Kommentar
08:18 Uhr, 25.02.2011

Ölmarkt außer Rand und Band

Von Christian Scheid

Öl der Nordseesorte Brent ist derzeit deutlich teurer als das US-Pendant WTI - eine seltene Anomalie. Mit speziellen Zertifikaten profitieren Sie, wenn sich der Abstand wieder verringert. Doch es gibt Risiken.

Cushing ist ein winziger Ort in Oklahoma. Doch auf der Suche nach den Gründen für die größte Anomalie auf dem Ölmarkt, die es jemals gab, führt an dem US-Städtchen kein Weg vorbei. Von wenigen Ausnahmen abgesehen lagen die Preise für Öl der Nordseesorte Brent und für das US-Pendant West Texas Intermediate (WTI) stets eng beieinander. Doch seit wenigen Wochen laufen die Preise für Brent und WTI auseinander: In der Spitze betrug der Spread fast 20 US-Dollar!

Experten machen die hohen Lagerbestände in Cushing als Hauptgrund für diese Anomalie aus: Einige Raffinerien werden derzeit gewartet und kommen mit der Verarbeitung des Rohöls nicht nach. Zudem strömt über eine neue Pipeline viel Öl aus Kanada nach Cushing, was die Lager zusätzlich füllt. Daher notiert WTI derzeit immer noch um knapp 14 US-Dollar unter dem Preis für Brent. Dieser Trend setzt sich auf dem Futures-Markt fort: Juni-Kontrakte liegen derzeit rund 11 US-Dollar auseinander, beim September-Kontrakt beträgt die Differenz noch ungefähr neun US-Dollar.

Haben die Analysten mit ihrem Erklärungsansatz recht, müssten sich die Preise eigentlich wieder annähern, sobald die Raffinerien ihre Arbeit wieder aufnehmen. Doch es gibt Risiken: "Es ist unwahrscheinlich, dass die lokalen Probleme in Cushing schnell beseitigt werden", meinen die Analysten von BNP Paribas. Neue Pipelines, die das zusätzliche Öl abtransportieren können, werden frühestens 2013 in Betrieb gehen. "Ein Aufschlag von Brent gegenüber WTI dürfte dieses Jahr eher die Norm als die Ausnahme sein", so die Experten. Dafür sprechen auch die Unruhen im Nahen Osten: Da der Suez-Kanal eine wichtige Route für Öltanker ist, wird für Brent derzeit eine "Krisen-Prämie" gezahlt, die nach Schätzungen fünf bis zehn US-Dollar beträgt.

Allerdings rechtfertigen diese Faktoren keinen Spread von fast 20 US-Dollar! Dieser riesige Unterschied ist wohl eher darauf zurückzuführen, dass einige Marktteilnehmer zuletzt auf dem falschen Fuß erwischt wurden und mit Gegengeschäften zu ihren WTI-Long- und Brent-Short-Positionen den Trend noch verstärkt haben. Dass sich dieser Prozess dem Ende nähert, zeigt die Verkleinerung des Spreads in den letzten Tagen. Das kürzlich neu aufgelegte Alpha Zertifikat (ISIN DE000SG12RH8) von der Société Générale konnte seit der Emission am 15. Februar zwischenzeitlich schon stark zulegen. Das Papier beinhaltet ein Long-Investment in den S&P GSCI WTI Crude Oil Excess Return Index (welcher den rollierenden Frontmonatsfuture repliziert) und ein Short-Investment in den S&P GSCI Brent Crude Excess Return Index. Rollverluste können jedoch die Rendite schmälern bzw. zu einem Minus führen, wenn das Zusammenlaufen von WTI und Brent nicht ausreicht, um die Rollverluste auszugleichen.

Rollverluste ausgeschlossen sind hingegen bei neuen Zertifikaten von Goldman Sachs. Denn die Papiere beziehen sich immer nur auf einen speziellen Future (Juni, September, Dezember), wodurch das Rollen entfällt. Auf den Juni-Kontrakt ist neben einem Partizipations-Zertifikat (ISIN DE000GS4WT19) und einem Optionsschein mit einem Hebel von drei (ISIN DE000GS4SPR7) auch ein Exemplar (ISIN DE000GS4HWT2) erhältlich, das den Spread mit dem Faktor fünf abbildet. Aktuell notiert der Schein bei 54,14 Euro. Beträgt die Differenz der Futures am Laufzeitende im Mai beispielsweise nur noch 5,00 US-Dollar, wird das Papier - bei konstantem Wechselkurs - zu 77,30 Euro getilgt. Sollten beide Ölsorten wieder gleich viel kosten, gibt es 95,60 Euro zurück. Freilich gilt der Mechanismus auch umgekehrt. Daher kann es ziemlich teuer werden, wenn die Anomalie im Ölmarkt länger anhält als gedacht.

Fazit: Wenn Sie davon ausgehen, dass sich die Preise der Rohölkontrakte WTI und Brent bis Mai angleichen, könnte Sie mit dem exotischen Optionsschein überproportional von dieser Entwicklung profitieren. Das Papier bildet die Entwicklung des WTI-Brent-Spreads der Juni-2011-Kontrakte mit einer Partizipationsrate von 500 Prozent ab. Sie profitieren also mit einem Hebel von fünf, wenn sich die Futures für Öl der Sorte Brent und der Sorte WTI annähern. Umgekehrt müssen Sie Verluste in Kauf nehmen, wenn sich die Spanne zwischen den beiden Öl-Futures ausweitet. Daher sollten Sie bei dieser Spekulation nur mit geringem Kapitaleinsatz vorgehen und nach dem Kauf einen Stoppkurs setzen.

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