Analyse
21:08 Uhr, 16.10.2018

NETFLIX - Nach Ausblicksenkung muss geliefert werden

Netflix liefert nachbörslich Quartalszahlen. Außerdem soll aus gegebenem Anlass die Bedeutung des Verwaltungsrats in den USA durchleuchtet werden.

Erwähnte Instrumente

  • Netflix Inc.
    ISIN: US64110L1061Kopiert
    Kursstand: 363,390 $ (NASDAQ) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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Im Rahmen des Finanzberichts zum zweiten Quartal Mitte Juli gab das Management bekannt, dass man etwas vorsichtiger auf das dritte Geschäftsquartal blicke. Seitens des Unternehmens hieß es, dass man beim Gewinn je Aktie mit 0,68 USD und beim Umsatz mit 3,99 Mrd. USD rechne. Der bisherige Konsens lag bei einem EPS von 0,71 USD bei einem Umsatz von 4,14 Mrd. USD.

Demnach liegen auch die Erwartungen für die heutigen Quartalszahlen deckungsgleich beim Ausblick des Managements. Der Umsatz soll gegenüber dem zweiten Quartal leicht steigen. Der Gewinn je Aktie soll hingegen deutlich um 20 % zurück gehen.

Mitte September wurde bekannt, dass Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner in den Verwaltungsrat des Streaming-Dienstleisters einziehen wird. Während diese Meldung in Deutschland zu keiner nennenswerten Bewegung geführt hätte, stößt die Berufung in den Verwaltungsrat eines US-amerikanischen Unternehmens auf Gehör.

Der Grund liegt im Kompetenzbereich und der Organisationsstruktur der Gesellschaften. Hierzu eine kleine Exkursion:

  • Zum einen gibt es das Monistische System (Board-Modell), welches zweigliedrig ausgestaltet wird. Das erste Glied bildet die Gesellschafterversammlung und das zweite Glied die Geschäftsführung. Diesem Modell gehören beispielsweise die deutsche GmbH oder amerikanische Corporation an.
  • Zum anderen gibt es das Dualistische System (Trennungsmodell), welches dreigliedrig ausgestaltet ist. Es gibt hier die Hauptversammlung, den Aufsichtsrat und den Vorstand. Diesem Modell gehört die deutsche AG an.

Amerikanische Unternehmen sind nach dem Vorbild des Monistischen Systems organisiert. Das Board of Directors lässt sich in drei Funktionen aufteilen. An oberster Stelle steht der Chairman of the Board, welcher dem CEO gleichkommt. Darunter folgen dann die Outside Directors, denen die Überwachungsfunktionen zukommen und die zum Teil auch in die strategische Gesamtplanung einbezogen werden. Daneben stehen die Inside Directors, welche die laufenden Management Aufgaben erfüllen.

Die deutsche Aktiengesellschaft darf nach deutschem Recht nicht monistisch ausgestaltet sein, da sie stets eine Hauptversammlung, einen Vorstand und einen Aufsichtsrat besitzen muss. Hierzulande kommt dem Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat also hauptsächlich eine Überwachungs- und Kontrollfunktion zu. Mit der Berufung Döpfners in das Verwaltungsgremium eines US-amerikanischen Unternehmens, darf der Axel-Springer-Chef also in der strategischen Planung von Netflix mitwirken.

Charttechnisch zeigt sich die Aktie etwas angeschlagen. Die langfristige Trendlinie aus dem Jahr 2012 wurde unterschritten, nachdem sie zuvor Ende August getestet wurde. Halt gab der EMA 200 daily, bisher muss der Anstieg an die Trendlinie aber noch als Pullback gesehen werden. Erst wenn auch der EMA 50 daily überschritten werden kann wären die Papiere wieder zurück auf der Spur. Dazu sind vor allem positive Zahlen in der Nachbörse von Nöten, ansonsten droht der Rutsch auf 311 USD und tiefer.


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    Falls es jemanden interessiert:

    Marktmacht um jeden Preis

    Die Strategie von Netflix lässt sich recht einfach zusammenfassen: Marktanteile um jeden Preis. Das hat natürlich zu erheblichem Wachstum geführt und der Umsatz stieg binnen zehn Jahren von 1,36 auf 11,69 Mrd. USD. Wachstumsraten dieser Größenordnung sind eher ungewöhnlich, das Problem liegt in diesem Fall aber bei der Profitabilität.

    Auf der einen Seite wird zwar ein kleiner Gewinn ausgewiesen, dieser ist aber Augenwischerei. Man könnte auch von kreativer Buchhaltung sprechen. Netflix stellt folgende Rechnung an: Serien und Filme bringen nicht nur sofort nach Veröffentlichung Geld, sondern über Jahre hinweg. Daher werden auch die Produktionskosten quasi schrittweise eingebucht und voila, man macht plötzlich keinen Verlust mehr.

    Der Verlust wird größer und größer

    Bei einem Blick auf den Kassenstand wird aber schnell klar, was wirklich passiert. Es fließt konstant Geld aus dem Unternehmen ab. Die Produktionskosten liegen schlichtweg über den Einnahmen und leider wird der Fehlbetrag auch nicht kleiner, sondern stetig größer! Im Jahr 2015 hat Netflix 841 Mio. USD weniger eingenommen als ausgegeben, 2016 waren es dann 1,58 Mrd. und im zurückliegenden Jahr 1,96 Mrd. USD. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet man gar einen negativen Cashflow von rund 4,0 Mrd. USD.

