Kommentar
08:30 Uhr, 14.12.2019

Neues QE: EZB verschlimmert Ungleichgewichte in der Eurozone

Der EZB haben wir es zu verdanken, dass es den Euro überhaupt noch gibt. Draghis „whatever it takes“ hat es ermöglicht – und gleichzeitig die Ungleichgewichte verschlimmert.

Das Verhältnis zu den Notenbanken ist gespalten. Einerseits haben sie während der Finanz- und Eurokrise dafür gesorgt, dass es nicht zu einer weltweiten Depression gekommen ist. Andererseits sind sie inzwischen so stark involviert, dass man sich fragt, ob freie Marktkräfte abgeschafft wurden. Der Markt soll eigentlich vieles regeln. Wirtschaftet ein Unternehmen schlecht, sollte es für Kredit auch höhere Zinsen zahlen. Das Risiko ist ja auch höher. Was bei Unternehmen gilt, sollte auch für Privathaushalte und Staaten gelten. Werden höhere Zinsen gezahlt und kann sich das Unternehmen oder Staat nicht sanieren, kommt es zum Bankrott. Im Einzelfall, bei Haushalten und Unternehmen, ist das kein Problem. Wenn allerdings ein Großteil der Wirtschaft und der Staat mit dem Rücken zur Wand steht, hätte die Pleite katastrophale Folgen. Die ganze Wirtschaft würde kollabieren. Die Armutsquote würde schnell auf 50 % und mehr steigen...

Ein solches Szenario kann von niemandem ernsthaft gewünscht sein. Der freie Markt kann aber solche Resultate hervorbringen. 2012 wäre es fast soweit gewesen. Italien und Spanien standen kurz vor dem Bankrott. Sie bankrott gehen zu lassen wäre vielleicht kein Marktversagen, aber sicherlich kein gutes Resultat gewesen. Um das zu verhindern, griff die Notenbank ein.

Seither greifen die EZB und andere Notenbanken bei jeder Unsicherheit ein. Die Angst, dass die Katastrophe doch noch eintreten könnte, ist einfach zu groß. Kritiker bemängeln, dass die Notenbanken damit zu stark eingreifen, die Wirtschaft lenken und verzerren.

Ob das irgendwann einmal schiefgeht, wissen wir noch nicht. In der Eurozone führen die Rettungsversuche jedenfalls zu immer größeren Ungleichgewichten. Einen großen Anteil daran hat das QE-Programm (Quantitative Easing). Die Notenbank kauft Wertpapiere der Mitgliedsstaaten auf. Seit November wird wieder gekauft (Grafik 1).


Die nationalen Notenbanken kaufen Investoren Wertpapiere ab. Dieses Geld bleibt nur leider nicht in den jeweiligen Ländern, sondern fließt ins Ausland, meist in andere Euroländer wie Deutschland. Dort, so die Hoffnung, ist das Geld sicher.

Durch den einseitigen Geldfluss häufen nationale Notenbanken gegenüber der EZB hohe Forderungen und Verbindlichkeiten an. Das sind die Target2-Salden (Grafik 2). Diese konnten sich in den letzten Monaten stabilisieren, weil die EZB nicht noch mehr Geld ins System pumpte. Nun fängt sie wieder damit an. Dass die Target2-Salden dann wieder ansteigen, ist nur eine Frage der Zeit.


Die Forderungen einiger Länder werden immer höher. Solange der Euro nicht zerbricht, ist das kein Problem. Würde nun aber z.B. Italien aus dem Euro austreten, kann man sicher gut vorstellen, dass die Forderungen wertlos sind. Deutschland, Luxemburg usw. würden auf den Forderungen sitzenbleiben.

Genauer gesagt würde die Bundesbank einen Verlust ausweisen müssen, der viele hundert Milliarden beträgt. Zentralbanken können aber nicht bankrott gehen. Ob der Finanzmarkt einen solchen Verlust einfach ignoriert oder plötzlich auch Deutschland als riskant empfindet, bleibt abzuwarten.

So oder so, durch das neuerliche QE Programm dürften die Target2-Salden wieder steigen. Das Ungleichgewicht wird dadurch wieder größer und die Kosten, sollte es am Ende doch schiefgehen, werden immer höher.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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