Kommentar
10:50 Uhr, 29.04.2013

Profitable Weltreise III

Es gibt ungefähr 200 Länder. Davon haben 134 ihre eigene Börse. Genug Auswahl, sollte man meinen, um die eine oder andere Perle zu finden. In einige aussichtsreiche Kandidaten können Anleger leider gar nicht investieren, da es an geeigneten Instrumenten fehlt (z.B. Buthan). Andere Länder oder Regionen sind momentan gar nicht interessant. Die meisten arabischen Länder, die von der Revolution betroffen waren, sind derzeit richtungslos. Viele südamerikanische Länderindizes sind dabei Tops auszubilden, zentralasiatischen Indizes fällt es schwer, einen Boden zu finden, in Europa und Nordamerika deutet sich eine volatile Seitwärtsphase auf hohem Niveau an.

Es ist also gar nicht so leicht gute Werte für ein mittel- bis langfristiges Investment zu finden. Ursprünglich wollte ich Ihnen an dieser Stelle Kasachstan und Zypern vorstellen. In Kasachstan ist die Bodenbildung leider gescheitert. Alle positiven Fundamentaldaten helfen nichts, wenn der Index nicht will. Stattdessen werde ich Mauritius vorstellen. Zypern wiederum ist in den vergangenen Wochen als Investment nicht gerade attraktiver geworden. Dennoch möchte ich einen Ausblick wagen.

Mauritius

Mauritius gehört offiziell zu Subsahara-Afrika, hat aber wenig mit den typischen subsaharischen Ländern gemein. Die Arbeitslosenrate liegt bei der Hälfte bis zu einem Drittel des Durschnitts, das Wirtschaftswachstum liegt beim Doppelten und das Pro-Kopf-Einkommen beim Zehnfachen. Mauritius wird seit langem als Wirtschaftswunderland gefeiert. Das Land steht allerdings nicht nur im Vergleich zu strukturell schwachen Staaten gut da, sondern kann auch international punkten. Die Wirtschaft belegt 2013 im Index der Wirtschaftsfreiheit Rang 8. Damit hat Mauritius inzwischen sogar Deutschland und England überholt. Was fiskalische Freiheit anbelangt, liegt Mauritius 30 Punkte vor den USA (USA 50 vs 80 Mauritius – von 100 Punkten).

Das Wunder zeigt sich auch im Leitindex, dem SEMDEX. Den Index gibt es seit 1989 und startete bei 100 Punkten. Derzeit notiert er bei 1.900 Punkten. Das ist eine beeindruckende Entwicklung, die bei weitem noch nicht zu Ende sein muss. Die langfristige Aufwärtsbewegung wurde in den 90er Jahren von einer 6-jährigen Seitwärtsphase unterbrochen. Davor und danach konnte sich der Index vervierfachen. Seit 2006 läuft der Index wieder seitwärts. Ein Ausbruch aus dieser Konsolidierung setzt noch einmal enormes Potential frei. Vielleicht wird sich der Index nicht wieder vervierfachen, eine Verdopplung ist aber möglich.

Charttechnisch ist alles in Ordnung. Die Frage ist, ob eine Rallye auch fundamental begründet werden kann. Die Wirtschaft war und ist von gewissen Sonderbedingungen stark beeinflusst. 1975 konnte Mauritius mit der EU eine Quote für den Zuckerexport vereinbaren. 500.000 Tonnen Zucker wurden dem Land von Europa pro Jahr abgenommen. Das hat für damalige Verhältnisse einen enormen Geldsegen gebracht und die Entwicklung an anderer Stelle ermöglicht. Obwohl Zuckerexporte noch immer wichtig sind, wurde die zweite Phase maßgeblich von der Textil- und Tourismuswirtschaft bestimmt. Hier half vor allem ein Abkommen mit den USA, demnach Textilien Zollfrei in die USA importiert werden konnten. Zuletzt hat ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Indien die Wirtschaft in Schwung gebracht.

