Kommentar
00:00 Uhr, 14.12.2008

Neue Horrornachrichten – und dann noch Vollmond!

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Am Freitag wurde das schon von US-Senat zugesagte 14 Mrd. Kreditprogramm vom US-Repräsentantenhaus abgelehnt, was die Gefahr erhöht, dass die die US-Automobilkonzerne Ford, Chrysler und General Motors noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres Chapter 11 anmelden müssen. Dies würde dann zu einer dramatischen Erhöhung der US-Arbeitslosenzahlen führen, was wiederum mittelfristig den Konsum – die Hauptsäule der US-Wirtschaft - beinträchtigen würde. Bisher ist der US-Konsum noch erstaunlich robust. Auch rechne ich mit einem relativ guten Weihnachtsgeschäft – zumindest in Deutschland.

Es bleibt zudem die Hoffnung, dass das US-Repräsentantenhaus über das Wochenende oder in den nächsten Tagen noch eine Lösung für die angeschlagene US-Automobilindustrie findet. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, sind 3-5 Millionen Arbeitsplätze in den USA vor allem bei den Zulieferbetrieben in Gefahr. Machen wir uns nichts vor: im Grunde ist General Motors schon Pleite und kann ohne den Staat (=Steuergelder) nicht überleben. General Motors muss in jedem Fall einige Automarken im Ausland verkaufen, um überleben zu können und er muss Mitarbeiter entlassen. Aber wer kauft jetzt schon Automarken (außer Porsche)? Es gibt eine ganze Reihe von sogar konservativ eingestellten Vermögensverwaltern und anderen Anlegen, die Anleihen von General Motors noch in den Büchern haben, was sehr gefährlich ist. Das ist Kamikaze pur! Das Hauptproblem für den Kapitalmarkt sind nicht die Aktien – die sind jetzt ohnehin nur noch nach dem Minus von 10,4 % am Freitag 1,7 Mrd. € wert -, sondern die Anleihen und Verbindlichkeiten im Volumen von 600 Mrd. USD. Ein Chapter 11 von GM könnte eine weitere Schockwelle an den internationalen Aktienmärkten auslösen, aber auch die Unternehmensanleihen weltweit weiter unter Druck bringen. Die Spreads bei den Anleihen sind immer noch außergewöhnlich hoch, was die ganze Dramatik gut aufzeigt. Da nützen auch die Zinssenkungen der Notenbanken wenig. Die US-Automobilkonzerne werden die internationalen Börsen auch in den nächsten Wochen nachhaltig beeinflussen.

So oder so wird es aber in diesem Sektor zu einer Entlassungswelle kommen müssen, ebenso wie im US-Bankensektor. Die Bank of America hat die Entlassung von weiteren 30.000 Mitarbeitern schon angekündigt. Auch die Citibank wird weitere Mitarbeiter entlassen müssen. Am letzten Freitag wurde erstmals US-Horror-Arbeitsloszahlen von über 500.000 gemeldet, was ein klares Zeichen für eine tiefe Rezession ist. Zudem wurde bekanntgegeben, dass sich die USA schon in einer Rezession befindet, also zwei Quartale schon im Minus waren, nachdem zuvor noch ein Plus gemeldet wurde. Die US-BSP-Zahlen und auch Arbeitslosen zahlen sind zunächst immer geschönt und werden dann im Nachhinein nach unten korrigiert. Auch gibt es jetzt Horrorschätzungen für das BSP in Deutschland für das nächste Jahr. Während einige Volkswirte mit einem Minus von 2% rechnen, hält der Chefvolkswirt der Deutsche Bank AG Walter sogar ein Minus von 4% für möglich. Die Kardinalfrage ist also nicht, ob wir in eine Rezession schlittern, sondern wie tief die Rezession sein wird und vor allem wie lange sie anhalten wird. Hier streiten sich die Experten. Dies ist aber bedeutsam für die Frage, wie viel die Börsen jetzt an negativen Nachrichten schon eingepreist haben. So werden jetzt DAX-Ziele von 2000 bis 6000 für 2009 herumgereicht. In jedem Fall wird das 1Q09 auf eine tiefe Rezession hindeuten.

