Kommentar
09:07 Uhr, 15.01.2015

Öl-Aktien: Tag der Wahrheit

Der Ölpreis kollabiert und mit ihm die Aktien von Ölunternehmen. Keiner weiß, ob das Ausmaß gerechtfertigt ist. Ab Donnerstag beginnt die Quartalsberichterstattung. Dann zeigt sich, ob die Aktien noch tiefer fallen müssen oder ob eine Rallye beginnt.

Die großen Ölfirmen präsentieren ihre Zahlen erst Ende Januar. Die meisten Dienstleister sind etwas früher dran. Schlumberger macht am Donnerstag den Anfang unter den großen Dienstleistern und Technologieunternehmen der Branche. Bis dato hat die Aktie von Schlumberger ein Drittel verloren. Ob das gerechtfertigt ist zeigt sich am Donnerstag vor Börsenbeginn in den USA. Die Aktie ist im Moment noch ziemlich unentschlossen. Anleger wissen anscheinend wirklich nicht, was sie erwarten können. Eine Prognose kann man natürlich schon einmal wagen.

Schlumberger ist der weltgrößte Dienstleister der Branche und hat eine Marktkapitalisierung von über 100 Mrd. USD. Schlumberger bietet fast alles, von Geoservices (Auffindung neuer Vorkommen), Erschließung, Installation von Maschinen zur Erschließung von Ölquellen, IT, Software usw. Das Unternehmen ist damit nicht direkt vom Ölpreis abhängig, sondern nur indirekt. Indirekt deshalb, weil Unternehmen weniger investieren, wenn der Ölpreis sinkt und damit dann Schlumbergers Umsätze fallen.

Persönlich finde ich die Zeit von 2008 bis 2009 immer wieder einen lohnenden Vergleich. Heute sinkt der Ölpreis genauso schnell wie damals. Die meisten Anleger sind heute genauso überrascht wie vor 6 Jahren. Die Parallelen sind schon sehr groß. Der größte Unterschied zu damals ist wahrscheinlich der Ausblick. Man kann überhaupt noch nicht abschätzen, ob sich der Ölpreis wie 2009 wieder sehr schnell erholt oder ob er für die nächsten 3 oder 5 Jahre auf niedrigem Niveau bleibt. Das ist derzeit wohl der größte Risikofaktor, den man bei einem Investment im Blick haben muss.

Beim letzten Ölpreisschock ging der Umsatz von Schlumberger um 16% zurück, erholte sich dann im Folgejahr aber wieder. Der Kurssprung 2010 ist auf einen Zukauf zurückzuführen, aber auch ohne diesen hätte sich der Umsatz wieder deutlich verbessert. Schlumberger hat damals gut reagiert und noch auf einigermaßen niedrigem Niveau den größten Zukauf der Firmengeschichte getätigt. Das Unternehmen gab über 11 Mrd. USD dafür aus. Auch dieses Mal besteht für Schlumberger die Möglichkeit Zukäufe zu tätigen, solange die Kurse niedrig sind. Schlumberger hat einen Cashbestand von ca. 7 Mrd. USD.

Geht man davon aus, dass Schlumberger keinen Zukauf tätigt, dann dürfte in der aktuellen Phase der Umsatz zwei Jahre hintereinander sinken. Danach ist mit einer Stabilisierung oder leichten Aufwärtsbewegung zu rechnen. Wie sich die Nettovermögenswerte entwickeln ist absehbar. Durch Abschreibungen wird sich der Wert vermindern. Gleichzeitig dürften die Investitionen bestenfalls stagnieren. Einige Unternehmen haben bereits angekündigt ihre Investitionstätigkeit um 30% zu kürzen. Schlumberger ist eine konkrete Zahl noch schuldig.

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Was Anleger vielleicht noch mehr interessiert als die Entwicklung der Vermögenswerte ist der Gewinn. Das wird wirklich spannend, denn das vierte Quartal ist das erste, bei dem der niedrigere Ölpreis voll zum Tragen kommt. Es gibt allerdings nur einen Vorgeschmack auf das, was wohl in Q1 2015 folgt. Der Durchschnittspreis für Öl lag in Q4 noch immer über 70 USD. Das Gesamtjahr 2014 dürfte daher gar nicht so schlecht ausfallen. Die ganze Tragweite des niedrigen Ölpreises wird man erst im nächsten Quartal sehen.
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Insgesamt gehe ich persönlich von einer knappen Halbierung des Gewinns in 2015 aus, sofern der durchschnittliche Ölpreis nicht über 55 bis 60 USD sein wird. Für Schlumberger würde das noch immer einen Gewinn von 3,8 Mrd. bedeuten. Schlumberger wäre dann mit einem KGV von ca. 27 bewertet (bei aktuellem Kurs). Das ist nicht gerade billig, aber auch nicht übermäßig teuer. Der Gesamtmarkt steht bei ca. 20. Findet Schlumberger dann ab 2016 so langsam zurück zum aktuellen Gewinnniveau, dann ist die Aktie fast schon ein Schnäppchen.

Vor den Zahlen zuzugreifen ist eine Spekulation, die sich auszahlen kann. Kurzfristig kann der Kurs sehr positiv reagieren. Das Risiko ist allerdings hoch. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist kaum größer als ein Münzwurf. Zudem ist Schlumberger auf dem aktuellen Kursniveau weder spottbillig noch offensichtlich überbewertet. Die Aktie befindet sich mittendrin. Das ist weder Fisch noch Fleisch. Wahrscheinlich ist man als Anleger glücklicher, wenn man sich hier vor den Zahlen nicht zu weit aus dem Fenster lehnt.

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    ​KGV 27 nicht übermäßig teuer?? Auf welchem Planeten??

    09:33 Uhr, 15.01.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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