Dieses Abkommen wurde bereits 1984 unterzeichnet, hatte die größten Auswirkungen aber in den vergangenen 10 Jahren. Dieses Abkommen ist für Mauritius als Finanzzentrum sehr wichtig. In Mauritius müssen Kapitalerträge nicht besteuert werden. Laut Abkommen müssen etwaige Kapitalerträge auf indische Wertpapiere nicht versteuert werden, wenn sie über Mauritius abgewickelt werden. Damit ist für viele Inder, aber auch die ganze Welt, Mauritius das Investmentportal für Indien. Schätzungen nach werden 42% der ausländischen Investments über Mauritius abgewickelt. Indien entgehen durch dieses Abkommen jährlich um die 600 Millionen Dollar. Kein Wunder also, dass Indien den Vertrag neu aushandeln will. Die Neuverhandlung dauert schon Jahre an und wird sich auch noch in die Länge ziehen. Früher oder später wird sich Mauritius den indischen Wünschen beugen müssen, obwohl Indien selbst dieses Abkommen 1984 anstieß.

Bisher hat es Mauritius immer wieder geschafft, Sonderbedingungen auszuhandeln. Es ist sich dabei bewusst, dass nicht jeder Vorteil ewig hält. Die Regierung ist daher bemüht die Wirtschaft weiter zu diversifizieren, um von der Abhängigkeit einzelner Abkommen loszukommen. Hier soll die Nähe zu den subsaharischen Ländern helfen. Diese Länder sind in ihrer Entwicklung weit hinter Mauritius, aber genau darin liegt eine große Chance. Von wenigen Ländern abgesehen stabilisieren sich viele Staaten seit Jahren und beginnen eine solide wirtschaftliche Entwicklung. Von dieser Entwicklung will Mauritius profitieren, indem es über Freihandelsabkommen vor allem Serviceleistungen exportiert. Letztlich will Mauritius für Subsahara-Afrika ein ähnliches Portal sein wie für Indien heute.

Damit könnte die nächste Phase starken Wachstums beginnen. Der Aktienmarkt hat dabei erhebliches Aufholpotential. Der nächste Chart zeigt das BIP und die Marktkapitalisierung. Die Kapitalisierung erreichte 2007 ein Hoch von 92% des BIPs. Derzeit steht der Wert bei 50%. Um zu den Hochs wieder aufzuschließen, muss sich die Marktkapitalisierung im Prinzip verdoppeln. Für entwickelte Länder sind Werte um 90% nicht außergewöhnlich. Bedenkt man die vielversprechenden Aussichten ist ein Erreichen dieses Werts durchaus realistisch. Größter Risikofaktor bleibt die Verhandlung mit Indien. Ein abruptes Aufkündigen des Doppelbesteuerungsabkommens birgt das Potential den Ausbruch des Index nach oben in einen Ausbruch nach unten zu verwandeln. Handeln lässt sich der Index über das Zertifikat CH0112791592. Ein sofortiger Einstieg ist spekulativ. Es lohnt sich, auf den Ausbruch des Index zu warten, was einem Schlusskurs des Zertifikats über 115 entspricht.

Zypern

Zypern war ein heißer Rebound-Kandidat. Das klingt vielleicht zunächst wie ein progressiver Gedanke, ist aber nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Der nächste Chart zeigt den griechischen und zyprischen Leitindex (ATHEX 20 und Tracker Zertifikat auf DJ Titans Zypern bis Ende Februar 2013) im Vergleich. Die Indizes waren bis September 2012 austauschbar. Danach ergaben sich die Divergenzen. Während der griechische Index eine starke V-Umkehr einleitete, tat sich in Zypern nichts. Der Unterschied bestand vor allem darin, dass Griechenlands Pleite endgültig vom Tisch war und Draghi dem Scheitern des Euro eine klare Absage erteilte. Der „Plan“ für Zypern sah vor, dass sich mit der Rettung ein ähnliches Szenario entwickeln würde. Nun, die Rettung kam, das Szenario aber nicht.