Dennoch will Angel Merkel den Bogen mit immer wieder neuen Konjunkturprogrammen nicht überspannen, was ich für ganz vernünftig halte. Dagegen hat Obama ein Mega-Konjunkturprogramm angekündigt, wobei insbesondere der Gesundheitssektor und Alternative Energie sowie der Bausektor davon profitieren sollte. Daher stieg auch schon der Kurs von Hochtief mit aussichtsreichen Geschäften in den USA an. Auch Frankreich und Großbritannien sind für größer angelegte Konjunkturprogramme (zu Lasten der Nachfolgegenerationen!). Der neue Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman tadelt öffentlich nicht nur Bush als schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten (dies zu Recht). sondern jetzt auch den deutschen Finanzminister Steinbrück für sein vorsichtiges Taktieren bei den Konjunkturprogrammen. Krugman ist aber auch der Meinung, dass die 3 US-Autoriesen Chapter 11 anmelden sollten und dass ihnen keine weiteren Steuergelder hinterher geschmissen werden sollen. Dieser Ansicht sind übrigens auch 61% der Amerikaner. Ob dabei die Amerikaner und Experten die psychologische Wirkung von Dominoeffekten in der Wirtschaft richtig verstehen? Seitdem Lehman Brothers Chapter 11 anmelden musste, gibt es praktisch weltweit keinen Interbankenmarkt mehr. Dies hat erst zu den dramatischen Kursverlusten im Oktober/November weltweitgeführt bzw. diese verstärkt. Nobelpreisträger lagen schon oft falsch mit ihre Expeterratschlägen und erst recht falsch mit ihren Anlagen (siehe Beispiel Long Term Capital Management im Jahr 1998, wo zwei renommierte Nobelpreisträger 3 Mrd. USD in den Sand setzten).

Zudem will die US-Notenbank erstmals selbst Anleihen herausgeben, um sich refinanzieren zu können. Ist etwa die US-Notenbank jetzt schon Pleite? So etwas wie Notenbank-Anleihen gab noch nie. Der nächste Schritt wären US-Zwanganleihen des Staates für Vermögende. Ich nenne das die Quadratur der Verschuldung und die Notwendigkeit der Zwangs-Umverteilung. Wo soll das alles hinführen? Etwa in eine jetzt schon von langer Hand geplante Währungsreform? Können dann etwa auch Notenbanken Pleite gehen? Bloomberg hat die US-Notenbank schon verklagt, weil sie nicht sagt, wem sie bisher wie viel Geld gegeben hat. Bloomberg schätzt das Volumen schon auf über 8 Billionen USD. Zudem gab es erstmals 0%-Anleihen in den USA. Es lebe der neue Carry-Trade USD-Euro! Bekommen wir jetzt etwa japanische Verhältnisse in den USA, also ein lange Zeit der Rezession mit 0%-Zinsen und Deflation? Oder ist das Tal der Tränen aufgrund der Mega-Konjunkturprogramme, die erst im nächsten Jahr gestartet werden und erst später greifen werden, „schon“ in der zweiten Hälfte 2009 durchschritten? Es lebe die „Black Box“, wo jeder Analyst und Experte jetzt im Dunkeln tappt. Daher hat die gegenwärtig niedrige Bewertung nach dem KGV (in Osteuropa bei 6, in Russaldn bei 3!) kaum eine Aussagekraft, denn in 2009 kann aus einem Gewinn in vielen Branchen ein Verlust werden. Wie sagt man so schön: Prognosen sind schwierig, gerade, wenn sie die Zukunft betreffen. Man kann auch sagen: wer die Nerven für „russisch Roulette“ hat, dürfte jetzt wieder mutiger werden.

In jedem Fall ist auch in 2009 unter Obama mit einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik zu rechnen. Wer aber soll das alles bezahlen, wenn die US-Konjunktur in 2009 nicht in Gang kommt und der Konsum abflaut? Ich rechne zudem mit weiteren Schieflagen von Hedgefonds. So scheint der ehemalige Chef der NASDAQ Bernard Madoff jetzt 50 Mrd. USD veruntreut zu haben, was wohl nur die Spitze des Eisbergs ist. Der von ihm geleitete US-Hedgefonds war angeblich schon einige Jahre Pleite und hat dies nicht zu erkennen gegeben. Madoff ist jetzt zwar wieder gegen eine hohe Kaution auf freien Fuß; bestätigen sich aber die Vorwürfe, droht ihm eine Haftstrafe von 20 Jahren. Schon jetzt hat dieser Vorfall eine Tragweite von Enron. Es gibt jetzt eine Reihe von unglücklichen Verkettungen, die in die Katastrophe führen können. Letztendlich ist das, was jetzt US-Notenbankchef Bernanke im Kreditsystem jetzt produziert, auch eine Art Schneeballsystem. Wenn die Verschuldungs-Pyramide zusammenbricht, gibt es keine Rettung mehr.

Trotz dieser Horrornachrichten des Skandals um Madoff und der Verweigerung der Kredite an die (ehemaligen) US-Autogiganten konnte sich die Wall Street nach anfänglichen Schwächetendenzen recht gut behaupten, weil das „Plunge Protection Team“ wie schon letzten Freitag gute Arbeit leistete. Der Dow Jones stieg sogar um 64 Indexpunkte auf 8629 Indexpunkte, was an den letzten Freitag erinnert als der Dow Jones trotz der Horrorarbeitslosenzahlen im Plus landete. Der Dax konnte sich zum Schluss auch kräftig erholen und schloss „nur“ noch mit einem Minus von 2,18% bei 4663 Indexpunkten.

