Fundamentale Nachricht
14:58 Uhr, 05.02.2020

Mögliche Auswirkungen des Corona-Ausbruchs

Den möglichen Auswirkungen des Corona-Ausbruchs in China auf die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte geht Erick Muller, Director of Product and Investment Strategy, Muzinich & Co, in einem aktuellen Kommentar nach.

Die Weltgesundheitsorganisation hat den Ausbruch des Coronavirus in China zu einem weltweiten Notfall erklärt, und das Virus wirkt sich auf die Finanzmärkte aus. Die Finanzmärkte können natürlich die tragischen menschlichen Opfer nicht widerspiegeln. Sie bewerten die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit ausbreitet, ihre Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft und die Möglichkeit einer globalen Ausbreitung, wenn die Maßnahmen zur Eindämmung fehlschlagen.

Es ist schwierig, das Ausmaß der wirtschaftlichen Effekte abzuschätzen, da die Krankheit noch nicht überwunden ist. Die erste Phase eines Virusausbruchs trifft die private Nachfrage. Wie schnell dies Wirkung zeigen kann, sieht man am SARS-Ausbruch 2003: Während das BIP im ersten Quartal auf Jahresbasis im Quartalsvergleich um 12 % anstieg, verlangsamte es sich im zweiten Quartal auf nur noch 3,7 %.

Unserer Ansicht nach war dieser Rückgang größtenteils nachfrageabhängig. Solche Effekte während eines kurzen Zeitraums können jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer raschen Erholung führen. Tatsächlich stieg das BIP-Wachstum in China im dritten Quartal 2003 dank einer starken Erholung des privaten Konsums auf 15,5 % gegenüber dem Vorquartal auf Jahresbasis.

Wenn jedoch Maßnahmen zur Eindämmung der Erkrankung Arbeitnehmer von der Arbeit abhalten und den Transport von Rohstoffen verhindern, übertragen sich die Effekte auf die Lieferseite – so wie es jetzt geschieht. Je länger die Beschränkungen in Kraft sind, desto höher ist unserer Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Auswirkungen auf die Lieferseite verlagern. Hierdurch verringert sich die Chance auf eine rasche Erholung.

Die Wachstumsstruktur der chinesischen Wirtschaft ist heute völlig anders als beim SARS-Ausbruch: Der Dienstleistungssektor trägt heute mit 54 % über zehn Punkte mehr zum BIP bei als 2003.

Die Reaktion der Regierung war dieses Mal viel schneller als 2003. Präsident Xi Jinping räumte die Schwere des Problems frühzeitig öffentlich ein, was zu einer raschen Entscheidungsfindung sowie erheblichen Haushaltsausgaben für Eindämmungsmaßnahmen und medizinische Infrastruktur führte.

Potenzielle Auswirkungen auf die Weltwirtschaft

Die weltweiten Auswirkungen der Folgen für die chinesische Wirtschaft sollten nicht unterschätzt werden. China repräsentiert 18 % des globalen BIP, einen entsprechenden Anteil an den weltweiten Exporten und ist heute stärker mit dem globalen Tourismus verflochten als 2003. Potenzielle Übertragungswege auf die breitere globale Wirtschaft sind Störung des Handels und Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

Wir gehen davon aus, dass die globalen Auswirkungen moderat sind, sofern das Virus schnell eingedämmt wird. Falls die Situation andauert, wird es schwieriger werden, eine Ausbreitung zu vermeiden.

Im Falle von SARS waren die wirtschaftlichen Effekte nur von kurzer Dauer. Der Großteil dessen, was im Inlandsgeschäft verloren ging, wurde schnell aufgeholt. In finanzieller Hinsicht haben sich Risikoanlagen während und nach dem Ausbruch gut entwickelt, insbesondere Investitionen in den Industrieländern.

Amerikanische und europäische Aktien stiegen zwischen Mitte März und September 2003 um 30 % bzw. 36 %. Die Kreditspreads verengten sich und der US-High Yield Risikoaufschlag wurden innerhalb von zwei Quartalen deutlich um bis zu 260 Basispunkte reduziert.

Staatsanleihen wurden ihre Rolle als sicherer Hafen gerecht: US-Treasuries fielen zwischen Mitte März und Mitte Juni 2003 um fast 100 Basispunkte, und die Rendite von Bundesanleihen ging im gleichen Zeitraum um 81 Basispunkte zurück.

