Kommentar
09:09 Uhr, 24.03.2016

Plus 40% vom Tief: Der Star unter den Emerging Markets

Der Aktienmarkt in diesem Land konnte seit den Tiefs fast 40% zulegen. Derzeit laufen alle Emerging Markets gut, doch im Vergleich ist dieser Index fast ungeschlagen.

Der MSCI Emerging Markets Index konnte nur knapp 20 % zulegen, also die Hälfte dessen, was der brasilianische Leitindex Bovespa schaffte.

Die Währung, der brasilianische Real, konnte sich ebenfalls überdurchschnittlich stark erholen. Er gewann gegenüber dem Dollar 15 %. Das alles kommt zu einer Zeit, da in Brasilien politisches Chaos herrscht. Seit der Aufdeckung des Korruptionsskandals um den Ölkonzern Petrobras kommt das Land politisch nicht zur Ruhe.

Viele führende Persönlichkeiten der Wirtschaft wurden inzwischen verhaftet. Auch Politiker geraten zunehmend unter Druck. Einigen wurde die Verstrickung in den Skandal nachgewiesen. Nun geht der Skandal sehr viel weiter als nur bis zum Management einzelner Unternehmen oder einfacher Politiker. Der Skandal erreicht die Präsidentin Dilma Rousseff.

Rousseff bestreitet freilich jeden Vorwurf. Bisher konnte ihr tatsächlich keine Verstrickung in den Skandal nachgewiesen werden, doch unschuldig wird sie kaum sein. Sie soll von den Vorgängen gewusst, aber nichts getan haben. Sie hat vielleicht nicht direkt partizipiert, dafür aber aktiv weggeschaut.

Inzwischen wachsen die Zweifel auch daran. In der vergangenen Woche ernannte Rousseff ihren Vorgänger Lula da Silva zum Kabinettschef. Das trieb hunderttausende auf die Straße, denn schnell wurde klar, dass die Ernennung nur einem Zweck diente: die Immunität des früheren Präsidenten zu sichern.

Lula da Silva wurde 2002 zum Präsidenten gewählt. Er führte das Land aus der Krise der 90er Jahre, die bis 2002 anhielt. Unter seiner Präsidentschaft konnte Brasilien – nur unterbrochen von der Finanzkrise – hohe Wachstumszahlen vorweisen. Grafik 1 zeigt das Wirtschaftswachstum Brasiliens seit 1998. Unter Lula da Silva erlebte Basilien einen großen Boom und stieg zur siebtgrößten Wirtschaft der Welt auf.

Lulas zweite Amtszeit endete Anfang 2011. Ihm folgte seine frühere Kabinettschefin Dilma Rousseff nach. Sie wurde gewählt, weil man auf eine Fortsetzung des Erfolgs der Vorjahre hoffte. Nun stellt sich jedoch immer mehr heraus, dass es nicht Lulas großes Geschick war, welches das Land nach vorne brachte. Lula hatte einfach Glück. Seine Amtszeit fiel mit einem Rohstoffboom zusammen, von dem Brasilien überproportional profitierte.

Mit den sinkenden Rohstoffpreisen seit 2011 kühlt das Wachstum ab. Inzwischen schrumpft die Wirtschaft mit einer Jahresrate von knapp 4 %. Das allein reicht schon, um den Unmut der Bevölkerung zu wecken. Da nun aber immer mehr Details des Korruptionsskandals ans Tageslicht kommen geht das Vertrauen in die regierenden Politiker vollkommen verloren.

Gegen Dilma Rousseff läuft schon seit Ende letzten Jahres ein Amtsenthebungsverfahren. Jetzt wird die Lage so ernst, dass bis Mitte April entschieden werden soll, ob sie im Amt bleiben kann oder nicht. Bedenkt man, dass wohl auch sie zur korrupten Elite gehört, fällt es schwer nicht an eine Amtsenthebung zu glauben.

Den Todesstoß hat sie sich vermutlich selbst zugefügt, indem sie Lula da Silva zum Kabinettschef ernannte. Die Ernennung wurde von den Gerichten inzwischen für unwirksam erklärt. Dazu beigetragen hat ein abgehörtes Telefongespräch zwischen Roussef und da Silva. Indirekt gibt Rousseff darin zu, da Silva nur ernannt zu haben, um ihm Immunität zu verschaffen.
Er wäre durch eine gültige Ernennung nicht unantastbar gewesen, doch Verfahren können nicht bei jedem beliebigen Gericht eingeleitet und weiterverfolgt werden. Dazu braucht es das oberste Gericht, welches sehr langsam ist und Politiker dadurch auf Jahre hinaus nichts befürchten müssen.

Inzwischen steht fest, dass die Regierung weg muss. Das sieht zumindest ein Teil der Bevölkerung so. Angeblich sprechen sich inzwischen 68 % der Bevölkerung für eine Amtsenthebung der Präsidentin aus. Das ist eine klare Aussage.

Investoren halten die regierenden Politiker anscheinend für so korrupt und wirtschaftsschädlich, dass sie Brasilien kaufen, auch wenn die Amtsenthebung noch nicht durch ist. Die Aussicht ist anscheinend zu verlockend. Das zeigt die Performance der Währung und auch die Performance der Aktien. Grafik 2 zeigt den Leitzindex und die Währung.

Die Hoffnung auf einen Neuanfang und wirtschaftlichen Aufschwung sind übertrieben. Die derzeitige Opposition scheint kaum fähiger zu sein als die aktuelle Regierung. Auch in der Opposition gibt es viele korrupte Politiker. Käme sie an die Macht, dann würden sie sich bedienen. Unterm Strich dürfte die Korruption jedoch kaum verschwinden.

Die Aufbruchsstimmung ist vermutlich verfrüht. Brasilien schwimmt derzeit jedoch auf der Welle der Hoffnung und einem generellen Turnaround von Emerging Markets Aktien und Währungen. Grafik 3 zeigt dazu den MSCI Emerging Markets Index, den S&P 500 und den Dollar Index. Schnell wird klar, wie die Sache funktioniert. Ist der Dollar stark, dann sind Emerging Markets schwach. Aktuell verliert der Dollar, was Entwicklungsländern Auftrieb verleiht.

Dafür ist nicht nur der Dollar verantwortlich, sondern auch der Rebound der Rohstoffpreise. Viele Emerging Markets sind vom Rohstoffexport abhängig. Preissteigerungen würden mehr Geld in die Kassen spülen und Kapital anlocken.

Die Tiefs bei Rohstoffpreisen haben wir vermutlich gesehen, doch nach der fulminanten Rallye der letzten zwei Monate in Entwicklungsländern sind die Märkte schon wieder hoch bewertet. Sie implizieren sehr viel höhere Rohstoffpreise als das, was der Markt derzeit tatsächlich hergibt. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass Rohstoffpreise nun ununterbrochen steigen werden. Ein Rücksetzer ist wahrscheinlich. Das gilt dann nicht nur für die Rohstoffpreise selbst, sondern auch für Emerging Markets Aktien und Währungen.

Ein Rücksetzer kann für Anleger eine Einstiegsgelegenheit sein. Die Lage beginnt sich langsam weltweit zu stabilisieren. Einen Aufschwung wie von 2002 bis 2008 darf man dennoch nicht erwarten. Eine Einbahnstraße ist der neue Trend keineswegs. Rücksetzer können signifikant sein und durchaus 20 % betragen. Der Rallye sollte man nicht hinterherlaufen, sondern Korrekturen abwarten.

Bild Brasilien Wachstum.pngBild Bovespa.pngBild MSCI EM.png

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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