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14:49 Uhr, 01.07.2022

Miserable Prognose bei Micron und die Folgen für Apple, Chefwechsel bei Pinterest – Wie geht’s weiter bei diesen Technologieaktien?

Monatelang hatten Experten behauptet, dass der Kurseinbruch bei US-Technologieaktien unberechtigt sei, weil deren Geschäft ganz gut laufe. Allerdings spiegelt die Talfahrt der Papiere nicht die aktuelle Geschäftsentwicklung, sondern vor allem die Erwartungen für die nächsten paar Quartale wider

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  • Micron Technology Inc.
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    Kursstand: 55,280 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Apple Inc.
    ISIN: US0378331005Kopiert
    Kursstand: 136,720 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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Und sie sind alles andere als schön, wie der sehr schlechte Ausblick des US-Speicherchipherstellers Micron Technology klar signalisiert. Schlimmer geht immer: So ergeht es den Aktionären von Micron Technology. Der US-Speicherchiphersteller hat zwar mit den Zahlen für das abgelaufene Quartal die Vorhersagen der Analysten erfüllt. Hingegen war die Prognose viel schwächer als die Finanzprofis prognostiziert hatten, was für weiteren Abwärtsdruck auf die Aktie sorgt. Dabei ist das Papier seit Jahresbeginn bereits um 42 Prozent nach unten gerauscht und liegt damit auf dem niedrigsten Niveau seit November 2020, also am 20-Monats-Tief Micron hat im per 2. Juni beendeten dritten Quartal des Geschäftsjahres 2021/22 den Umsatz um 16 Prozent auf 8,64 Mrd. Dollar gesteigert und damit die Erwartungen der Analysten getroffen. Das war allerdings das schwächste Wachstum seit mehr als einem Jahr. Zwar ist die bereinigte Bruttomarge von 42,9 Prozent auf 47,4 Prozent geklettert, allerdings lag sie leicht unter den Schätzungen von 47,9 Prozent. Dennoch ist der bereinigte Gewinn je Aktie auf 2,59 Dollar nach oben gesprungen und lag damit deutlich über den Erwartungen.

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Allerdings warnte Vorstandschef Sanjay Mehrotra, dass sich die Nachfrage aus den Bereichen PCs und Smartphones kräftig abgeschwächt habe, weshalb Micron mit einer deutlichen Drosselung der Produktion reagieren werde. So geht Mehrotra davon aus, dass die weltweiten Smartphone-Verkäufe im laufenden Kalenderjahr um rund fünf Prozent sinken werden. Hingegen hatten Analysten ursprünglich ein Wachstum in der gleichen Größenordnung vorhergesagt. Laut dem Vorstandschef entspricht das einer Produktionslücke von rund 130 Mio. Geräten. Seiner Einschätzung nach könnte zudem der PC-Absatz um 10 Prozent zurückgehen, was eine Differenz von rund 30 Mio. Geräten bedeute.

Kollabierende Nachfrage sorgt für Preisdruck

Daher prognostiziert der Konzern für das laufende Quartal einen Umsatz von lediglich 6,8 bis 7,6 Mrd. Dollar. Das liegt um mehr als 20 Prozent unter den Schätzungen der Analysten von 9,14 Mrd. Dollar. In der Mitte der Spanne lägen die Erlöse damit um herbe 13 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Gleichzeitig soll die bereinigte Bruttomarge auf nurmehr 41 bis 44 Prozent zurückgehen. Zudem werde der bereinigte Gewinn je Aktie lediglich 1,43 bis 1,83 Dollar erreichen. Die Mitte der Spanne liegt nicht nur um 36,6 Prozent unter den Schätzungen von 2,57 Dollar, sondern auch kräftig unter dem Vorjahreswert von 2,42 Dollar.

Die Prognose von Micron spiegelt also einmal mehr den üblichen Zyklus in der Speicherindustrie wider, im dem auf einen Boom ein herber Einbruch folgt. „Die Nachfrage in der Industrie hat sich zuletzt abgeschwächt und wir ergreifen Maßnahmen, um unser Produktionswachstum im Fiskaljahr 2023 zu dämpfen“, sagte Mehrotra. „Abgeschwächt?“ Ich würde eher sagen, die Nachfrage ist von der Klippe heruntergefallen.

Rezessionssorgen belasten US-Technologieaktien insgesamt

Nach dem katastrophalen Ausblick für das vierte Geschäftsquartal müssen Analysten ihre Gewinnschätzungen für das Fiskaljahr 2022/23 kräftig eindampfen, weshalb das KGV von 4,9 auf Basis der aktuellen Erwartungen kräftig steigen wird. In dem Umfeld sollte die Talfahrt der Aktie meiner Meinung nach klar weitergehen, zumal nicht absehbar ist, wo das Geschäft von Micron den Boden erreichen könnte. Schließlich zieht meiner Meinung nach eine Rezession in den USA mit großen Schritten herauf, womit das Risiko einer weltweiten Rezession rapide zunimmt.

