Kommentar
15:20 Uhr, 06.06.2017

Rezession in den USA? Ja oder nein?

Die Signallage ist alles andere als eindeutig. Geht es nach dem Kreditmarkt, dann stehen die USA vor dem Abgrund.

Die US-Notenbank sagt immer wieder, dass ein Aufschwung nicht wegen seines Alters stirbt. Soll heißen: die Dauer allein ist unbedeutend. Es zählen andere Faktoren. Irgendetwas würgt jeden Aufschwung früher oder später ab. Normalerweise wird das der Notenbank angelastet. Sie erhöht die Zinsen während eines Aufschwungs so lange bis die Zinsen zu hoch sind und sie den Aufschwung so abwürgt.

Persönlich sehe ich das nicht ganz so. Es ist letztlich nicht die Notenbank, die die Kreditvergabe bestimmt, sondern die Banken. Die Zinsen mögen zwar von der Fed bestimmt werden, doch der Zinssatz allein bestimmt nicht unbedingt wie viel Kredit nachgefragt wird. Zweifellos sinkt die Kreditnachfrage, wenn die Zinsen bei 10 % liegen. Ob sie nun aber bei 3 % oder 3,5 % sind, ist relativ unerheblich. Die Kreditnachfrage ist nicht so elastisch, dass kleine Änderungen einen Unterschied machen.

Es gibt vielmehr andere Faktoren, die wesentlich wichtiger sind als der Zinssatz. Dazu gehören die Kreditvergabestandards der Banken. Grafik 1 zeigt den Anteil der Banken, die ihre Standards verschärfen oder lockern. Das erste Mal seit 2010 verschärfen mehr Banken die Kreditvergabestandards als sie diese lockern. Es ist dabei relativ üblich, dass eine Verschärfung vor Beginn einer Rezession beginnt.

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Die Verschärfung der Standards ist eine Reaktion auf die Ausfallquoten. Steigen diese, dann stimmt etwas nicht. Niemand weiß, was nicht stimmt, aber es wird darauf reagiert. Grafik 2 zeigt die Ausfallquoten für Kreditkartenkredite. Diese steigen seit einiger Zeit an. Das gilt nicht nur für Kreditkarten, sondern inzwischen auch für Autokredite.

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Bei Konsumkrediten sieht es so aus als wären die besten Zeiten des Kreditzyklus vorbei. Die besten Zeiten sind die, in denen Konsumenten Kredite zuhauf nachfragen und sie sich die Zinsen auch leisten können. Inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Die Ausfallquoten steigen, obwohl das Beschäftigungswachstum anhält.

Das Kreditwachstum bricht seit einiger Zeit ein. Grafik 3 zeigt die Entwicklung für Unternehmenskredite. Das Wachstum bricht so stark ein wie sonst nur während eines Abschwungs. Zugleich bleibt der US-Konsum recht schwach, obwohl sich zuletzt eine Stabilisierung ergeben hat. Dennoch: wächst der Konsum langsamer, dann lohnen sich die ganzen Investitionen, die auf Kredit getätigt wurden, nicht so wie geplant.

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Immerhin gibt es auch einen Lichtblick. Die Lagerbestände steigen wieder an. Normalerweise sinken diese, wenn Unternehmen eine Abkühlung erwarten. Die Lager werden dann abgebaut, indem weniger produziert wird. Das dämpft das Beschäftigungswachstum. Genau dieses ist aber nach wie vor hoch. Die Erstanträge und fortgesetzten Anträge auf Arbeitslosenhilfe sind historisch niedrig (Grafik 4).

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Die Signallage ist also nicht eindeutig. Der Kreditmarkt gibt ein Warnsignal und dieser ist normalerweise der erste, der einen Abschwung anzeigt. Nun zeigen aber die Produktionspläne der Unternehmen eine gewisse Zuversicht. Sie produzieren wieder mehr auf Lager. Das kann sich natürlich als Fehler erweisen, doch im Normalfall ist es ein gutes und positives Signal.

Die Beschäftigung ist ebenfalls solide. Immer mehr Menschen finden einen Job. Ob dieser gut ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Die Wirtschaft sollte also zumindest auf dem Papier weiter wachsen. Wäre da nur nicht diese Trendumkehr auf dem Kreditmarkt... Die macht mir persönlich etwas Sorgen.