Der Ölpreis fiel um mehr als 30 %, trotz der zweiten Invasion im Irak Mitte März. Der US-Dollar schwächte sich von März bis Mitte Juni 2003 ab und partizipierte von der Lockerung der finanziellen Rahmenbedingungen.

Chancen für eine Neupositionierung?

Aus Sicht der Marktteilnehmer ist die schnelle Reaktion Chinas positiv zu bewerten. Darüber hinaus glauben wir, dass politische Maßnahmen ergriffen werden, sobald sie einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben, beispielsweise wenn die Reisebeschränkungen aufgehoben werden.

Die People's Bank of China könnte weitere Zinssenkungen nutzen und durch Senkung der Anforderungen an die Mindestreserve mehr Liquidität bereitstellen, obwohl der Finanzierungsbedarf für 2020 bereits hoch war, bevor die Krankheit zuschlug.

Mit Blick auf verschiedene Sektoren glauben wir, dass Tourismus, Transportwesen, Offline-Einzelhandel und Offline-Glücksspiel wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Dagegen dürften der Gesundheitssektor, Online-Einzelhändler und Online-Glücksspiel dem Druck standhalten.

Der Immobiliensektor mag zwar in geringem Umfang betroffen sein, profitiert unserer Ansicht nach jedoch von seiner geografischen Diversifizierung und der geringen Exposition im Epizentrum des Virusausbruchs.

Ausgehend von den Entwicklungen in der SARS-Krise 2003 glauben wir, dass die Anleger die kurzfristige Volatilität überstehen und das Risiko über sichere Häfen wie US-Treasuries oder Gold absichern wollen. Der Wunsch, Barmittel zu investieren, sobald sich die Bewertungen verbessert haben, könnte jedoch zu einer "Schnäppchen"-Mentalität führen, da die Anleger einen guten Einstiegsmoment suchen, was auch eine Ausweitung der Kreditspreads verhindern könnte.“

11 Kommentare

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  • DayAfter
    DayAfter

    Alles viel zu optimistisch. China wird weit grössere Probleme bekommen. Die Firmenkredite Weltweit sind viel zu "rosig" bewertet. Eine Abstufung zum fairen Niveau dürfte einen Tsunami auslösen. Zum anderen steigen die Schuldenberge in den USA gewaltig an und die NB pumpt Geld in die Märkte als gäbe es kein Morgen. Die Bilanzen sind voll mit Risiko. Am Tag X wird die Welt erwachen, ich hoffe man sich soweit abgesichert.

    21:37 Uhr, 06.02. 2020
  • German2
    German2

    ca 200% Inflation seit 2009 ...unglaublich

    22:54 Uhr, 05.02. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • JürgenSK
    JürgenSK

    Ja, was die Zentralbanken kaufen wird wohl nicht ans Tageslicht kommen!!! Aber da hängt der Job der Banker dran, bricht der Markt total zusammen, brauchen wir die nicht mehr . :-) was für ein Betrugssystem. Einige grosse Firmen die in China produzieren , wie Adidas, Nike etc. haben schon gewarnt, Airbus Firma ist ja dort auch dicht...der Markt steigt natürlich :-)..klar, die Shorties auszahlen würde wohl zur Pleite mancher Emmis führen :-)

    22:20 Uhr, 05.02. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • German2
    German2

    die Gelddruckerei lässt die Märkte steigen..zahlen müssen den Spass die Bürger mit weiter steigender Inflation..mittlerweile sollte sie bei 6-7% p.a. liegen

    20:23 Uhr, 05.02. 2020
    1 Antwort anzeigen
  • creativo80
    creativo80

    stellt die Berichterstattung dazu ein, das Thema ist durch.

    19:32 Uhr, 05.02. 2020
  • Helmut56
    Helmut56

    Zur gegenwärtigen Euphorie vielleicht noch das:

    https://www.nau.ch/news/auslan...

    https://www.welt.de/vermischte...

    18:19 Uhr, 05.02. 2020
  • katzenfreund
    katzenfreund

    die virologische Einstufung des Virus steht noch am Anfang es soll mehrere Arten des Virus geben

    hier ist Abwarten angesagt bullish bearish ist jetzt nicht opportun

    15:22 Uhr, 05.02. 2020