Wieso ist das schief gegangen? Was schief gegangen ist, lässt sich fast nicht in Worte fassen. In einer Nacht und Nebel Aktion wird ein aggressives Rettungspaket ausgehandelt. Der Inhalt des Pakets war eine Überraschung. Im Normalfall hätte ein Paket wie in Portugal oder Griechenland nur zu einem kurzen Schock geführt. Der Aktienmarkt hätte noch einmal kräftig verloren, dann aber eine gute Chance auf eine V-Umkehr gehabt, wie wir sie in anderen Ländern gesehen haben. Stattdessen passierte etwas ganz anderes. Die zyprische Regierung, die selbst auf die Beteiligung aller Sparer gepocht hatte, entzieht sich jeglicher Verantwortung. Abgeordnete stimmen entweder dagegen oder enthalten sich. Das muss man sich einmal vorstellen! Politiker werden ja nicht zuletzt gewählt, um zu agieren und Verantwortung zu tragen.

Wie absurd die Situation auch gewesen sein mag, hilfreich war die Verweigerung keineswegs. Der Versuch, doch noch das Wirtschaftsmodell zu retten ist jetzt noch dramatischer gescheitert als zu befürchten war. Die Enteignung in Höhe von schlimmstenfalls zwei Dritteln des Vermögens wird Auswirkungen auf Zypern haben, die einem Bankrott nicht unähnlich sind. Eine Rückkehr des Vertrauens ist in den kommenden Jahren so gut wie ausgeschlossen.

Enteignung – um es milde zu formulieren – ist immer kritisch. Im Falle Zyperns wird argumentiert, dass ohne Enteignung das ganze Geld weg gewesen wäre. Das ist inhaltlich korrekt. Der eigentliche Skandal kann so aber nicht wegargumentiert werden. Nehmen wir das Beispiel eines wohlhabenden Russen, der mehrere Millionen nach Zypern verfrachtet hat. Sollte es sich um nicht versteuertes Geld handeln, ist hier vor allem Russland geschädigt. Die Regierung in Moskau könnte ein Abkommen mit Zypern aushandeln, in dem eine Zwangsbesteuerung vereinbart wird. Ob Russland das tut oder nicht, liegt ganz bei ihnen. Das Geld liegt jedenfalls auf dem Konto einer zyprischen Bank. Der Russe lässt sich beraten und legt sein Geld entsprechend an. Weil er findet, dass die Unsicherheiten zunehmen, löst er sein Depot auf und hat sein gesamtes Geld wieder auf dem Konto.

Jetzt ist ein Großteil des Geldes weg. Öffentlich heißt es: „Gerecht so!“ Ich persönlich frage mich, was hier gerecht sein soll. Wer Steuern hinterzieht, muss sich vor Gericht verantworten. Zudem hat die Steuerhinterziehung wenig mit dem Zusammenbruch der Banken zu tun. Wie gesagt, hier ist Russland geschadet und nicht Zypern. Ebenso fällt es mir schwer, den Zusammenhang zwischen Kundengeldern und Fehlspekulation zu erkennen. Der Russe aus dem Beispiel hat für die Veranlagung seiner Gelder selbst das Risiko zu tragen und nicht die Bank. Diese verdient ja daran, dass Geschäfte über sie abgewickelt werden. Um es auf den Punkt zu bringen: vermögende Bankkunden sind nicht für die Schieflage verantwortlich. Die Banken haben sich ganz allein in Schieflage gebracht und zwar über Geschäfte, die sie auf eigene Rechnung getätigt haben. Dazu zählt vor allem das Investment in Peripherieanleihen, wie griechischen. Der Schuldenschnitt in Griechenland ist eines der Hauptprobleme gewesen.

Viele Bürger sympathisieren dennoch nicht mit den Geschädigten. Es herrscht ein wenig das Gefühl, dass es hier zwar nicht um Recht geht, aber um Gerechtigkeit. Das ist äußerst kritisch. Kunden werden durch die Enteignung wie Eigner oder Gläubiger der Bank behandelt. Sie sind aber weder das eine noch das andere. Stellen Sie sich vor, Ihr Bankguthaben wird einfach um 50% reduziert mit der Begründung, dass Sie als Kunde der Bank Verantwortung tragen. Das ist eine absurde Argumentation. Das ist so, als würde ich als Kunde eines Solarzellenherstellers, der insolvent ist, herangezogen, um das Unternehmen zu sanieren.