Es passt einfach nicht zusammen, wenn die Beschäftigung wächst, aber die Ausfallquoten steigen. Zudem wächst der Konsum langsam, obwohl Verbraucher Konsumkredite aufnehmen und auch ihre Immobilien wieder verstärkt zur Konsumfinanzierung nutzen (Hypothek wird erhöht, um zusätzlichen Kredit für anderes wie Konsum zu haben).

Ich favorisiere ein Szenario, bei dem es sich bei den Signalen auf dem Kreditmarkt nur um eine vorrübergehende Störung handelt. Solange der Arbeitsmarkt nicht dreht, sollte der Kreditmarkt nicht komplett kippen. Das Wachstum geht also weiter. Die Risiken, dass es ganz schnell in eine andere Richtung geht, sind allerdings hoch. Es lässt sich vermutlich erst im nächsten Quartal mit Sicherheit sagen, ob es nur eine zwischenzeitliche Abkühlung gab oder ein Trendwechsel bevorsteht.

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6 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Es gibt jede Menge Zeichen an der Wand, das bei Uncle Sam bereits der Kittel brennt. Ist man offen genug und schaut ganz genau hin, dann kann man erkennen, wie bereits kleine Rauchwolken aus den Rockschößen von Donald Trump aufsteigen. Aufrechte Klimaalarmisten haben für so was natürlich ein geschultes Auge und kritisieren nun, das Trump nicht nur nicht mehr das Klima schützen will, sondern durch seinen brennenden Frack höchstselbst zur weiteren Verunreinigung beiträgt.

    Wie man The Donald kennt, wird den größten Arbeitsplatzbeschaffer aller Zeiten weder das Klima, noch sein brennender Kittel und schon überhaupt nicht die Brisanz der ökonomischen Daten seit Jahresbeginn in seinem Sendungsbewusstsein beschädigen.

    Wie sich der große Blonde im Oval Office allerdings verhält, wenn die gesamte US-Wirtschaft in Flammen steht, also in eine sehr deftige Rezession rutscht, bleibt abzuwarten. Gibt er auch dann noch den coolen Deal Maker oder fällt die Fassade schneller wie der Vorhang im Theater? Wir werden vielleicht das ziemlich zweifelhafte Vergnügen haben, das ausgerechnet ein Herr Trump eine Wirtschaftskrise managen muß, die das Lehman-Debakel deutlich in den Schatten stellt.

    22:14 Uhr, 06.06. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Jo1807
    Jo1807

    Die US-Arbeitsmarktzahlen sind doch schön gerechnet, ja wahrscheinlich sogar statistisch korrekt manipuliert. Darauf würde ich nichts geben.

    20:44 Uhr, 06.06. 2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Herr Schmale, ich verstehe Sie nicht.

    Im Artikel von heute Vormittag schreiben Sie ausführlich, dass der Arbeitsmarkt sich abkühlt; gier schreiben Sie, dass es stabil ist.

    Entscheiden Sie sich doch bitte einmal.

    20:13 Uhr, 06.06. 2017
  • netzadler
    netzadler

    ich persönlich habe keinen bock mehr auf Konsum, wenn ich merke, dass nur noch Profit gemacht werden soll, egal welche scheisse man verkauft. das macht einfach keinen sinn mehr, man wird der Sachen überdrüssig.

    geht mir bei Profisport genauso, irgendwie alles nur aufgeblasen, die hälfte, die da mitmischt, hat von der Materie keine Ahnung und labert nur.

    in meinem Freundeskreis wird jetzt geplant, dass auf dem Weihnachtsmarkt dieses jahr ein eigener glühweinstand gemacht wird. es wird noch ein Motto gesucht, dass man irgendwie positiv auffällt und fertig. das ganze neben etwas spass natürlich nur, weil sich da richtig kohle rausziehen lässt. läuft ja dummes konsumvieh ohne ende über den Weihnachtsmarkt.

    nicht mein fall, ich bin da raus. ich denke, spass und moneten sind nicht der sinn des lebens.

    16:38 Uhr, 06.06. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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