    Der Fehlbetrag ist im Verhältnis zum Umsatz von knapp 12 Mrd. USD auch keine Kleinigkeit und will finanziert werden. In den letzten Jahren ist das durch die stetige Ausgabe von Aktien gelungen, aber vor allem durch neue Schulden. Alleine die langfristigen Verpflichtungen summieren sich inzwischen auf über 6,5 Mrd. USD und sind von 0,8 Mrd. USD im Jahr 2014 geradezu explodiert. Aus den Veröffentlichungen von Netflix geht hervor, dass die zuletzt ausgegebenen Anleihen, mit einem Volumen von über 3,0 Mrd. USD, einen Kupon von 4,975% haben.

    Kampf gegen Amazon

    In diesem Jahr werden die Schulden aber noch erheblich steigen und das Verhältnis von Assets zu Debt wird immer schlechter. Um genau zu sein übersteigen die Schulden die Assets bereits deutlich. Ein Unternehmen kann aber nicht ewig immer mehr Schulden aufnehmen. Was sind also die Optionen? Weniger Content oder ein höherer Preis? In beiden Fällen wandern wahrscheinlich Kunden ab. Womöglich zum größten Konkurrenten Amazon, der sich dauerhaft überhöhte Ausgaben schlichtweg leisten kann, da andere profitable Unternehmensteile den Streaming-Bereich mitfinanzieren. Amazon kann den Preiskampf also weitaus länger durchhalten als Netflix.

    Disney macht Probleme

    Als ob das nicht alles schon problematisch genug wäre, könnte auch der Gegenwind von anderer Seite deutlich zunehmen. Disney ist einer der größten Content-Partner, plant nach der Übernahme von Fox aber eine eigene Video-Plattform und wird seine Inhalte wohl abziehen oder niemals zur Verfügung stellen. Einige davon gehören zu den beliebtesten auf Netflix, von Avatar über Family Guy, bis hin zum Marvel-Universum, Star Wars, Mickey Maus & Co.

    Das Wachstum wird kaum haltbar sein

    Abozahlen können ebenfalls nicht unendlich steigen und das Wachstum ist bereits rückläufig. Netflix hat in den USA beispielsweise 56,7 Mio. Abonnenten, das Land hat aber nur 126 Mio. Haushalte. Die Marktdurchdringung ist extrem hoch, vor allem weil die Accounts unter Freunden teilbar sind. Wächst Netflix weiter in dieser Geschwindigkeit, gehen dem Unternehmen in wenigen Jahren aber ohnehin die Haushalte aus, zumindest in den USA. Eine Expansion in andere Länder ist dagegen schwerer als man annehmen möchte. Europa dürfte am einfachsten sein. Der größte Markt China ist hingegen aber nicht zugänglich und in Ländern wie Indien oder Korea gehen westliche Blockbuster reihenweise einfach unter. Es müsste also mehr als nur eine Sprachbarriere überwunden werden.

    Erinnerungen an die Jahrtausendwende

    Kommen wir zu der Bewertung. Die P/E ist mit 200 nun wirklich nicht niedrig und dennoch eine Beschönigung. Ein realistischeres Bild liefert ein Blick auf den Cashflow, in Wirklichkeit macht man Milliardenverluste. Nennen Sie mich konservativ, aber wenn man bei einem Umsatz von 12 Mrd. USD rund 16 Mrd. USD ausgibt, hat man schlichtweg ein Problem und vor allem keinen Gewinn gemacht.

    Auch bei jeder anderen Kennzahl kommt man auf erstaunliche Werte. Ohne wirklich profitabel zu sein, ist Netflix mit mehr als dem zehnfachen des Umsatzes bewertet. Das schafft kaum ein anderer Wert und auch dann fast ausschließlich hochmargige Gelddruckmaschinen wie Visa oder Mastercard.

    Auswertungen haben gezeigt, dass keine andere einzelne Kennzahl so sicher Überbewertungen und zukünftig schlechte Performance anzeigt, wie Price/Sales (Siehe James P. O’Shaughnessy, „What Works on Wall Street“).

    Aus fundamentaler Sicht kann daher keine Kaufempfehlung ausgesprochen werden. Die Aktie ist „priced to perfection“, doch wehe dem Tag an dem das Wachstum nachlässt. Wo liegt der realistische Wert eines Unternehmens mit 12 Mrd. Umsatz, einem Verlust von 4 Mrd. und weiteren 15 Mrd. an Verpflichtungen? Sind es wie in diesem Fall tatsächlich 160 Mrd. USD oder könnte man nicht durchaus auch schon bei 50 Mrd. USD streiten, ob die Bewertung zu hoch ist?

    Auf einen charttechnischen Ausblick könnte man eigentlich verzichten. Die Aktie ist ohne jeden Zweifel bullisch und wird wahrscheinlich weiter steigen. Unweigerlich werden jedoch Erinnerungen an die Jahrtausendwende wach.

    08:28 Uhr, 17.10.2018