abwärts gehen bei S&P500 und DAX?

Nach dem dramatischen Kurseinbruch im ersten Halbjahr haben sich DAX und S&P 500 am Freitag, 1. Juli zum Start des zweiten Halbjahres etwas erholt. Dabei sind die Konjunkturdaten aus den USA, die am Freitag veröffentlicht worden sind, weiter besorgniserregend und verstärken klar die Rezessionssorgen der Investoren.

So ist der wichtige Einkaufsmanagerindex vom Institute for Supply Management (ISM) für die US-Industrie für Juni von 56,1 Punkte auf 53,0 Punkte eingebrochen – das ist das niedrigste Niveau seit Juni 2020 - und lag damit meilenweit unter den Schätzungen der Volkswirte von 55 Punkten. Der Indikator bestätigt damit, dass die Konjunktur in dem Sektor geradezu von der Klippe heruntergefallen ist.

Gleichzeitig ist die Komponente mit den Auftragseingängen von 55,1 Punkte auf 49,2 Punkte kollabiert und liegt damit unter der 50er-Marke, die die Schwelle zwischen Wachstum und Schrumpfen ist. Daneben gibt es noch einige weitere Komponenten des Index, die besorgniserregend sind. Das werde ich am kommenden Dienstag, 5. Juli in der Sendung „Euer Egmond“ präsentiert von BNP Paribas Zertifikate ausführlich analysieren.

Kleiner Hinweis: Am Dienstagabend habe ich in der Sendung „Euer Egmond“ präsentiert von BNP Paribas Zertifikate die Aussichten für S&P500, DAX, Euro-Dollar und Gold analysiert.

Fed von Atlanta prognostiziert kräftiges Schrumpfen der US-Wirtschaft

Zudem haben die Daten zu den US-Bauausgaben für Verunsicherung bei Investoren bestätigt. Sie waren im Mai um 0,1 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken, hingegen hatten Volkswirte einen Anstieg von 0,5 Prozent vorhergesagt. Da haben Investoren darüber hinweggesehen, dass die Daten für April nach oben korrigiert worden sind. So ist aus dem ursprünglich gemeldeten Anstieg von nur 0,2 Prozent einer von 0,8 Prozent geworden.

Wenige Stunden nach der Vorlage der Zahlen zum Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie und den -Bauausgaben hat die Fed von Atlanta ihre Prognose für die Entwicklung der US-Konjunktur zusammengestrichen. Nun geht die Fed von Atlanta auf Basis ihres Echtzeitmodells von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal um annualisiert 2,1 Prozent aus, nachdem die vorherige Schätzung noch bei annualisiert minus 1,0 Prozent gelegen war. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert.

Dabei war die Wirtschaft bereits im ersten Quartal um annualisiert 1,6 Prozent geschrumpft. Sollte für das zweite Quartal tatsächlich erneut ein Rückgang zu Buche stehen – die Zahlen werden am Donnerstag 28. Juli veröffentlicht -, wäre das das zweite Quartal in Folge mit einem Minus, womit die Wirtschaft in einer Rezession wäre. Auf dieses für viele Investoren völlig überraschende Szenario stellen sie sich nun rapide am Aktien- und am Anleihenmarkt ein.

Wieso sind S&P500 und DAX am Freitag gestiegen?

Wieso sind S&P500 und DAX am Freitag trotz der zunehmenden Rezessionssorgen gestiegen? Einerseits war Monats- bzw. Quartalsanfang, weshalb beispielsweise über Sparpläne neues Geld in die Aktienmärkte fließt. Andererseits sind sie vom Einbruch der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach der Vorlage der schwachen US-Konjunkturdaten gestützt worden. So sind die Zinsen gegenüber dem Vortag um 10 Basispunkte auf 2,88 Prozent kollabiert, nachdem sie sich vom Tagestief von knapp unter 2,80 Prozent etwas erholt haben.

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Bemerkenswerterweise sind Investoren aber weiterhin in defensive Aktien geflüchtet, weshalb der Versorgersektor mit plus 2,5 Prozent der größte Gewinner im S&P500 war. Das zeigt einmal mehr die Rezessionssorgen der Investoren unmissverständlich. Hingegen war der Sektor Information Technology mit den Schwergewichten Apple , Microsoft, NVIDIA , VISA , MasterCard , Broadcom und Cisco Systems mit einem Anstieg um lediglich 0,3 Prozent das Schlusslicht im S&P500. Investoren wissen, dass die Branche im Falle einer Rezession überdurchschnittlich stark unter die Räder kommen dürfte.