Jeder von uns ist auf Banken angewiesen. Das macht die Branche natürlich zu einem Sonderfall. Letztlich sind es aber Unternehmen und wir sind deren Kunden. Wir haben keine Eigentümerschaft und sind damit auch nicht in der Verantwortung. Zusammenfassend kann ich nur noch einmal sagen: Skandal!

Nach diesem Exkurs aber wieder zurück zum eigentlichen Thema. Zieht man Parallelen zu Griechenland, Portugal und Irland, dann sieht die Zukunft düster aus. Die Staatsverschuldung, inklusive der Hilfsgelder, steigt wahrscheinlich von 70% auf über 120% an. Ob das bereits das Plateau ist, ist äußerst fraglich. Die Wirtschaft wird einbrechen, hohe Ausgabenkürzungen verschärfen diesen Trend, die Arbeitslosigkeit wird steigen. Gut möglich, dass die Staatsschulden auch auf 140% oder 150% des BIPs steigen. Ein Peak bei 130% ist das positivste Szenario. Ohne ein Wunder werden Investoren wohl kaum um einen Schuldenschnitt herumkommen. Wachstum wird das Land bis 2015 wahrscheinlich nicht mehr sehen. Die Arbeitslosigkeit könnte bereits Ende 2013 bis Anfang 2014 auf über 20% steigen.

Immobilien werden stark an Wert verlieren. Der Gesamtwertverlust dürfte im Bereich von 30 bis 40% liegen. Ein Drittel hat das Land bereits hinter sich. Ein Kollaps des Immobilienmarktes bringt weitere Probleme für die Banken mit sich. Ob die jetzige Rekapitalisierung ausreicht kann sich jeder selbst ausmalen.

Die Maßnahmen der Regierung zur Stabilisierung der Wirtschaft stecken noch in den Anfängen. Angedacht sind Steuervergünstigungen für Auslandsinvestitionen und das Eröffnen von Kasinos. Ob das reicht bzw. fruchtet, sei dahingestellt. Wie auch immer man es dreht und wendet: das Ergebnis der Rettung ist das schlecht möglichste.

Für den Aktienmarkt wird es zunächst sehr turbulent. Die Übergewichtung des Bankensektors wird jeden Index massiv nach unten drücken. Zum einen ist mit weiterhin hohen Verlusten der Banken zu rechnen. Zum anderen sollen die enteigneten Gelder in Aktien umgewandelt werden. Eine Vervielfältigung der Aktienanzahl ist da auch nicht hilfreich. Das alles ist so dramatisch und die Panik bei Investoren so groß, dass Anleger auf einen Boden möglicherweise gar nicht so lange warten müssen wie es vielleicht zunächst den Anschein hat. In Griechenland ist der wirtschaftliche Boden 2013 hoffentlich erreicht. Die Aussicht auf einen Boden hat über anderthalb Jahre vor diesem möglichen Boden zu einer Rallye geführt. In Zypern kommt wirtschaftlich das Schlimmste erst noch. Mit einem wirtschaftlichen Tiefpunkt Mitte bis Ende 2014 kann allerdings bereits im Sommer 2013 eine Erholung starten. Anleger sollten Zypern daher auf jeden Fall auf der Watchlist haben. Der Markt lässt sich über das Zertifikat DE000AA0ZYP2 handeln. Dieses ist in den vergangenen Wochen überraschend stabil geblieben. Lassen Sie sich davon aber nicht irritieren. In dem zugrunde liegenden Index beträgt die Gewichtung von Bankwerten über 60%. Diese wurden zuletzt Anfang März gehandelt. Seitdem ist der Handel ausgesetzt. Wird der Handel wieder aufgenommen, ist mit einem massiven Kurseinbruch von 50% oder mehr zu rechnen. Der Wert der Bankaktien sollte schnell gegen de facto 0 gehen. Erst dann sollte investiert werden. Die überraschend stabile Entwicklung der übrigen Unternehmen zeigt, dass Investoren stark differenzieren und den verbleibenden Unternehmen gute Chancen geben. Eile ist nicht geboten. Als Anleger sollte man unbedingt warten, bis Bankaktien wieder gehandelt werden können und es zu einer V-Umkehr kommt.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse nicht investiert.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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