Kommentar
11:05 Uhr, 03.02.2016

Neue Zeitbombe im Euro

  • Niemand hat bisher bemerkt, dass sich das Obligo Deutschlands gegenüber den Partnern in Europa derzeit trotz der Beruhigung in der Eurokrise weiter kräftig erhöht.
  • Das ist eine Nebenwirkung des derzeitigen Wertpapierankaufprogramms. Ich bin ein Freund des Euros und halte viel von der EZB – aber das geht so nicht.
  • Wenn die EZB ihre Geldpolitik unbedingt verschärfen will, sollte sie eher die Zinsen senken statt noch mehr Staatsanleihen zu kaufen.

Diese Tage stieß ich auf eine Statistik, die mich sehr irritier­te. Sie passte so gar nicht in mein bisheriges Weltbild. Je­der weiß, dass in der Währungsunion nicht nur Griechen­land, sondern auch Italien, Frankreich, Spanien und andere noch eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen haben. Andererseits hat sich das Tagesgeschäft im Euro beruhigt. Es gibt nicht mehr so viele Spannungen. Wenn es zu Nachtsitzungen in Brüssel kommt, dann nicht zum Euro, sondern zur Flüchtlingskrise.

Die Statistik, an der man diese Situation am besten ablesen können müsste, sind die Salden im innereuropäischen Zah­lungsverkehr (Target-Salden). Sie sind gewissermaßen ein Fieberthermometer des Euros. Wenn alles ruhig ist, dann sind die Salden mehr oder weniger Null. So war das bis 2007 (siehe Grafik). Dann stehen den privaten Forderungen eines Mitgliedslandes entsprechende private Verbindlichkei­ten anderer Länder gegenüber. Die Notenbanken müssen nicht aktiv werden. Ab 2007 hat sich das Fieber im Zuge der Finanzkrise erhöht. Da musste die Bundesbank zunehmend Forderungen übernehmen. (Die Bundesbank gehört zu den wenigen Zentralbanken im Eurosystem, die diese Zahlen veröffentlichen.)

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Bis 2012 hatten sich bei der Bundesbank Forderungen aus diesen Salden in Höhe von EUR 750 Mrd. aufgebaut. Das war der Höhepunkt. Jeder wusste, dass das so nicht weiter­gehen konnte. Dann kam glücklicherweise die Wende. Der Target-Saldo ging zurück. Das Fieber ließ nach.

Aber jetzt passiert etwas, was gar nicht ins Bild passt. Trotz der äußerlichen Ruhe im Euro steigen die Salden wieder an. Seit eineinhalb Jahren haben sie sich um EUR 120 Mrd. erhöht. Zuerst konnte man das mit der Entwicklung in Grie­chenland und den Problemen der italienischen Banken be­gründen. Aber jetzt reicht diese Erklärung nicht mehr aus. Denn die Entwicklung geht ungebremst weiter. Seit März 2015 nehmen die Target-Salden pro Monat im Schnitt um EUR 7 Mrd. zu. Das ist so wie wenn Deutschland seinen Partnerländern jeden Monat einen Kredit dieser Höhe gäbe.

Wie ist die Entwicklung zu erklären? In der öffentlichen Dis­kussion wird darüber nicht geredet. Wenn man sich die Zah­len genauer anschaut, dann liegt aber ein Verdacht nahe.
In den letzten Monaten sind nicht nur die Target-Salden ge­stiegen, sondern die EZB hat auch ihr großes Wertpapier­ankaufsprogramm in Kraft gesetzt. Diese Koinzidenz kann kein Zufall sein.

Um dies zu erklären, muss ich leider etwas in technische Details einsteigen. Im Rahmen des Wertpapierankaufspro­gramms der EZB kaufen die nationalen Notenbanken Wert­papiere von Kreditinstituten und ähnlichen Institutionen. Die Erwartung ist, dass die Verkäufer mit dem Geld entweder zusätzliche Kredite gewähren oder andere Anlagen vorneh­men. Beides soll die Konjunktur anregen. Was aber, wenn beispielsweise eine italienische Bank das Geld, das sie durch den Verkauf von italienischen Staatsanleihen an die Banca d'Italia erhält, nicht mehr in Italien anlegen will, son­dern etwa in Deutschland? Oder wenn die Banca d'Italia italienische Staatsanleihen von einer Bank in London kauft und diese Bank ihr Geld nicht erneut in Italien anlegen will? Das ist ja nicht auszuschließen.

Dann führen die Wertpapierkäufe nicht nur zu – gewollten – Umschichtungen in der Bilanz der Banken, sondern auch zu – ungewollten – zwischenstaatlichen Kapitalbewegungen.

Dann können Target-Salden entstehen. Die Forderungen der Bundesbank gegen die EZB erhöhen sich. Genau das passiert derzeit.

Nun könnte man sagen: So ist das eben. Das ist ein Kollate­ralschaden, den man hinnehmen muss, wenn man die Eu­rokrise mit den Mitteln der Geldpolitik überwinden will. Ich glaube, dass man es sich damit zu einfach macht. Es han­delt sich nämlich um eine ganz gefährliche Entwicklung.

Erstens funktioniert das Wertpapierankaufsprogramm nicht so wie es soll. Es hilft nicht zur Überwindung der Eurokrise, indem die Banken mehr Kredite ausreichen. Es löst viel­mehr auch, jedenfalls teilweise, Kapitalflucht aus. Damit nehmen die Unsicherheiten in Europa zu. Die Krise geht nicht zurück, sondern verschärft sich.

