Kommentar
10:57 Uhr, 27.01.2024

Muster-Depots: Sinn, Zweck und potenzielle Probleme - Teil 1 der Reihe

So genannte Muster-Depots und/oder Demokonten findet man rund um das Börsengeschehen allenthalben und überall. Sie werden aus unterschiedlichen Gründen geführt, dienen aber in der Regel häufig eher als Werbe-Vehikel. Dadurch wird ihr ursprünglicher Zweck (das Testen von Strategien) ein wenig überdeckt, was schade ist.

Einführung in die Musterdepot-Thematik:

  • Über den Sinn und Zweck von Muster-Depots oder auch Demo-Konten (fortan im Text nur noch MD/MDs genannt) scheiden sich schnell mal die Geister. Hierbei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob diese mit Echtgeld oder "Papiergeld" geführt werden, denn viele der potenziellen Probleme dürften in beiden Varianten ein Thema sein.
  • In der hiermit gestarteten kleinen Artikelreihe möchte ich mich aber hauptsächlich pauschal mit den MDs beschäftigen, die ohne Echtgeld geführt werden.
  • Unstrittig sollte generell die Funktionalität von MDs sein, um mit solchen möglichst viele unterschiedliche Strategien zu testen (oder einem Backtest zu unterziehen) und vorzustellen zu können.
  • Zum 1:1 Nachhandeln dieser Strategien sind MDs aus unterschiedlichen Gründen oftmals aber nur bedingt geeignet.
  • Warum ist das so, die drei Hauptgründe sind aus meiner Sicht?:
  1. Ein MD kann theoretisch so hoch oder niedrig kapitalisiert werden, wie man nur möchte. Das geht selbstverständlich im realen Leben nicht bzw. nur so weit, wie es das persönliche dafür freie Kapital und/oder der eigene Kreditrahmen hergeben.
  2. Ein MD stellt spezifische oder auch eher allgemeine Strategien vor. Diese können aus unterschiedlichen Gründen nicht zu den Personen (oder deren Depots) passen, die versuchen, diese in ähnlicher Form selber zu handeln. Das betrifft profane aber dennoch elementare Dinge, wie die jeweils individuelle Kapitaldecke einer solchen Person, ihre Risiko-Affinität, persönliche (Börsen)Erfahrung, psychische Belastbarkeit und auch die zum Handeln zur Verfügung stehenden Zeitfenster sowie natürlich die jeweils sonst angewandte persönliche Handels-Strategie der Nachhandelnden und deren bereits in den eigenen Depots vorhandenen Positionen.
  3. Niemand kann und will (vor allem aus u.a. den o. g. Gründen) alle eingegangenen Positionen eines MDs nachhandeln und bekommt schon gar nicht die zu 100% identischen Ein/Ausstiege wie dort kommuniziert, außer man hat über irgendwelche automatisierten Abläufe (z. B. via Copy-Trading) sein eigenes Konto mit dem jeweiligen MD verbunden aber selbst dann ist es unwahrscheinlich, identische Stückzahlen zu identischen Kursen zu bekommen, wie im MD. Die Abweichungen sind sicherlich in den meisten Fällen marginal und gereichen mal zum Vorteil und mal zum Nachteil aber sie sind definitiv vorhanden.
  • Ein wichtiger zu berücksichtigender Faktor ist sicherlich auch der Umstand, wenn nicht sogar die Tatsache, dass in MDs sehr häufig offensiver agiert wird, als das mit echtem Geld im realen Leben der Fall sein würde. Dabei spielt die jeweilige Strategie dahinter sogar nur eine untergeordnete Rolle. Dies nimmt letztlich den dort angewandten Strategien zwangsläufig dadurch auch etwas an Authentizität. In MDs wird für gewöhnlich auch eine deutlich höhere Handels-Frequenz gefahren als man sie mit dem eigenen Geld umsetzen würde, denn zum einen steht ja beliebig viel (Papier)Geld zur Verfügung und zum anderen möchte man seinen Lesern ja auch regelmäßig etwas als mögliche Handels-Idee unterbreiten.
  • Zudem können selbst Papier-MDs tatsächlich einen realen Einfluss auf das echte Börsengeschehen haben und Echtgeld-MDs haben diesen Effekt als aktive Marktteilnehmer ohnehin. Eine Vielzahl finanziell potenter Follower kann darüber hinaus durchaus die eine oder andere Aktie "bewegen", Wallstreet-Bets und der Verlauf der Gamestop-Aktie sind dafür ein gutes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Somit sollte man den Effekt von öffentlich oder halb öffentlich geführten Demokonten auf keinen Fall unterschätzen. Zudem kann das in manchen Fällen auch zu einer Art "self fulfilling prophecy" werden, weil man praktisch selbst und mit der Unterstützung von Followern einen Wert in eine gewisse Richtung bewegt. Das ist ein sensibler Bereich, weil man schließlich auch Dinge wie die MAR also die Market Abuse Regulation, auf deutsch: Marktmissbrauchsverordnung berücksichtigen muss!
  • Im schlimmsten Fall kommt es sogar zu dem Effekt, dass sich bestimmte Interessengruppen rein dazu formieren, um aus einem MD ein "Jim Cramer-MD" werden zu lassen und große Gegen-Positionen auf die dort enthaltenen Werte eingehen, die exakt dem widersprechen, was in diesen MDs vonstatten geht. Da wird also von anderen im Zweifel finanziell deutlich potenteren Parteien geshortet, wenn man im MD long geht und umgekehrt. Solche Strategien können durchaus auch direkt und indirekt von Brokern oder anderen institutionellen Anlegern und größeren Adressen angewandt werden und sei es nur, um deren eigene Positionen oder die von Kunden zu hedgen oder zu schützen.

Wie man erkennen kann, ist die Muster-Depot-Thematik durchaus etwas komplexer als man es auf den ersten Blick annehmen würde. Ich möchte aber noch intensiver in diesen Bereich eintauchen und somit soll der heutige Artikel lediglich der Start einer kleinen Reihe zu diesem Thema werden.

Damit ist die allgemeine Einleitung zur Thematik abgeschlossen, es folgen in den nächsten Tagen/Wochen noch ein paar weitere Artikel, die sich dann noch spezieller mit Musterdepots auseinandersetzen werden.

Wer wissen möchte, wie ich persönlich mit und in meinen Muster-Depots agiere, findet weitere Informationen darüber in meinem Premium-Service: Stock Picking mit Michael Borgmann.

Michael Borgmann

Technischer Analyst

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Technischer Analyst und Trader

Als "Kind des Neuen Marktes" kann Michael Borgmann inzwischen auf über 25 Jahre Börsenerfahrung zurückblicken und hat dabei schon früh die Anwendung der Technischen Analyse (Charttechnik) als "Mittel zum Zweck" für sich ausgemacht. Bei seinen Analysen beschränkt er sich nicht nicht auf einzelne wenige Aspekte der Materie, sondern verfolgt einen ganzheitlichen analytischen Ansatz, indem er Candlesticks, Elliott-Wellen, Fibonaccis, die Ichimoku-Methodik und diverse andere charttechnische Hilfsmittel miteinander kombiniert. In der Summe sieht er dadurch die Technische Analyse gegenüber der Fundamental-Analyse im Vorteil, da sie tagesaktuelle Chartdaten auswerten kann und somit einen deutlichen zeitlichen Vorsprung gegenüber der Auswertung zum Beispiel veralteter Quartalszahlen hat. Seit Juli 2015 betreut Michael Borgmann den Premium-Service „Centre Court Börse” (CCB) im stock3 Terminal (vormals: Guidants).

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