Dabei erholte sich der Euro kräftig auf 1,33 EUR USD und der WTI-Ölpreis auf 49 USD/Barrel. Gold konnte sich bei 819 USD/Unze behaupten. Der russische RTS-Index fiel am Freitag moderat um 2,7% auf 652 Indexpunkte, nachdem er aber letzte Woche bis Donnerstag um fast 10% zulegen konnte. Einige russische Stahlwerte stiegen sogar um über 20%, nachdem die VEB Bank den Oligarchen mit Krediten helfend zur Seite stand. Allerdings wurden die Staatsanleihen von S&P im Rating herabgestuft. Das Quartalsergebnis von LUKoil lag aber leicht über den Erwatungen. Die Notenbank musste den Rubel aufgrund der anhaltenden Kapitalflucht mit weiteren 17,9 Mrd. USD stützen, so dass die Währungsreserven auf 437 Mrd. USD fielen (von in der Spitze über 600 Mrd. USD im August).

Zu einem Kursverlust von in der Spitze 50% kam es bei der der deutschen Beteiligungsgesellschaft KREMLIN AG am Freitag, weil laut Ad-hoc-Meldung vom 12. Dezember ein Verlust von Guthaben und Wertpapieren bei einem Broker in Moskau im Volumen von 450.000 USD droht, wobei es sich nicht um Kursverluste, sondern sich um eine kriminelle Handlung des Brokers handeln könnte. Rechtanwälte sind nun um Aufklärung der verschwundenen Gelder bemüht. Diese Nachricht ließ einige Russlandanleger aufhorchen, da im Moment viele russische Broker Liquiditätsprobleme haben und sich nur durch Massenentlassungen über Wasser halten können. Es gibt aber auch schon einige Hinweise, dass einige russische Broker die Finanzkrise im nächsten Jahr nicht überleben werden. Da das Wertberichtigungspotential im aktuellen Fall bei der KREMLIN AG aber „nur“ 0,17 € pro Aktie beträgt, ist der Kursverlust von 17% bzw. 0,25 € (in der Spitze intraday sogar fast 50%) übertrieben. In Xetra wurde die Aktie zwischenzeitlich sogar bei 0,9 € gehandelt. Der NAV (Nettovermögenswert) des Wertpapier-Portfolios betrug Ende November noch 1,36 €. Die KREMLIN AG ist aber überwiegend in russischen Nebenwerten engagiert, die im Moment sehr hohe Spreads bei Geld- und Briefkursen aufweisen und nur wenig liquide sind. Im November gab der NAV um 40% nach, weil es im Moment kaum vernünftige Geldkurse bei Nebenwerten in Russland gibt. Deswegen fiel der Kurs seit Juni von 4 auf 1,2 € wie ein Stein. Die Gesellschaft ist offensichtlich nicht rechtzeitig in Cash gegangen.

Mit hohen Kursausschlägen ist auch in den nächsten Tagen zu rechnen, wobei die Marktechnik weiterhin Beachtung finden sollte. Seit Dezember gibt es einen leichten Aufwärtstrend an den Weltbörsen, so auch in Moskau, Frankfurt/M. und New York. Dabei sind folgende Chartmarken jetzt zu beachten: Fällt de DAX unter 4400 oder noch gewichtiger der Dow Jones unter 8100 Indexpunkte, kann die Jahresendrallye getrost ad acta gelegt werden. Ausschlaggebend dafür dürften die nächsten Konjunkturzahlen und das mögliche Rettungspaket für die US-Automobilindustrie sein. Für die Mondsüchtigen und -gläubigen: Wir hatten am Freitag Vollmond und die Tage nach Vollmond, so sagen die Mondexperten, sind in der Regel eher verlusträchtig. Es kann daher sein, dass die Jahresendrallye erst in den letzten Tagen zwischen den Jahren nach Weihnachten startet.

Aber selbst in Falle einer Jahresendrallye handelt es sich um eine Bärmarktrally. Anfang des Jahres hatten wir schon einen kräftigen Kurseinbruch zu verkraften was ein guter Indikator für das Gesamtjahr war: nämlich das schlechteste Jahr in der Nachkriegzeit an allen Aktienbörsen der Welt (mit Ausnahmen von Tunesien). Falls der Dow Jones nachhaltig unter 8000 Indexpunkte, sollte der Anleger voll in Cash gehen – auch an den Ostbörsen! Ich empfehle weiterhin eine Cash-Position von 70% und 10-30% nur für kurzfristige Trades mit 50% Chancenpotential in wenigen Tagen – auch an den Ostbörsen. Ich bleibe also wie schon das ganze Jahr über defensiv eingestellt. Es wird in jedem Fall sehr volatil bleiben. Welche Aktien Sie jetzt kaufen oder verkaufen sollen, können Sie der täglich aktualisierten Ostbörsen-Hotline 09001-8614001 (1,86 €/Min.) entnehmen.

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