Dass der Ausblick von Micron nichts Gutes für Apple und zahlreiche andere US-Technologiewerte bedeutet, sollte auch jedermann klar sein. Kein Wunder, dass die Aktie des iPhone-Herstellers nach einer kleinen Erholung zuletzt wieder nach unten gedreht ist. Ich habe oft gesagt und geschrieben, dass sich viele Verbraucher in einem Umfeld hoher Inflation bei gleichzeitig heraufziehender Rezession mit dem Kauf eines iPhones für 1.000 Dollar oder Euro kräftig zurückhalten dürften.

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Chefwechsel bei Pinterest

Für kurzes Aufsehen bei Investoren haben hingegen die Nachrichten von Pinterest gesorgt. Das soziale Netzwerk, das für seine Online-Pinnwand für Grafiken und Fotografien bekannt ist, hat am Mittwoch, 28. Juni angekündigt, dass Mitgründer und Vorstandschef Ben Silbermann einen Tag später sein Amt an den E-Commerce-Profi Bill Ready übergeben wird. Ready kommt von der Alphabet-Tochter Google, wo er in den vergangenen zwei Jahren das E-Commerce- und Zahlungsgeschäft geleitet hat. Davor hatte er verschiedene Führungspositionen bei PayPal inne, unter anderem war er für das operative Geschäft zuständig.

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Investoren gehen davon aus, dass sich Pinterest nach dem Wechsel an der Unternehmensspitze verstärkt auf das E-Commerce-Geschäft fokussieren wird, damit die Werbetreibenden auf der Plattform dort gleich ihre Produkte verkaufen können. Ready steht dabei vor einer Herkulesaufgabe, hat sich doch das Wachstum bei Pinterest in den vergangenen Quartalen stark abgeschwächt. Einerseits leidet der Konzern, der während der Corona-Pandemie geboomt hatte, darunter, dass sich aufgrund der zahlreichen Lockerungen der Maßnahmen viele aktive und potenzielle Pinterest-User anderen Aktivitäten zuwenden. Andererseits müssen die Unternehmen im Umfeld eines Materialmangels nicht mehr soviel Werbung machen wie zuvor, was das Geschäft des sozialen Netzwerks belastet.

Daher ist das Umsatzwachstum im ersten Quartal auf nurmehr 18 Prozent zurückgegangen, womit ein Erlös von 575 Mio. Dollar zu Buche stand. Wegen hoher Wachstumsinvestitionen ist der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um 8 Prozent auf 76,8 Mio. Dollar gesunken, womit die operative Marge von 17 auf 13 Prozent eingeknickt ist. Sorgen bereitet Anlegern zudem, dass die Zahl der monatlich aktiven User (Monthly Active Users, kurz MAU) um 9 Prozent auf 433 Mio. gesunken ist.

Hohe Abhängigkeit vom Heimatmarkt

Der Konzern hat für das zweite Quartal ein Umsatzwachstum von nurmehr 11 Prozent in Aussicht gestellt. Laut den aktuellen Schätzungen prognostizieren Analysten ein Plus von 10,4 Prozent auf 676,8 Mio. Dollar. Für das Gesamtjahr ist bislang ein Anstieg der bereinigten operativen Ausgaben um 35 bis 40 Prozent geplant, weil der Konzern weiter investieren will, gerade in den Mitarbeiteraufbau und das E-Commerce-Geschäft.

Mich würde es nicht wundern, wenn Pinterest auf die meiner Meinung nach schnell heraufziehende Rezession in den USA reagieren und kräftig auf die Ausgabenbremse treten würde – und das bei der Vorlage der Halbjahreszahlen ankündigen würde. Schließlich ist das Unternehmen enorm abhängig vom Heimatmarkt. So machten die Umsätze in der Region USA und Kanada im ersten Quartal mehr als 80 Prozent der Konzernerlöse aus. Dabei beläuft sich der durchschnittliche Umsatz je dortigem Kunden auf 4,98 Dollar aus, was meilenweit über dem konzernweiten Schnitt von 1,33 Dollar liegt.

Meiner Meinung nach sollte zudem die dramatische Talfahrt der vergangenen Monate weitergehen. Denn trotz des Kursrutsches liegt der Börsenwert immer noch bei herben 12,0 Mrd. Dollar, während gleichzeitig in einem Rezessionsumfeld die Gewinnschätzungen der Analysten für 2022 und 2023 deutlich zu hoch sein dürften. Zwar sagen die Finanzprofis für 2022 einen Einbruch des Gewinns vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf rund 225 Mio. Dollar vorher.

Hingegen soll es 2023 einen Sprung auf mehr als 380 Mio. Dollar geben. Selbst wenn diese Erwartungen erreicht werden sollten, was ich praktisch für ausgeschlossen halte, wäre Pinterest mit dem 31,5-Fachen des Ebits bewertet. Das ist meiner Meinung nach kolossal überbewertet. Bei der kleinsten Enttäuschung von Unternehmensseite drohen meiner Meinung weitere kräftige Kursverluste.

Glücklicherweise sind für nächste Woche keine Quartalszahlen von US-Technologiefirmen angesetzt. Da die Rezessionssorgen der Investoren aber weiterhin deutlich zunehmen sollten, sollte sich meiner Meinung nach – abgesehen von jederzeit möglichen technischen Erholungen - der Kurseinbruch bei vielen US-Techwerten ausweiten.

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