Kommentar
08:35 Uhr, 05.09.2008

Ölmarkt zeigt sich gelassen

1. Die heute veröffentlichten Lagerdaten aus den USA für die Woche bis zum 29. August dürften bereits erste Auswirkungen von Hurrikan Gustav beinhalten, denn bis Freitag vergangener Woche wurde ein Teil der Evakuierungsmaßnahmen an Ölförderanlagen und Raffinerien im Golf von Mexiko bereits vollzogen. Und tatsächlich überraschten die US-Rohölvorräte mit einem Rückgang um 1,9 Mio. Barrels negativ (Bloomberg- Median: 0,45 Mio. Barrels). Die Benzinvorräte schrumpfen hingegen um 1,0 Mio. Barrels weitgehend in der erwarteten Größenordnung (Bloomberg-Median: -1,3 Mio. Barrels). Die Heizöl- und Dieselbestände verringerten sich um 0,4 Mio. Barrels, während die Märkte mit einem saisonüblichen Anstieg gerechnet hatten (Bloomberg-Median: 1,0 Mio. Barrels). Überraschend positiv entwickelte sich dabei die Auslastung der US-Raffineriekapazitäten, die um 1,4 Prozentpunkte auf 88,7 % anstieg. Alles in allem dürften in der nächsten Datenveröffentlichung noch deutlich stärkere Hurrikaneffekte sichtbar werden.

2. In der vergangenen Woche verbilligte sich Rohöl weiter. Dies ist vor dem Hintergrund von den von Hurrikan Gustav ausgehenden Gefahren durchaus verwunderlich. Denn Gustavs Route im Golf von Mexiko in Richtung Festland umfasste genau das Herzstück der Ölförder- und Weiterverarbeitungsanlagen im Golf von Mexiko. Anscheinend reichte es aber für eine Erleichterung am Ölmarkt – also für fallende Ölpreise – aus, dass Gustav sich letztendlich auf einen Sturm der Kategorie 1 abschwächte, als er das Festland erreichte. Nach den ersten vorläufigen Nachrichten hat Hurrikan Gustav einen nur geringen Schaden an der Ölinfrastruktur verursacht. Offensichtlich wurden nach der Tragik von Hurrikan Katrina im Jahr 2005 bessere und widerstandsfähige Anlagen installiert. Dennoch kam es zu nennenswerten Produktionsausfällen in der Region, denn 96 % der Offshore-Ölproduktionsanlagen und 82 % der regionalen Gasförderanlagen wurden aufgrund von Evakuierungsmaßnahmen für mehrere Tage stillgelegt. Auch wurden einige Raffinerien in dieser Region abgeschaltet, was 10 % der gesamten US-Kapazitäten ausmachte. Die nächsten Hurrikans Hanna, Ike und Josephine sind auch schon unterwegs, wobei nach jetzigem Stand allenfalls Ike für die Ölförderanlagen gefährlich werden könnte. Die recht gelassene Reaktion des Ölpreises auf die Hurrikans deutet an, dass die Angst vor Produktionsausfällen derzeit nicht allzu stark zu sein scheint. Dies spricht dafür, dass die Märkte ausreichend mit Rohöl versorgt sind. Das sehen nicht nur wir so, sondern auch die OPEC-Länder.

3. Am kommenden Dienstag, dem 9. September, treffen sich die Mitglieder der OPEC in Wien zu ihrem nächsten außerordentlichen Meeting, bei dem über die offiziellen Förderquoten entschieden wird. Zwar zeigten sich einige OPEC-Länder mit den starken Ölpreisansteigen seit Jahresanfang unzufrieden. Die ersten Äußerungen in diese Richtung wurden schon bei dem Anstieg des Ölpreises über die 100-US-Dollar- Marke laut. Doch führte der schnelle Rückgang des Preises seit Mitte Juli dazu, dass jetzt im Vorfeld des Treffens – bei einem Ölpreisniveau von rund 108 US-Dollar – OPEC-Mitglieder wie der Iran oder Venezuela für Fördermengenkürzungen beim nächsten Meeting plädieren. Entscheidend wird sein, ob das bedeutendste Förderland Saudi-Arabien mitzieht. Immerhin produziert es derzeit deutlich über seiner Quote. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Beschluss einer OPEC-Quotenkürzung im Bereich von 0,5 bis 1,0 Mio. Barrels bereits im September. Doch könnte dieser Beschluss auch erst beim Dezembertreffen fallen, je nach Preisentwicklung bis dahin.

4. Die nicht-kommerziellen Rohölhändler an der NYMEX setzten in der Woche bis einschließlich 26. August mit einer deutlicher ausgeprägten Mehrheit auf steigende Preise als noch die Woche zuvor. Sie weiteten ihre Netto-Long-Positionen auf 20 Tausend Kontrakte aus. Dabei blieb die Anzahl der Long-Positionen weitgehend unverändert, doch wurde die Anzahl der Short-Positionen nennenswert reduziert. Offensichtlich geht nun eine sinkende Anzahl von nicht-kommerziellen Händlern davon aus, dass die Abwärtskorrektur am Rohölmarkt weitergeht. Wir erwarten für die kommenden Monate nur noch geringfügig fallende Preise. Den Tiefpunkt der Rohölpreisentwicklung sehen wir im Frühjahr 2009 mit monatlichen Durchschnittspreisen für WTI im Bereich von 100 US-Dollar pro Barrel. Kurzzeitige schärfere Abwärtsbewegungen sind jedoch jederzeit möglich.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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