Kommentar
14:57 Uhr, 17.06.2019

Mietendeckel: Ökonomischer Unsinn made in Berlin

Fünf Jahre lang sollen die Mieten in Berlin nicht mehr steigen dürfen. Doch damit wird sich die Wohnungsnot nur noch mehr verschärfen. Statt die Gründe des Wohnraummangels zu bekämpfen, werden Symptome behandelt. Am Ende zahlen alle drauf: Mieter, Vermieter und der Staat.

Erwähnte Instrumente

  • Vonovia SE - WKN: A1ML7J - ISIN: DE000A1ML7J1
  • Deutsche Wohnen SE - WKN: A0HN5C - ISIN: DE000A0HN5C6 - Kurs: 37,030 € (XETRA)

Die Mieten in Deutschland sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Besonders stark waren die Steigerungen in den Metropolen und den wirtschaftlich erfolgreichen Ballungsgebieten. Also genau dort, wo es Arbeitsplätze gibt und wo es immer mehr Menschen, vor allem die jüngeren, hinzieht. Keine Frage: Der starke Anstieg bei den Mieten ist ein Problem – und zwar nicht nur für die Mieter, die sich keine Wohnung mehr leisten können, sondern auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und perspektivisch sogar für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Schließlich sind Unternehmen darauf angewiesen, dass die Arbeitnehmer auch zu akzeptablen Bedingungen dort leben können, wo es die Arbeitsplätze gibt.

Doch die steigenden Mieten sind eigentlich nur das Symptom einer zugrunde liegenden Erkrankung, nämlich der Wohnraumnot. Die unbequeme Wahrheit ist: In Deutschland wurde über Jahrzehnte zu wenig gebaut, ganz besonders in Innenstadtlagen und in wirtschaftlich erfolgreichen Regionen. Veraltete Bauvorschriften, fehlende steuerliche Anreize und falsche Prioritäten der Entscheidungsträger führten dazu. Noch vor wenigen Jahren waren Experten sogar der Meinung, in Zukunft werde in Deutschland nicht mehr, sondern weniger Wohnraum benötigt. Doch nicht nur die Zuwanderung, sondern auch veränderte Lebensgewohnheiten mit immer mehr Single-Haushalten führen dazu, dass diese Prognosen alle meilenweit daneben lagen. Seit einigen Jahren wird nun gegengesteuert. Aber obwohl nun deutlich mehr gebaut wird, wird immer noch weniger neuer Wohnraum geschaffen, als eigentlich benötigt wird.

In einer Marktwirtschaft ergeben sich die Preise aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Auch bei den Mieten ist das nicht anders. Wer einmal bei einer Wohnungsbesichtigung zum Beispiel in Berlin oder München war, der weiß aus erster Hand, dass sich der Wohnungsmarkt ganz offensichtlich in einer gewaltigen Schieflage befindet: Eine riesige Nachfrage trifft auf ein eher verhaltenes Angebot. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es allerdings kein Wunder, dass die Mieten stark steigen und sich viele Mieter marginalisiert fühlen. Der aktuelle Markt ist ein Verkäufermarkt: Da die Nachfrage deutlich größer ist als das Angebot, können Vermieter astronomische Mieten verlangen und sich auch sonst gegenüber den Mietern so einiges herausnehmen. Schließlich gibt es Mietinteressenten wie Sand am Meer, während der Wohnraum begrenzt ist.

Die Politik ist dringend gefordert, an der derzeitigen Situation etwas zu ändern. Doch die jetzt diskutierten Mietpreisdeckel sind der völlig falsche Ansatz, denn dadurch wird auch nicht auch nur eine zusätzliche Wohnung entstehen. Ganz im Gegenteil: Durch die Mietpreisdeckel wird vermieten tendenziell noch unattraktiver. Wohnungen dürften vermehrt verkauft und weniger vermietet werden. Gerade die Mieter mit geringem Einkommen dürften in die Röhre schauen, wenn nach Einführung eines Mietpreisdeckels plötzlich noch weniger Mietwohnungen zur Verfügung stehen. Können die Mieten nicht mehr angehoben werden, dürften außerdem dringend nötige Investitionen, zum Beispiel zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Anpassung der Wohnungen an den Bedarf in einer alternden Gesellschaft unterbleiben.

Der rot-rote Senat in Berlin will die Mieten in Berlin ab 2020 für fünf Jahre lang einfrieren. Zusätzlich soll es eine noch nicht genauer definierte "Mietobergrenze" geben, über der die Mieten nicht liegen dürfen. Für Sozialwohnungen und Neubauten bei der Erstvermietung soll der Mietendeckel nicht gelten. Die Aktien von börsennotierten Wohnimmobilienunternehmen, die viele Wohnungen in Berlin besitzen, sind seit Ankündigung der Pläne stark eingebrochen. Besonders stark betroffen waren die Aktien der Deutsche Wohnen, die nach Ankündigung der Pläne innerhalb von drei Handelstagen zeitweise um 19 Prozent einbrachen.