Für Abgabedruck auf den Sektor hatte zudem der katastrophale Ausblick des US-Speicherchipherstellers Micron Technology das laufende Quartal gesorgt, der die Aktie und etliche andere aus der Branche, wie Nvidia, Advanced Micro Devices , Intel und Texas Instruments mit nach unten gerissen hat.


Wie tief könnten S&P500 und DAX noch abrutschen?

Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, die niemand beantworten kann, hängt das doch von etlichen Faktoren ab. Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn es am kommenden Montag, 4. Juli beim DAX erst einmal weiter kurz aufwärts gehen könnte, weil die US-Börsen wegen des Feiertags Independence Day geschlossen sind und es daher von dort kein Störfeuer gibt, zumal auch der US-Anleihenhandel geschlossen ist. Dann könne die Fondsmanager in Deutschland und Europa erst einmal den Markt auch mit kleinen Orders nach oben ziehen.

Umso genauer werde ich mir am Abend die Veröffentlichung der Zahlen zum Verkauf neuer Pkws, Pick-Ups und Trucks aus den USA anschauen. Im Mai war der Absatz auf eine Jahresrate von 12,68 Mio. Einheiten kollabiert, womit er um herbe 25 Prozent unter dem Vorjahresniveau lag. Für Juni erwarte ich anhaltend schwache Zahlen, die weiter die Rezessionssorgen schüren sollten.

Im Gegensatz zu vielen Investoren gehe ich davon aus, dass wir den Höhepunkt bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen am 14. Juni mit 2,5 Prozent gesehen haben und es in den nächsten Wochen und Monaten kräftig abwärts gehen dürfte. Je aggressiver die Fed dabei die Leitzinsen anheben sollte, umso schneller sollten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nicht etwa steigen, sondern nach unten rauschen, weil die Rezessionssorgen der Investoren zunehmen.

S&P500 ist immer noch eine große Blase

Dieses Umfeld sollte für anhaltenden Abwärtsdruck auf den S&P500 und damit auch auf den DAX sorgen, zumal beide Indizes weiterhin hoch bewertet sind und die Analysten erst mit der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen beginnen werden, die Gewinnschätzungen für das zweite Halbjahr 2022 und das Gesamtjahr 2023 kräftig zu senken. Den vom Konsens für 2022 vorhergesagten Gewinnanstieg um rund 10 Prozent für den S&P500 halte ich ebenso für reine Makulatur wie das für 2023 geplante Plus von 7 bis 8 Prozent.

Vor dem Hintergrund halte ich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P500 von 15,9 auf Basis der aktuellen Gewinnschätzungen für die nächsten 12 Monate – die für Analysten und Investoren üblicherweise wichtigste Kennzahl – für viel zu hoch. Die Schätzungen für die nächsten 12 Monate werden jetzt Anfang Juli berechnet, indem man das Jahr 2022 mit 6 Monaten und 2023 ebenfalls mit 6 Monaten gewichtet. Daher gehe ich davon aus, dass die Talfahrt des S&P500 in Richtung 3.500 Punkte klar weitergeht, womit auch jene des DAX anhalten sollte und der Index bald unter das 52-Wochen-Tief vom März bei knapp unter 12.500 Punkte sinken sollte.

Ob es unter die Marke von 3.500 Punkten beim S&P500 gehen sollte, hängt hauptsächlich davon ab, wann die Fed eine Kehrtwende ihre Politik einleitet und wieder die Zinsen auf null senkt und ein neues massives Gelddruckprogramm auflegt. Das ist in dem schlechten Konjunkturumfeld die einzige Hoffnung der Investoren. Meiner Meinung dürfte es dazu frühestens Ende August beim Treffen der Notenbanker in Jackson Hole, Wyoming vom 25. bis 27. August kommen.

In der Zwischenzeit dürften Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen wiederholt betonen, dass sie die Zinsen kräftig erhöhen möchten, um die Inflation zu bekämpfen. Daran beginnen Investoren aber verstärkt zu zweifeln, wie ich in der Sendung am nächsten Dienstag zeigen werde.

In meiner Sendung "Euer Egmond" analysiere ich wöchentlich die Märkte!

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Egmond Haidt
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