Kommentar
08:48 Uhr, 04.04.2019

Niedrige Zinsen: Fluch und Segen

Für die einen sind niedrige Zinsen alles andere als ein Fluch. Der negative Effekt kommt aber auch nicht sofort zum Tragen.

Zinsen sind das wichtigste Instrument der Geldpolitik. Eigentlich muss man sagen: sie waren das wichtigste Instrument. In der Eurozone sind die Zinsen seit Jahren bei 0 % und so schnell wird sich das nicht ändern. In Japan ist auch nicht absehbar, dass die Zinsen in naher Zukunft, wenn überhaupt jemals wieder, steigen werden. Immerhin gibt es noch einige Länder, in denen Zinsen von den Notenbanken verwendet werden. Dazu gehören die USA und Kanada. Vor allem Kanada ist ein interessantes Beispiel, wenn es darum geht, den negativen Effekt niedriger Zinsen zu evaluieren.

Kanada war wie viele andere Länder vor einiger Zeit einmal ein Hochzinsland. Anfang der 90er Jahre lag der Leitzins bei mehr als 10 % (siehe Grafik). Die Zinsen sanken sukzessive Richtung 3 % bis Anfang des neuen Jahrhundert.

Der Schuldendienst entwickelte sich parallel zum Zinssatz. Früher oder später setzten sich höhere Leitzinsen auch bei Krediten und Hypotheken durch. Es dauert daher manchmal etwas, bis der Schuldendienst steigt. Dieser beinhaltet auch nicht nur Zinsen, sondern auch das Abzahlen der Schulden.

Relativ zum verfügbaren Einkommen sank der Schuldendienst auf gut 10 % im Jahr 1993. Dass er trotz hoher Zinsen nicht höher war, lag einfach an den geringen Kreditvolumina. Sind die Zinsen hoch, überlegt man sich genau, ob man einen Kredit aufnimmt. Es hemmt die Kreditvergabe bzw. die Kreditnachfrage.

Mit den niedrigen Zinsen 2005 änderte sich das. Das Zinsniveau war auf einmal so attraktiv, dass Kredit in Massen aufgenommen wurde. Der Schuldendienst stieg von 11,5 % auf 15 %. Während der Finanzkrise sank der Prozentsatz wieder, da die Zinsen sanken. Seit 2015 steigt er nun aber wieder.

Die niedrigen Zinsen haben erneut zu einer sehr hohen Kreditnachfrage geführt. Jetzt, da die Zinsen wieder steigen, steigt auch der Schulddienst massiv an. Obwohl der Zins im historischen Kontext immer noch sehr niedrig ist, zahlen Kanadier so viel für ihre Schulden wie noch nie.

Niedrige Zinsen führen zu hoher Kreditnachfrage. Diese Kreditberge entstehen, weil es ja günstig ist, sich zu verschulden. Die massiven Schuldenberge und immer höhere Verschuldungsquoten führen dann bei moderat steigenden Zinsen schon zu einem überproportionalem Anstieg der Ausgaben für die Schulden.


Bereits moderat höhere Zinsen belasten die Volkswirtschaft überproportional. Würde die Notenbank die Zinsen auf 3 % anheben, käme es sofort zu einer Rezession, weil der immer höhere Schuldendienst das verfügbare Einkommen für den Konsum auffrisst.

Niedrige Zinsen bedingen daher niedrige Zinsen. Höhere kann sich keiner mehr leisten. Notenbanken haben es verpasst, die Zinsen wieder rechtzeitig anzuheben. Sie waren zu lange niedrig, um einen Schuldenexzess zu verhindern. Das ist in Kanada nicht anders als in der Eurozone. Will die Notenbank die Wirtschaft nicht abwürgen, kann die Zinswende nur sehr homöopathisch erfolgen.

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten