Orangensaft geht durch die Decke - was ist denn da los?
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Zugegeben, Orangensaft steht nicht auf der Beobachtungsliste von - ich schätze einmal - 98% der Leser. Trotzdem ist der Rohstoff immer wieder interessant, wenn es in Florida, dem Hauptzitrusgebiet der USA neben Kalifornien, zu Problemen mit Hurrikans, Schädlingen oder Baumkrankheiten kommt. In diesem Jahr scheinen zwei Dinge zusammenzukommen, und die Preise bewegen sich kräftig nach oben, wie Sie selbst sehen können:
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Lesen Sie in folgender Analyse, warum die Preise steigen. Diese Analyse hat mein Kollege Martin Pachtner für den letzten Rohstoff-Report erstellt. Tragen Sie sich auf den Verteiler des Rohstoff-Reports mit Ihrer E-Mail-Adresse ein (www.rohstoff-report.de), wenn Sie weitere Analysen zu Rohstoffen von uns haben möchten:
Der Handel mit Kontrakten auf Orangensaft (Frozen Concentrated Orange Juice) gilt tendenziell als exotische Spielart des Rohstoffhandels. Dabei ist er tatsächlich weniger abwegig, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Der Markt zeichnet sich durch eine relativ stabile Nachfrage und konzentriertes Angebot aus. Dadurch können sich Händler bei hoher Transparenz auf die Entwicklung der Fundamentaldaten konzentrieren. Dennoch machen die meisten Großinvestoren einen Bogen um den Nischenmarkt, das Volumen der gehandelten Futures ist seit 2006 Jahr für Jahr rückläufig.
Gegenwärtig zeigen sich aber wieder Anzeichen für ein Wiedererwachen des Interesses der Investoren nun wieder. Der traditionell den Höhepunkt der US-Ernte abbildende Juni-Kontrakt (ICE) hat das höchste Volumen seit beinahe zwei Jahren erreicht. Einer der Gründe dafür ist die Ausbreitung eines Baumschädlings in Florida, der die zukünftigen Erträge gefährdet. Durch eine als „greening“ bezeichneten Krankheit sterben befallene Bäume innerhalb von zwei Jahren ab. Innerhalb von drei bis fünf Jahren könnte das aus der Region stammende Angebot deshalb um 12 Prozent auf 140 Millionen Boxen von je 90 Pfund sinken, warnte unlängst der Vizepräsident der größten amerikanischen Produzentenvereinigung „Florida Citrus Mutual Group“. Schon die aktuelle Ernte werde einen Rückgang von 170,2 Millionen Boxen auf 159,6 Millionen Boxen bringen.
Selbst wenn die Ausbreitung des Schädlings wieder Erwarten gestoppt werden könnte, sind die Zahlen zumindest aus amerikanischer Sicht alarmierend. Noch vor 10 Jahren wurden 100 Millionen Boxen mehr pro Jahr produziert. Die Ernteerträge drohen auf den tiefsten Stand seit annähernd zwanzig Jahren zurückzufallen. Mittlerweile stammt der größte Teil des Angebots mit mehr als 360 Millionen Boxen aus Brasilien. Der relative Marktanteil des amerikanischen Angebots nähert sich historischen Tiefstständen. Damit sinkt zwar auch seine Bedeutung für den Gesamtmarkt weiter, aber auf die kurze Frist können Ausschläge weiterhin für Dynamik sorgen. Da der Markt relativ eng ist, reagieren die Notierungen sensibel auf spekulative Mittelzuflüsse.
Der nächste Impuls könnte bereits im September anstehen, wenn die Daten der Baumzählung in Florida veröffentlicht werden. Händler erhoffen sich davon Informationen über die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Schädlings und die deshalb zwangsgerodeten Flächen. Schätzungen für die Ernte des kommenden Jahres werden dann um die Ergebnisse des Baumzensus angepasst. Dabei halten einige Marktbeobachter Überraschungen für möglich: Sie verweisen auf den Bezirk Martin County im Südosten Floridas, dessen Baumbestand fast vollständig ausgelöscht wurde. Auch wenn von einer Auslöschung der amerikanischen Orangenplantagen nicht die Rede sein kann, ist im Fall schlechter als erwartetet ausfallender Daten bis zu einem gewissen Grad mit „event buying“ von Investoren zu rechnen.
Ein potentieller daraus resultierender Anstieg der Notierungen ändert jedoch nur wenig an den langfristig stabilen Marktbedingungen. Die Nachfrage der amerikanischen Konsumenten ist seit Jahren rückläufig. Der Markt bleibt weiter überversorgt, ein Angebotsdefizit ist nicht in Sicht. Sollte sich Brasilien mit einer Ende vergangenen Jahres eingereichten Klage gegen amerikanische Strafzölle bei der Welthandelsorganisation (WTO) durchsetzen, wäre mit weiter sinkenden Preisen zu rechnen. Die Vereinigten Staaten werfen dem südamerikanischen Agrarriesen vor, seine Orangen unter Herstellungskosten zu verkaufen. Branchenkenner sprechen von einer politisch motivierten Maßnahme, eine Aufhebung der Zölle sei deshalb nur eine Frage der Zeit.
Dennoch erlaubt es der Terminmarkt immer wieder, Vorteile aus kurzfristigen Marktbewegungen zu ziehen. Diese treten wegen des niedrigen Marktvolumens zuverlässig und verhältnismässig vorhersehbar durch Positionierungen spekulativer Marktteilnehmer auf. Meteorologische Ereignisse wie Fröste und Stürme, oder eben auch die Ausbreitung von Schädlingen stellen eine gute Grundlage für schnelle Engagements dar. Dabei erscheint es für Privatanleger empfehlenswert, in erster Linie zyklische Handelsansätze zu verfolgen. Antizyklische Ansätze sollten den wirklichen Experten überlassen bleiben, beispielsweise Produzenten die tatsächlich ihre Ernten absetzen wollen.
Tragen Sie sich auf den Verteiler des Rohstoff-Reports mit Ihrer E-Mail-Adresse ein (www.rohstoff-report.de), wenn Sie weitere Analysen zu Rohstoffen von uns haben möchten.
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