Öl, Kohle und Erneuerbare gewinnen hinzu
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Die Energiewirtschaft in Deutschland hat Russlands Krieg gegen die Ukraine besonders stark zu spüren bekommen. Ein Jahr nach Kriegsbeginn zeigt sich dies in den Energieimporten sowie den Kosten hierfür, dem absoluten Energieverbrauch und beim Energiemix. Die Netto-Energieeinfuhren Deutschlands machen seit vielen Jahren etwa 70 % des gesamten deutschen Primärenergieverbrauchs aus. Dabei war Russland vor dem Krieg der mit großem Abstand wichtigste Energielieferant. Bei Erdgas und Steinkohle entfielen mehr als 50 % der deutschen Importe auf Russland. Bei Erdöl waren es etwa ein Drittel. Diese Anteile tendierten im Verlauf von 2022 wegen der gegenseitigen Sanktionen gegen null. Die Energielieferungen aus Russland wurden durch höhere Importe aus anderen Ländern ausgeglichen (im Falle von Erdgas etwa aus den Niederlanden oder Norwegen sowie mehr indirekte LNG-Importe über das europäische Gasnetz). Zudem sind die mengenmäßigen Energieeinfuhren gesunken (z.B. 30 % geringere Erdgasimporte, aber nur knapp 1 % weniger Rohölimporte), weil Deutschland weniger Energie verbraucht hat.
Trotz der geringeren absoluten Energieimporte musste Deutschland wegen der gestiegenen Preise deutlich mehr für seine Einfuhren zahlen. Die Rechnung für Erdöl und Erdgas in der Außenhandelsstatistik stieg um 79 % auf EUR 131 Mrd. Bei Kokerei- und Mineralölerzeugnissen (z.B. Benzin und Diesel) musste Deutschland im Jahr 2022 etwa EUR 36 Mrd. für seine Importe berappen – ein Plus von etwa 66 %. Für Kohleimporte gab Deutschland im letzten Jahr gut EUR 12 Mrd. aus. Hier lag der Zuwachs gg. 2021 bei 174 %. In Summe stieg der Anteil dieser drei Produktgruppen an den gesamten deutschen Güterimporten von gut 8 % im Jahr 2021 auf 12 % im letzten Jahr.
Der gesamte Primärenergieverbrauch in Deutschland sank 2022 um knapp 5 %. Wegen der besonderen Knappheit aufgrund des russischen Lieferstopps im Sommer 2022 war bei Erdgas ein Rückgang von knapp 15 % zu verzeichnen. Sowohl die Industrie als auch private Haushalte schränkten 2022 ihren Gasverbrauch deutlich ein (laut Bundesnetzagentur um knapp 17 % bzw. 19 %). In der Industrie ist ein Teil des verringerten Gasverbrauchs permanenter Natur, weil einige Produktionsanlagen wegen strukturell höherer Gaspreise geschlossen bleiben werden. So sank in der Chemieindustrie die inländische Fertigung 2022 um knapp 12 %. Bei den privaten Haushalten wirkten sich die höheren Preise sowie die im Durchschnitt milden Temperaturen dämpfend auf den Gasverbrauch aus. Die Stromerzeugung auf Basis von Erdgas wurde um gut 12 % gesenkt. Hinsichtlich des Primärenergieverbrauchs verbuchte 2022 neben Erdgas auch die Kernenergie einen Rückgang, und zwar um 50 %. Das ist darin begründet, dass Ende 2021 drei der sechs verbliebenen Kernkraftwerke vom Netz genommen wurden. Bei allen anderen Energieträgern stieg im letzten Jahr der Primärenergieverbrauch: Mineralöl +3 %, Stein- und Braunkohle jeweils +5 % und erneuerbare Energie +4,4 %. Gerade im Stromsektor wurde der verminderte Einsatz von Erdgas und die Halbierung der Kapazitäten bei der Kernkraft durch eine höhere Stromproduktion durch Steinkohle und Erneuerbare kompensiert. Die gesamte Brutto-Stromerzeugung sank im letzten Jahr um knapp 2 %.
Die Entwicklungen spiegeln sich im Energiemix wider. Mineralöl, der wichtigste Energieträger, hat seinen Anteil am Primärenergieverbrauch von 32,5 % auf 35,2 % ausgebaut. Auf Platz 2 folgt Erdgas, dessen Anteil von 26,6 % auf 23,8 % geschrumpft ist. Alle Erneuerbaren zusammen (inklusive den wichtigen Bioenergien) kamen 2022 auf einen Anteil von 17,2 % (nach 15,7 % im Jahr 2021). Braun- und Steinkohle legten jeweils um etwa 1 %-Punkt auf 10 % Anteil zu. Die Kernenergie verliert von 6 % auf gut 3 %. In Summe fallen die Verschiebungen im Energiemix erstaunlich gering aus, wenn man bedenkt, dass die aktuelle Energiekrise zu den größten seit dem 2. Weltkrieg zählt.
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