Kommentar
08:58 Uhr, 27.10.2005

Nachfrage nach Ölprodukten wieder über Vorjahr

1. Die Entwicklung der Öllagerbestände in der vergangenen Woche glich dem Muster der Vorwochen. Erneut stiegen die Rohöllagerbestände deutlich stärker an als erwartet. Das Plus von 4,4 Mio. Barrels (Bloomberg-Median: 2,0 Mio. Barrels) dürfte teilweise auf den deutlichen Anstieg der Rohölimporte um 800.000 Barrels pro Tag sowie auf weitere Auslieferungen aus den strategischen Rohölreserven zurückzuführen sein.

Weitaus schwächer als erwartet fiel hingegen der Anstieg der Benzinlagerbestände aus. Sie konnten in der Vorwoche nur marginal um 159.000 Barrels zulegen. Damit wurden die Erwartungen von +1,4 Mio. Barrels weit verfehlt. Die Lagerbestände an Diesel und Heizöl sanken erneut um 1,6 Mio. Barrels (Bloomberg- Median: -1,3 Mio. Barrels). Gleichzeitig fielen die Importe von Ölprodukten, nachdem sie in den Vorwochen deutlich zugelegt hatten. Interessant war die Tatsache, dass die Benzinproduktion nach den kräftigen Zuwächsen in den vorangegangenen Wochen in der Vorwoche mehr oder weniger stagnierte. Im Gegensatz dazu wurde die Produktion von Diesel deutlich erhöht. Nachdem das Hauptaugenmerk nach den Hurrikan-bedingten Raffinerieausfällen zuerst der Benzinproduktion galt, da sich die Benzinlagerbestände zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon auf einem sehr niedrigen Niveau befanden, scheint man nun doch auf den jüngst kräftigen Rückgang der Diesel- und Heizöllagerbestände zu reagieren. Schließlich steht der Beginn der Heizperiode bereits vor der Tür.

Die Kapazitätsauslastung der Raffinerien stieg in der Vorwoche lediglich um 1,64 Prozentpunkte (Bloomberg- Median: +2,75 Prozentpunkte). Die Wiederinbetriebnahme der Raffinerien in der von Hurrikan Rita betroffenen Region war in der vergangenen Woche etwas ins Stocken geraten. In der laufenden Woche nahmen jedoch zwei weitere Raffinerien den Betrieb zumindest teilweise wieder auf. Es sind allerdings weiterhin vier Raffinerien komplett außer Betrieb und sieben weitere Raffinerien in der betroffenen Region sind noch nicht wieder voll in Betrieb. Ähnlich schleppend verläuft die Wiederaufnahme der Rohölförderung im Golf von Mexiko. Der Produktionsausblick vor allem auch für das nächste Jahr ist damit alles andere als rosig. Aktuell belaufen sich die Förderausfälle immer noch auf knapp 69 % der gesamten Förderkapazitäten im Golf von Mexiko. Während wir noch vor wenigen Wochen darauf hingewiesen hatten, dass das einzig Positive im Vergleich zu Hurrikan Ivan die Tatsache ist, dass Rita und Katrina deutlich weniger Pipelines beschädigt haben, müssen wir nun auch diese Aussage revidieren. Denn mittlerweile hat die Zahl der durch Katrina und Rita beschädigten Pipelines nahezu den Stand von Ivan erreicht (Rita und Katrina: 98; Ivan: 102).

2. Die Preisreaktion auf die Veröffentlichung der Öllagerbestände erscheint auf den ersten Blick nicht ganz intuitiv. Zwar gab der Röhlpreis zunächst kräftig nach, was angesichts des erneuten Anstiegs der Rohöllagerbestände verständlich erscheint, doch schon wenige Minuten später folgte die Gegenreaktion, die die gesamten Tagesverluste wettmachte. Die Reaktion erscheint durchaus verständlich, wenn man einen Blick auf die gleichzeitig veröffentlichten impliziten Ölnachfragedaten wirft. Diese versetzten all denjenigen einen herben Schlag, die sich in den vergangenen Wochen der Theorie des „Nachfrageeinbruchs aufgrund der hohen Benzinpreise“ angeschlossen hatten. Wir haben in den vergangenen Wochen regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Nachfragedaten starken Verwerfungen aufgrund der Hurrikans unterliegen und dass die darin ausgewiesenen Nachfragerückgänge mit sehr großer Sicherheit nicht die tatsächliche Nachfrageentwicklung widerspiegeln. Dennoch fokussierte der Ölmarkt in jüngste Zeit voll und ganz auf diese Nachfragedaten, was folglich zu starken Preisrückgängen geführt hatte. Laut den heute veröffentlichten Daten liegt die Nachfrage nach Ölprodukten nun aber wieder deutlich über dem Vorjahresniveau, weitere Aufwärtsrevisionen aufgrund zu hoch ausgewiesener Exporte von Ölprodukten sind in den nächsten Wochen wahrscheinlich. Damit dürfte eine erneute Episode des Nachfragepessimismus am Ölmarkt wie auch schon Ende vergangenen Jahres ein baldiges Ende finden. Für die Wintermonate rechnen wir wieder mit deutlichen Preisanstiegen.

3. Die Mehrheit der Spekulanten an der New York Mercantile Exchange hielt zumindest bis vergangenen Dienstag an ihren Short-Positionen fest. Nachdem die Argumente für eine Nachfrageschwäche aber kaum noch haltbar sind, dürften einige Spekulanten, die mit Short-Kontrakten auf fallende Preise gesetzt haben, ihre Felle davonschwimmen sehen. In den nächsten Wochen dürfte daher der Abbau von Short- Positionen für zusätzlichen Preisdruck sorgen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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