Kommentar
07:12 Uhr, 28.11.2016

Protektionismus: eine Lösung?

Protektionismus war viele Jahre lang ein Wort, welches man nicht einmal denken durfte. Jetzt wird es wieder salonfähig – zu Recht?

In der Welt gibt es große Ungleichgewichte. Kaum ein Ungleichgewicht ist so groß wie im Handel der USA mit anderen Ländern. Die Handelsbilanz der USA mit dem Rest der Welt ist tiefrot. Grafik 1 zeigt die Handelsbilanz und identifiziert die größten Sünder. Allen voran ist China zu nennen. Auf Platz 2 folgt Deutschland.

Derzeit zeigt die Handelsbilanz ein Minus von gut 700 Mrd. Dollar. Es war schon einmal schlimmer, aber das ist nur ein geringer Trost, insbesondere, wenn man den großen Effekt der Ölimporte bedenkt. Das Minus in der Handelsbilanz lag im vergangenen Jahr bei 745 Mrd. 100 Mrd. davon stammten aus Ölimporten.

Im Jahr 2008, als die Handelsbilanz nahe ihres Rekordtiefs war, lag das Minus bei gut 800 Mrd. 279 Mrd. Dollar stammten aus dem Import von Öl. Durch die in den letzten Jahren gefallenen Ölpreise ist das Defizit aus den Ölimporten gesunken. Die Handelsbilanz hat sich aber nicht im gleichen Ausmaß verbessert. Die Bilanz verschlechtert sich also bei anderen Produkten immer weiter.

Würden die Ölpreise heute wieder dort stehen, wo sie 2008 standen, dann wäre das Resultat klar. Die Handelsbilanz stünde bei -900 Mrd. und hätte einen neuen Rekord erreicht. Steigende Ölpreise sind nur eine Frage der Zeit und sofern die USA ihren steigenden Ölbedarf nicht komplett über die Eigenproduktion abdecken, sind neue Negativrekorde absehbar.

Vielen ist der Export von Schulden über das Handelsbilanzdefizit ein Dorn im Auge. Die Verschuldung im Ausland durch das Defizit belastet tendenziell den Wechselkurs. Im Normalfall führt ein Handelsbilanzdefizit zu einer immer schwächer werdenden Währung. Das ist beim Dollar nicht anders, doch als Weltreservewährung hält sich der Effekt in Grenzen.

Die neue US-Administration will gegen das Handelsbilanzdefizit vorgehen. Das führt langfristig zu einer Aufwertung des Dollars, sofern die Politik Erfolg hat. Das wiederum würde Importe noch billiger machen und gegen den Plan laufen, das Defizit zu reduzieren.

Es gibt letztlich nur einen Ausweg, um das Problem zu umgehen: Zölle – und zwar nicht zu knapp. Die Rede ist derzeit von Zöllen zwischen 35 % und 45 % auf Importe aus China und auch Mexiko. Das ist möglicherweise nicht einmal genug, um die Bilanz nachhaltig zu verbessern. Die mexikanische Währung hat in den vergangenen zwei Jahren 50 % abgewertet. Zölle von 50 % würden den Preis für mexikanische Produkte lediglich auf das Niveau aus 2014 bringen.

Mexiko ist aber nicht das größte Problem. Dieses bleibt China. Wie Grafik 2 zeigt steigen die Importe aus China unaufhörlich an. Die Exporte konnten zwar in den vergangenen 20 Jahren ebenfalls zulegen, jedoch kaum die steigenden Importe kompensieren. Seit 2013 stagnieren die Exporte nach China.
Als US-Politiker kann man das Defizit mit China nicht ignorieren. Es ist einfach zu groß. Wenn es einen Elefanten im Raum gibt, dann diesen. Was kann man allerdings dagegen tun? In der Vergangenheit wollten die USA über die Währung einen Hebel ansetzen. Es hieß, der Yuan sei unterbewertet. Inzwischen ist das nicht mehr der Fall. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass der Yuan überbewertet ist.

