Nachhaltige Aufholjagd in Schwellenländern
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Die Verzahnung der Produktion zwischen Schwellenländern und Industrieländern hat seinen Höhepunkt erreicht. Der Unterschied in der Wachstumsdynamik schrumpft. Trotz niedriger Inflation planen die westlichen Zentralbanken keine weiteren Schübe quantitativer Lockerung. China wächst langsamer, und die Märkte machen sich immer noch Sorgen darüber, wie sich der Handelskrieg auf die Schwellenländer auswirkt. Magda Polan, Global Emerging Markets Economist bei Legal & General Investment Management, meint, diese Entwicklung sei eine Chance dafür, dass ESG-Themen in Schwellenländern an Gewicht gewinnen:
“Das steigende Interesse an grünen oder "Impact"-Investitionen fällt mit dem zunehmenden Bewusstsein für ökologische und soziale Fragen in vielen Schwellenländern zusammen: Die Friday-for-Future-Streiks, denen sich auch viele Menschen aus Schwellenländern angeschlossen haben, ein zunehmender Umweltaktivismus in den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie eine Welle sozialer Proteste, insbesondere in Chile und anderen lateinamerikanischen Ländern. Dieser Trend wird durch Bemühungen von Regulierungsbehörden gestützt, die die Vorreiterrolle von Vermögensverwaltern für ESG-Strategien in Schwellenländern stärken wollen.
ESG-Anteil im EM-Index verdoppelt
Ein Beispiel dafür ist die steigende Emission von grünen Schwellenländer-Schuldtiteln. Während staatliche Investoren seit langem soziale und Governance-Indikatoren berücksichtigen, da sie die wichtigsten Faktoren für potenzielles Wachstum und das Kreditrisiko sind, ist der Fokus auf Umweltfragen noch neu. Polen – nach IWF-Definition ebenfalls ein Schwellenland - hat als erster Staat eine grüne Staatsanleihe emittiert; gefolgt sind kürzlich die Regierungen aus Chile, Indonesien und Litauen. Auch haben nicht-staatliche Organisationen, Banken und Unternehmen erfolgreich grüne Anleihen platziert. Beispiele sind die Bank of China, die Export-Import-Bank von Indien, sowie brasilianische und malaysische Unternehmen. Infolgedessen hat sich der Wert der Schwellenländeranleihen im “Merrill Lynch Green Bond Index” in den letzten zwei Jahren auf 32 Milliarden Dollar verdoppelt. Allerdings macht er insgesamt immer noch weniger als 10 % des gesamten Indexwertes aus. Dieser hat Anfang 2020 eine Marktkapitalisierung von 405 Milliarden Dollar erreicht, gegenüber 173 Milliarden Dollar im Jahr 2018.
Kann ESG auch schaden?
Trotz dieser positiven Beispiele kann eine blinde Ausrichtung auf strenge ESG-Kriterien Schwellenländern schaden. Denn Länder wie Mexiko, Brasilien oder Kolumbien sind nach wie vor auf den Export von Rohstoffen oder fossilen Brennstoffen angewiesen. Länder wie Indonesien, die Mongolei, Südafrika oder Indien können es sich schlichtweg nicht leisten, schnell auf erneuerbare Energien umzusteigen, ohne das Wirtschaftswachstum und Einkommen weiter Teile ihrer Bevölkerung zu beeinträchtigen oder am Ende auf großen Beständen an Vermögenswerten wie Kraftwerke oder Rohstoffe, die drastisch an Wert verlieren würden, sitzen zu bleiben. Deshalb wollen diese Länder einen schrittweisen Übergang zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft über die Emission grüner Anleihen finanzieren.
Vor diesem Hintergrund müssen ESG-Investitionen in Schwelländern immer sorgfältig geprüft werden und die grundsätzlich positiven Effekte nachhaltiger Projekte gegenüber ihrer Machbarkeit abgewogen werden. Die Festlegung einheitlicher Kriterien, was unter ESG verstanden wird, könnte dabei auch von Vorteil sein. Begrüßenswert ist auf jeden Fall, dass sowohl Investoren als auch Emittenten ihren Fokus stärker auf Nachhaltigkeit und eine Energiewende legen. Uruguay zum Beispiel wurde im vergangenen Jahr von dem Analyseunternehmen Sustainalytics als "bester nachhaltiger Anleihe-Emittent” eingestuft. Dies alles sollte dazu beitragen, dass die notwendige Dynamik für grundlegende Veränderungen auch in Schwellenländern am Laufen gehalten wird.
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