Zweitens gibt es unerwünschte Verteilungswirkungen. Eini­ge Länder im Eurosystem bauen immer höhere Forderun­gen auf, andere haben immer höhere Defizite. Und das nicht nur vorübergehend, sondern mindestens noch bis Frühjahr nächsten Jahres. Die Target-Salden könnten dabei leicht wieder Werte erreichen wie zum Höhepunkt 2012. Im Falle eines Scheiterns des Euros muss Deutschland für die Target-Forderungen mit seinem Kapitalanteil haften. Diese Haftung erhöht sich Monat für Monat.

Man kann das wollen. Aber dann sollte man das dem Par­lament und dem Bürger auch offen sagen. Ich persönlich halte es nicht für gut. Wenn die EZB unbedingt mehr Gas geben will, sollte sie daher eher die Zinsen weiter senken als Staatsanleihen zu kaufen.

Für den Anleger

In den letzten Monaten habe ich aus guten Gründen immer wieder Anlagen in Europa empfohlen. Aber wenn es wirklich so sein sollte, dass im Eurosystem eine neue Zeitbombe tickt, sollte man dies ins Kalkül ziehen. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Der Euro wird durch die steigen­den Target-Salden nicht zerbrechen. Es handelt sich hier eher um ein politisches Problem. Es könnte aber sein, dass im Euro eine neue Baustelle entsteht, die dann auch – ne­gative – Auswirkungen auf die Kapital- und Devisenmärkte hat.

5 Kommentare

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Es gibt keinen Politiker auf der Welt, der seinem Volk so schadet und das Volksvermögen so verschleudert wie diese "Drecksmerkel" ...

    17:03 Uhr, 03.02.2016
  • bembes
    bembes

    Und wer ist dafür verantworlich ??? Die EZB-ler an der Spitze mit Super-Draghi. Alles geht an der Politik vorbei. Aber die haben ja auch keine Ahnung, was die EZB macht. Hauptsache Deutschland muss irgendwann bezahlen und mit unser " IM Erika" Merkel und ihren Flüchtlingen sind wir bald pleite !!!! Was soll es .......wir haben uns abgeschafft und der Rest von Europa freut sich !!!

    12:22 Uhr, 03.02.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Zwieselchen
    Zwieselchen

    Ich denke nicht, dass Italien, Griechenland, Spanien, Portugal & Co ihre Hausaufgaben zu machen haben. Nicht mehr als sonst.

    Fakt ist, dass unter dem Dach von nur einer Währung die Wirtschaftsleistung der Länder untereinander nicht stimmt. Was früher durch das Abwerten oder Aufwerten der verschiedenen Währungen zueinander ausgeglichen wurde, gleicht sich jetzt durch Schulden und interne Wirtschaftskrisen aus. Man kann diese Länder nicht umkrempeln, nur weil wir eine Währung haben wollen. Dieser Wunsch ist unrealistisch.

    Hausaufgaben... Das ist unglaublich lächerlich, wenn jemand glaubt, dass diese südlichen Länder mit ihrer eigenen Charakteristik mit den nördlichen europäischen Staaten gleichziehen könnten. In diesem Falle würde Deutschland seine Führungsposition verlieren. Schon alleine, wenn man verlangt, dass wirtschaftlich gleichgezogen oder auch nur nachgeholt werden muss. Immerhin ist die Messlatte für diese Länder hoch. Und ein Aufholen würde bedeuten, dass die Wachstumszahlen über jene der führenden Nationen liegen müsste, um aufschliessen zu können. Das ist extremst unrealistisch.

    Andererseits, diese Länder in den Sparmodus zu drängen ist das gleiche wie ihnen den Hahn abzudrehen. Niemand der spart hat sich erholt. Obendrein machen ALLE Länder der Welt derzeit Schulden ohne Ende, um einfach nur ein Miniwachstum vorzuweisen. Diese Politik den gebeutelten Ländern unterzujubeln ist wie einen Stein werfen und es dem nächsten in die Schuhe schieben. Das ist verantwortungsloses Verhalten und blindes regieren.

    Alleine die EU-Gründerstaaten haben ihre Hausaufgaben zu tun. Nämlich jene, die Wirtschaft in allen Ländern wieder auf Schiene zu bringen. Immerhin sind Deutschland und Frankreich als Gründerstaaten dafür verantwortlich, dass es die EU gibt und dass die Lage so ist wie sie jetzt ist. Sich jetzt an dieser Stelle, wo es schwierig ist, abzuputzen und sich aus der Verantwortung stehlen ist ein kindisches Verhalten. Immerhin wurde mit einer wirtschaftlichen Stabilität und einem gesicherten Frieden durch die EU geworben. Was haben wir jetzt? Genau das Gegenteil!

    Fazit: meines erachtens sind nicht die (beinahe-)bankrotten Staaten an der Lage schuld, sondern die Gründerstaaten. Vergessen wir das nicht, warum und wegen wen wir die EU haben. Nicht weil Griechenland, Spanien, Italien und Portugal es geplant hatten. Sondern weil es Deutschland und Frankreich geplant und gewollt hatten!

    12:11 Uhr, 03.02.2016
  • Chamäleon
    Chamäleon

    Niemand? Aha, sie auch nicht?:-D

    11:20 Uhr, 03.02.2016