Analyse
15:31 Uhr, 19.09.2008

Rettungsplan läuft an - Rettungsplan läuft an

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Externe Quelle : Unicredit

Eine Woche, die das Ende der Finanzwelt in ihrer bisherigen Form markierte, hat mit der Ankündigung der US-Behörden die Bilanzen angeschlagener Finanzinstitute schnellstmöglich von notleidenden Krediten befreien zu wollen, ihren Höhepunkt erreicht. Mit flankierenden Maßnahmen sollen zudem die Einlagen in den Geldmarktfonds abgesichert und die Leerverkäufe von Aktien von Finanzinstituten vorübergehend gestoppt werden. Auf das taumelnde Vertrauen in den Finanzsektor reagiert die Politik nunmehr mit einer systemischen Lösung, mit der das Überleben des Finanzsektors gesichert werden soll. Die Rettungsmaschinerie läuft an! Nachdem sich die Ereignisse in den letzten Tagen überschlugen, dürfte die Entwicklung auch jetzt rasch voranschreiten. Ein detaillierter Plan könnte bereits heute dem Kongress vorgelegt werden, und die Dringlichkeit der Lage spricht wohl für eine rasche Zustimmung. Dies sollte positiv sein für Aktien und den Dollar, nicht aber für Staatsanleihen. Die unmittelbare Marktwirkung fiel bereits extrem kräftig aus, was zum Teil daran liegt, dass die gefährliche Mixtur aus Pessimismus und Verzweiflung unter den Anlegern mit dem Rettungsplan nunmehr "verdünnt" wird. Es wird aber wohl noch länger dauern, bis die Märkte genauer abschätzen können, in welchem Maße der Plan die von der globalen Wachstumsabschwächung ausgehenden Risiken kompensieren kann. Wir haben es also zurzeit mit folgenschweren Entwicklungen zu tun. Das Endspiel aber scheint in vollem Gange, und das Ende der Krise ist wenigstens in Sichtweite.

Die Politik hat mit Nachdruck klargestellt, dass die Lösung eine allumfassende, systemische sein soll und rasch umgesetzt werden wird. Genau das war auch erforderlich, um die Märkte zu stabilisieren und das Anlegervertrauen zu fördern. Nachdem sich die Entwicklung mit der Insolvenz von Lehman Brothers dramatisch beschleunigt hatte, überkam die Märkte in den letzten Tagen die Angst, dass möglicherweise keine der Banken wirklich sicher sei. Das wahrgenommene Kontrahentenrisiko erreichte bisher nicht gekannte Niveaus, die Geld- und Interbankenmärkte waren gelähmt, und die Kursverluste im Finanzsektor kamen nahezu einer Kernschmelze gleich, was wiederum die breiteren Aktienindizes in die Tiefe riss. Gestern reagierten die Notenbanken zunächst noch mit umfangreichen konzertierten Liquiditätsspritzen, welche die Liquiditätsklemme unmittelbar lockerte. Die Erfahrungen der letzten zwölf Monate haben aber gezeigt, dass die Sorgen in Bezug auf die Solvenz der Finanzinstitute nicht durch die Bereitstellung von Liquidität allein beschwichtigt werden können. In Anbetracht einer so noch nie dagewesenen Panik an den Finanzmärkten hat die Politik nun entschieden, dass der Entschuldungs- und Konsolidierungsprozess nicht länger auf fallweiser Basis vorangetrieben werden kann.

Der Plan orientiert sich im Wesentlichen an dem Staatfonds Resolution Trust Corporation (RTC). Die notleidenden Aktiva, wobei zunächst von etwa 800 Mrd USD die Rede ist, sollen an ein neues Sonderinstitut übertragen werden. Um illiquide Wertpapiere durch liquide zu ersetzen, ist die Emission von Staatsanleihen geplant. Dadurch wird das Überleben der betroffenen Finanzinstitute gesichert und ihre Bilanz wird gestärkt. Da das staatliche Vehikel à la RTC in der Lage sein wird, die notleidenden Aktiva so lange wie nötig zu halten, besteht nicht mehr das Risiko, dass diese im großen Stil auf den Markt geworfen werden, was wiederum Wellen von Abschlägen und Zwangsverkäufen auslösen würde. Als weiterer Schritt wird ein separater Pool mit 400 Mrd USD innerhalb der US-Einlagensicherungsbehörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) erwogen, mit dem die Anlegergelder in den Geldmarktfonds abgesichert werden sollen. Zudem könnten die Maßnahmen zur Verhinderung von Leerverkäufen bei den Aktien der Finanzinstitute weiter verschärft werden.

Die unmittelbare Marktreaktion verdeutlicht den außergewöhnlichen Charakter der gegenwärtigen Entwicklungen – US-Aktien erleben die stärkste Rally seit sechs Jahren. Auch die asiatischen und europäischen Börsen zogen an. Dies zeigt die große Erleichterung, nachdem Zweifel am Überleben des Finanzsystems aufgekommen waren. Die Ankündigung löst aber nicht sofort alle Probleme. Die genaue Ausgestaltung und Umsetzung des Plans wird angesichts des Ausmaßes der Herausforderung alles andere als einfach sein. Es bedarf gewaltiger Anstrengungen, die betroffenen Finanzaktiva und Institute ausfindig zu machen und einen Plan für die Bewertung und schrittweise Abwicklung bzw. Eliminierung der Assets zu entwickeln. Im Zuge der Unsicherheit hinsichtlich der Implementierung wird die Frage nach dem Überleben einzelner Institute kurzfristig weiter für Besorgnis und folglich auch für Volatilität an den Märkten sorgen. Da für die Finanzierung des Plans Staatsanleihen begeben werden müssen, wächst bereits die Sorge über ein Anschwellen der US-Staatsverschuldung und ein Szenario, in dem das Triple-A-Länderrating nicht mehr haltbar ist, was negative Folgen für die Nachfrage nach US-Treasuries und dem US-Dollar hätte. Ich halte diese Befürchtungen für übertrieben.

Die Verschuldung in den USA ist sehr niedrig, und die positiven Folgen des Plans für die wirtschaftlichen und finanziellen Perspektiven des Landes dürften deutlich gegenüber den Sorgen über die fiskalischen Konsequenzen überwiegen.

Von größerer Bedeutung sind dagegen die anhaltenden Bedenken hinsichtlich der globalen Wachstumsperspektiven. Ein Plan zur Rettung des Finanzsystems begrenzt zwar die Abwärtsrisiken, vor allem im Hinblick auf eine mögliche Kreditklemme. Er hält jedoch nicht unmittelbar die (globale) Wachstumsabschwächung auf. Und auch mit den Schwachpunkten der US-Wirtschaft, sprich Häuser- und Arbeitsmarkt, kann nicht mit einem Schlag aufgeräumt werden. Damit keine Missverständnisse aufkommen: In meinem Basisszenario ging ich bereits von einer leichten Erholung der USWirtschaft im kommenden Jahr aus, und der nun vorgeschlagene Rettungsplan für den Finanzsektor bestätigt mich in meiner Meinung.

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