Kommentar
06:41 Uhr, 13.06.2017

Reiches Amerika? Ein Mythos

Die US-Notenbank hat es uns wieder schwarz auf weiß gezeigt: die USA sind so reich wie sonst keiner.

Jedes Quartal veröffentlicht die Notenbank die sogenannten Financial Accounts der USA. Darin enthalten sind alle Vermögenswerte der Amerikaner. Auch über die Schulden gibt die Bilanz Aufschluss. Anfang 2017 lässt sich nun feststellen: die Amerikaner waren noch nie so hoch verschuldet wie jetzt, aber auch noch nie so reich.

Das Vermögen (nach Schulden) beläuft sich inzwischen auf 94,8 Billionen Dollar und liegt somit ungefähr beim Fünffachen der Wirtschaftsleistung. Demgegenüber stehen Schulden von lediglich 14,6 Billionen Dollar. Also alles kein Problem, möchte man meinen.

So manche Zeitung hat sich dazu hinreißen lassen, vom „Mythos des verschuldeten Amerika“ zu sprechen (z.B. Wall Street Journal). Bei so viel Vermögen und so wenig Schulden, da kann man doch kaum davon reden, dass es den Amerikanern schlecht geht und sie zu hohe Schulden haben!

Der Teufel liegt im Detail. Grafik 1 zeigt das durchschnittliche Vermögen nach Gruppen. Die obersten 0,1 % haben mehr als 30 Mio. Dollar Vermögen. Die untersten 10 % sind netto verschuldet. Erst Haushalte, die über dem Median liegen, haben greifbares Vermögen (über 80.000 Dollar). Das ist besser als nichts, doch wer davon seine Rente aufbessern will, wird am Ende recht enttäuscht sein.

Über die Jahre hinweg kann man sagen, dass sich beim Vermögen der unteren 90 % wenig tut. Grafik 2 zeigt das Vermögen in Billionen Dollar für die untersten 10 %, die nächsten 80 % und die oberen 10 %. Wo das Vermögen akkumuliert wird, ist klar.

Man kann es sogar noch drastischer verdeutlichen. Vor Beginn der Finanzkrise lag das Vermögen der 400 reichsten Amerikaner bei 1,54 Billionen Dollar. 2016 lag es bei 2,4 Billionen. Das ist ein Zuwachs von 56 %. Das Gesamtvermögen hat seitdem 40 % zugenommen. Es fließt halt nicht allen gleichermaßen zu, sondern tendenziell den besonders Wohlhabenden.

Der angebliche Reichtum ist keiner. Das gilt nicht nur für die USA, sondern weltweit. Weltweit gehören den obersten 8,2 % über 85 % des Vermögens. Es kommt aber noch dicker. Je geringer das Einkommen und das Vermögen ist, desto höher sind im Verhältnis die Schulden. Die Schulden machen bei den obersten 5-10 % weniger als 10 % des Vermögens aus. Die Verschuldung liegt also bei weniger als 10 %.

Die unteren 50 % bzw. sogar die unteren 90 % haben eine Verschuldung von 30-40 %. Auf die USA umgerechnet bedeutet dies, dass zwei Drittel der 14,6 Billionen an Schulden auf die unteren 90 % entfallen. Hinzu kommt noch, dass ein Großteil des Vermögens in Immobilien steckt. Darüber hinaus haben die Haushalte nicht viel. Ein Rückgang der Immobilienpreise bringt die unteren 50 % ganz schnell in arge Bedrängnis.

Für mich sieht es ganz danach aus, als hätte der Aufschwung den unteren und mittleren Einkommensschichten wenig gebracht. Im Durchschnitt sind die USA reich und Haushalte wenig verschuldet. Der Durchschnitt sagt wenig über die Einzelfälle aus. Hier ist das Bild katastrophal. Nicht umsonst sind fast 15 % der Bevölkerung auf Lebensmittelmarken angewiesen.

Clemens Schmale

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8 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Na ja....die Staatsverschuldung, Bildungsverschuldung wohl nicht mitgerechnet. Wie vereinbart sich das mit den durchschnittlich 400 000 Schulden pro 4 koepfiger Familie? Ich halte den Artikel fuer selektive Schoenbeterei.

    09:05 Uhr, 13.06.2017
  • StefanS
    StefanS

    Erneut interessante Fakten. Was mich regelmässig stört ist der einseitîge Blick auf ausländische Verhältnisse. WIr sollten uns mit offenen Augen die massive Erodierung des eigenen Mittelstands und dessen Kaufkraft in Deutschland vor Augen führen und die Ursachen hierfür adressieren. Wir lenken uns / werden fortwährend abgelenkt durch schlechte Politik/ böse Politiker anderenorts und meine daher, dass wir mit unserer heutigen Kreisklassenmannschaft besser dastünden.

    07:01 Uhr, 13.06.2017
  • trunki
    trunki

    Das Vermögen des oberen 1% wäre noch einmal aufschlußreich, dagegen sind die folgenden 9% die zum gleichen Dezil gehören "arme Kirchenmäuse".

    06:13 Uhr, 13.06.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Kaishakunin
    Kaishakunin

    Das ist so oder so ähnlich doch eigentlich bekannt. Warum wählen die unteren 50 % dann nicht anders? Glauben sie wirklich, dass sie noch mehr verlieren können?

    22:38 Uhr, 12.06.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Hoeli
    Hoeli

    Man würde sich wünschen, dass es die immer fetter werdenden Geldhaie einfach mal zerreißt. Frei nach dem Sinn des Lebens "Nur noch ein kleines Pfefferminzblättchen". Aber die Sauerei wäre dann vermutlich so groß, dass sie keiner aufräumen kann.

    Bin mal gespannt wie es diesmal endet. Hab bisher noch kein Szenario vor Augen. Aber nach 2009 muss etwas Legendäres folgen.

    22:06 Uhr, 12.06.2017
  • Tobias Krieg
    Tobias Krieg Technischer Analyst

    Sieht in Deutschland nicht besser aus, ganz im Gegenteil.

    20:50 Uhr, 12.06.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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