Populismus, Automatisierung und langfristiges Investieren
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London (GodmodeTrader.de) - Huw van Steenis, Global Head of Strategy bei Schroders, berichtet in einem aktuellen Marktkommentar von seinen wichtigsten Eindrücken vom Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos und zieht Parallelen zur aktuellen Situation an den globalen Märkten. Als „uneinheitlich“ beschreibt er die Stimmung beim Treffen der wichtigsten internationalen Wirtschaftsvertreter. „Während sich amerikanische Teilnehmer optimistisch zeigten, äußerten sich europäische Vertreter verhalten pessimistisch – ein Spiegelbild der aktuellen Stimmung an den globalen Märkten. Vorherrschend waren Themen rund um die enormen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die durch Populismus, Globalisierung, umwälzende Technologien, Migrationskrise und Ungleichheit entstehen“, so van Steenis.
Aus diesem Umfeld leitet er fünf wesentliche Trends ab, die zurzeit die Märkte bestimmen: Automatisierung von Arbeitsplätzen, Populismus, Politischer Wandel, Langzeitinvestitionen und Datennutzung. Die Bedrohung von Arbeitsplatzabbau durch Automatisierung nehme drastisch zu. Das Beratungsunternehmen McKinsey habe neue Studien veröffentlicht, denen zufolge in den USA zwischen 1997 und 2007 86 Prozent der Arbeitsplatzverluste in der Produktion auf die steigende Produktivität und 14 Prozent auf den Handel zurückzuführen gewesen seien. Aber damit nicht genug – 1,1 Milliarden Arbeitskräfte und 15,8 Billionen US-Dollar an Löhnen und Gehältern seien Aktivitäten zuzuordnen, die heute aus technischer Sicht automatisierbar seien, heißt es weiter.
„Die Auswirkungen des Populismus waren die größte Sorge in Davos. Seine Manifestationen werden in den kommenden Jahren wohl zu den wichtigsten Markttreibern zählen. Überraschend für mich war jedoch der fehlende Konsens über die Ursachen des Populismus und der Protestpolitik, geschweige denn deren Konsequenzen. Die Stagnation der Realeinkommen und die vielfältigen Herausforderungen für die wirtschaftliche und nationale Identität sind komplexe Probleme, die schwer zu lösen sind. Auffallend war, dass der chinesische Präsident Xi die Globalisierung am vehementesten verteidigte. Er argumentierte, dass sie Millionen Menschen von Armut befreit“, so van Steenis.
Was bedeute ein politischer Regimewandel für Zentralbanken und die Entwicklung von Vermögenspreisen? Während sich die meisten darüber einig gewesen seien, dass der Reflationshandel insbesondere in den USA der wichtigste Wendepunkt für Vermögenspreise sein werde – und vermutlich das Ende des 30-jährigen Bullenmarktes für Anleihen – habe es kaum Konsens darüber gegeben, wie reibungslos der Übergang verlaufen werde. Angesichts dessen, dass wir 2016 an die praktischen Grenzen der Geldpolitik gestoßen seien – man denke nur an die gefährlichen Experimente mit Negativzinsen – verwundere es kaum, dass die Anleger einen Wandel in der Steuer-, Regulierungs- und Handelspolitik herbeisehnten. Die Auswirkungen auf Vermögenspreise, Marktliquidität, Volkswirtschaften von Schwellenländern und Kapitalflüsse in Schwellenländer zählten dabei zurzeit zu den wichtigsten Themen von Zentralbanken, Bankern und Anlegern. Während sich die Märkte an moderat handelnde Zentralbanken und „länger niedrigere Zinsen“ gewöhnt hätten, sei der Ausstieg aus dem außergewöhnlichen Finanzexperiment alles andere als klar. Ein Ausstieg werde voraussichtlich viel stärkere Neubewertungen und Rotationen nach sich ziehen als bisher, heißt es weiter.
„Die Notwendigkeit, Langzeitanlagen durch den Nebel der erhöhten Unsicherheit hindurch abzusichern, ist zu einem wichtigen Thema geworden. Neuen Studien zufolge hätten Langzeitanlagen in den USA fünf Millionen Jobs und eine Billionen US-Dollar Mehrwert schaffen können. Doch die Unsicherheit bewirkt, dass geschäftliche Entscheidungen kurzfristiger ausgerichtet werden. So schütteten S&P-500-Unternehmen in fünf der sechs letzten Quartale Dividenden aus und führten Aktienrückkäufe durch, anstatt die Investitionen signifikant zu erhöhen. Zur Bekämpfung kurzer Anlagehorizonte können sowohl praktische als auch politische Schritte ergriffen werden“, so van Steenis.
Um fehlerhafte Entscheidungen – ob aus Investitions- oder makroökonomischer Sicht – zu vermeiden, plädierten immer mehr Stimmen dazu, eine breite Palette an neuen Datenerkenntnissen heranzuziehen. Der Konsens laute: Aus Daten gewonnene Erkenntnisse zur Lösung von Anlageproblemen zu verwenden, sei entscheidend für die Erhaltung eines Anlagevorsprungs. „Kein Mensch kann eine Maschine schlagen, aber keine Maschine kann einen Menschen mit einer Maschine schlagen“, so van Steenis.
Ein Beispiel für fehlerhafte Entscheidungen aus jüngster Vergangenheit sei das Verhalten der Zentralbanken. Dass sie mehrfach falsch gehandelt hätten, darüber sei sich die Mehrheit der Teilnehmer in Davos einig gewesen. Einer der Fehler sei gewesen, dass sie von einer reibungslosen Wirtschaft ohne nach beiden Seiten ausschlagenden Kreditexzessen ausgegangen seien und zudem Banken und finanzielle Multiplikatoren ignoriert hätten. „Ihre Modelle waren Schönwettermodelle. Als die Krise begann, boten sie keinen nützlichen Rahmen, auf den man sich hätte stützen können, sodass auf die Finanzgeschichte zurückgegriffen werden musste. Obwohl einige Fortschritte erzielt wurden, denke ich, dass einer der größten politischen Fehler des Jahres 2016 die Negativzinsen waren – ein Signal, dass noch viel zu tun ist“, so van Steenis.
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