Prognosen sind unter diesen Umständen Kaffeesatz-Leserei
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In diesen Zeiten ein Editorial zu schreiben ist einerseits kinderleicht (ich suche gerade einen adäquaten Gegenbegriff zum Sommerloch), andererseits eine sehr undankbare Aufgabe. Denn die Leser wollen verständlicherweise Antworten auf brennende Fragen, die sich so seit Jahrzehnten nicht gestellt haben – doch wer kann diese Antworten geben? Für die meisten Börsen-Aktiven ist die aktuelle Situation historisches Neuland, und das betrifft alle Akteure an allen Fronten. Ein vermeintlicher Experte ist, gemessen an seinem Wissen, ebenso ratlos wie ein blutiger Laie. Am Ende werden wir vermutlich alle schlauer sein, aber in der Zwischenzeit tapsen wir uns durch ökonomisches Niemandsland. Prognosen sind unter diesen Umständen Kaffeesatz-Leserei. Die Weltwirtschaft könnte nächstes Jahr Nullwachstum erleben, sie könnte aber auch rapide einbrechen. Die Stimmung kann derart schnell drehen, dass man eigentlich gar nicht prognostizieren kann.
Eines der besten Beispiele dafür ist der US-Dollar. Hat nicht praktisch jedes Argument noch vor Monaten gegen die amerikanische Währung gesprochen? Hat nicht die Finanzkrise in den USA ihren Ursprung gehabt, werden nicht dort wie verrückt Schulden gemacht? Aber was verrät mir der Blick auf den Chart? Im Juli kostete ein Euro noch 1,6 US-Dollar, aktuell nur noch 1,23! Diejenigen europäischen Währungen, die sich nicht für die Währungsunion erwärmen konnten (oder durften) zerreißt es noch viel stärker. Selbst solide Staaten wie Norwegen oder Schweden müssen leiden, die Beinahepleite Islands hat den kleineren Ländern (und deren Währungen) einen weiteren Schock versetzt. Big is beautiful in diesen Tagen, und ich wette die EU-Problemkinder Griechenland, Italien und Co. danken dem Herrn – nach vielen wüsten Beschimpfungen gen Brüssel – derzeit ganz besonders, dass sie im Schoße des Euro weilen dürfen.
Durchaus möglich, dass sich bisher renintente Staaten wie das skandinavische Trio (Dänemark, Schweden, Norwegen)angesichts dieser Grenzerfahrungen nun erneut mit dem Beitritt zum Euro beschäftigen werden. Und alle größeren Staaten gemeinsam diskutieren eine „neue Architektur des Weltfinanzsystems“, eine Art Bretton Woods II, ein Gedanke bei dem mir gar nicht wohl wird. Feste Wechselkurse sind ganz sicher keine Antwort auf die Krise, jedenfalls nicht in heterogenen Wirtschaftsräumen.
Wie überhaupt die schlimmste Folge der Finanzkrise sein wird, dass die Staaten massiv an Einfluss gewinnen und versuchen, das Primat der Politik gegenüber der Ökonomie dauerhaft wiederherstellen. Das mag in einer akuten Krise nützlich und notwendig sein, ist aber langfristig ein massives Wachstumshemmnis.
Daniel Kühn - Redaktionsleitung http://www.tradersjournal.de und CFD&Forex-Report
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