Kann man nicht über die Währung korrigieren, dann muss es über Zölle gehen. Geht man von neuen Zöllen in der Höhe von 35 % aus, dann würden alle chinesischen Importe nicht mehr 500 Mrd. kosten, sondern 675 Mrd. Irgendjemand muss diese Differenz zahlen. Das ist für gewöhnlich der Konsument.
Das Spielzeug aus China kostet dann nicht mehr 10 Dollar, sondern 13,5 Dollar. Der Konsument muss sich nun entscheiden, ob er die Ware noch kaufen will oder ob es Alternativen gibt. Die Politik hofft, dass der Preisanstieg der Güter über Zölle dazu führt, dass wieder mehr amerikanische Produkte gekauft werden, die für gewöhnlich teurer sind. Die USA können mit ihrer Kostenstruktur einfach nicht mit Emerging Markets konkurrieren.

Die Hoffnung ist, dass nach und nach Importe durch die heimische Produktion ersetzt werden und so Arbeitsplätze zurückkommen. Das kann funktionieren. Man muss Importe nur teuer genug machen, um für einen Kostenvorteil der heimischen Produktion zu sorgen. Das ist aber nur eine Seite der Medaille.

Die andere Seite ist höhere Inflation, die vor allem die Armen trifft. Die Armen profitieren davon, dass sie Kleidung zu Spottpreisen kaufen können. Werden diese Produkte plötzlich um 35 % teurer, dann ist das ein herber Schlag. Es ist ja auch nicht so, dass die Löhne von einem Tag auf den anderen um 35 % zulegen. Mit anderen Worten: Zölle gehen zu Lasten der Armen.

Auch Unternehmen leiden unter Zöllen. US Unternehmen haben in den vergangenen Jahren massiv in China investiert (Grafik 3). Inzwischen werfen diese Investitionen Einkommen von 10 Mrd. pro Jahr ab. Das ist im Vergleich zu den 175 Mrd. an jährlichen Zöllen gering, doch es steht nicht nur das Einkommen auf dem Spiel, sondern auch die Investitionen selbst. Diese werden von offizieller Seite auf 80 Mrd. geschätzt. Andere Berechnungen gehen von bis zu 300 Mrd. aus. Dieses Vermögen steht auf dem Spiel.

Kurz gesagt: Zölle klingen auf den ersten Blick gut. Lösen sie Probleme? Nein. Sie belasten vor allem die unteren Einkommensschichten. Gerade diese Bevölkerungsgruppen haben für eine solche Politik gestimmt. Gratulation.

Clemens Schmale

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  • Lumpazi
    Lumpazi

    ,,Im Jahr 2008, als die Handelsbilanz nahe ihres Rekordtiefs war, ..." muss heißen

    ,,Im Jahr 2008, als die Handelsbilanz nahe ihrem Rekordtief war, ..."

    19:01 Uhr, 28.11. 2016
  • RoadyO
    RoadyO

    "Kurz gesagt: Zölle klingen auf den ersten Blick gut. Lösen sie Probleme? Nein. Sie belasten vor allem die unteren Einkommensschichten. Gerade diese Bevölkerungsgruppen haben für eine solche Politik gestimmt. Gratulation."

    Sie fordern also, dass die "arme" Bevölkerungsgruppen für eine weitere Globalisierung und "Roboterisierung" stimmen sollen? Also für die Ursachen die Millionen Menschen in den USA erst arm gemacht haben?

    Wieder jemand der den Knall nicht gehört hat. Gratulation!

    Zölle sind der einzige Weg um der Unter- und Mittelschicht auf Dauer ein Auskommen zu sichern... es können nun mal nicht 99% der Gesellschaft Barista sein oder "irgendwas mit Medien" machen!

    10:22 Uhr, 28.11. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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