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In einer Marktwirtschaft sorgen steigende Preise normalerweise dafür, dass auch das Angebot steigt. Schließlich wird es attraktiver, das jeweilige Produkt anzubieten. Preisänderungen sorgen so mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ganz automatisch für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Doch auf dem Mietwohnungsmarkt funktioniert dieser Ausgleichsmechanismus offensichtlich nicht mehr richtig. Daran ist neben bürokratischen Hemmnissen auch die Tatsache schuld, dass der Bau von Wohnungen viel Kapital erfordert und sich nicht über Nacht bewerkstelligen lässt.

Ganz offensichtlich ist also auch der Staat gefordert. Neben einem umfangreichen Bürokratieabbau im Baubereich, der Förderung des privaten Wohungsbaus und viel schnelleren Genehmigungsverfahren sollten auch Bund, Länder und Kommunen selbst aktiv werden und für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. Angesichts rekordniedriger Zinsen würde sich dies sogar für den Staat lohnen: Der Bund kann sich aktuell zu einem Zinssatz von minus 0,24 Prozent für zehn Jahre verschulden. Leiht sich der Bund also Geld, so verdient er aktuell sogar daran.

Der Staat könnte also ohne Probleme ein Programm zur Schaffung von Wohnraum im hohen zweistelligen Milliardenbereich auflegen und so die Wohnraumnot in den deutschen Ballungsgebieten in den Griff bekommen. Da die Finanzierung zu Negativzinsen erfolgen könnte, würde der deutsche Staat sogar prächtig daran verdienen. Was fehlt, ist allerdings der politische Wille und der Mut, den fiskalischen Spielraum, der sich dem deutschen Staat angesichts von Negativzinsen aktuell bietet, auch tatsächlich zu nutzen.

Ein bezahlbares Dach über dem Kopf gehört genau wie Nahrung zu den Grundbedürfnissen der Menschen. In einem reichen Land wie Deutschland stellt es kein Problem dar, dieses Grundbedürfnis für alle zu befriedigen. Ökonomischer Unsinn wie Mietpreisdeckel helfen allerdings niemandem, sondern sind sogar kontraproduktiv. Statt an den Symptomen, den steigenden Mieten, herumzudoktern, sollte sich der Staat auf die eigentliche Ursache und deren Bekämpfung konzentrieren.


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38 Kommentare

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  • shark
    shark

    Zunächst ist einmal die Frage zu stellen ,wer ist verantwortlich für diese Entwicklung am Wohnungsmarkt oder war sie evt sogar gewollt

    Kohl hat dieAufgabe des sozialen Wwohnungsbaues eingeleitet,mit dem Verkauf von über

    200 000 Wohnungen der Bahn,andere folgten Bayern zuletzt mit dem Verkauf von ca35 000 Wohnungen .DieVolksparteien haben auch dies zu verantworten und wenn man dann noch über 2 Mio z.T.illegale Einwanderer ins Land holt,muss man sich nicht wundern

    Grundsätzlich bin ich für ein Grundrecht auf Wohnen und dies hat der Staat zu garantieren ,derbisher versagte .

    Ergänzend möchte ich noch darauf verweisen ,dass die deutsche Bauindustrie sytsematisch kaputt geamacht wurde-und heute die Kapazitäten im Inland fehlen

    10:35 Uhr, 18.06.2019
    1 Antwort anzeigen
  • JürgenSK
    JürgenSK

    Zunehmend wird doch alles immer verrückter..ein Systemzusammenbruch wäre das Beste was passieren kann, viele Spekulanten würden alles verlieren, da Banken nicht mehr auszahlen können. Es würde alles gesunden, wenn auch unter sehr grossen Opfern .......den Zyklen nach müsste es 2022-25 passieren....

    10:28 Uhr, 18.06.2019
  • JürgenSK
    JürgenSK

    war schön zu sehen, wie die als so sicher geltenden Immo-Firmen mal etwas gestutzt wurden :-). Wohn eigentum zur Vermietung sollte verboten werden. Jeder soll sein Eigentum bewohnen, nicht mehr und nicht weniger.....ansonsten soll der Staat über den Rest der Wohnungen verfügen...

    10:26 Uhr, 18.06.2019
  • Dragoslav
    Dragoslav

    Dem letzten Satz ist nichts hinzuzufügen! Nur dass es mit dem Erkennen (wollen) (dürfen) etwas hapert, in diesem Land.

    20:49 Uhr, 17.06.2019
  • Dragoslav
    Dragoslav

    Die steigenden Mietpreise haben Ursachen. Erstens die Geldflut, zweitens die Migrantenflut. Beide Ursachen hatten im Vorhinein genau diese absehbare Wirkung. Wenn jetzt versucht wird, dem mit Preisbremsen entgegen zu wirken, zeigt das nur nochmals überdeutlich die Inkompetenz und/oder den mangelnden Handlungswillen der Verantwortlichen auf. Gegen steigende Preise helfen nur steigende Preise.

    20:10 Uhr, 17.06.2019
    2 Antworten anzeigen
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Und als "sprachlich behinderter" Schwabe hab ich schon den Kofferraumdeckel in der Betriebsanleitung vom Auto (vergeblich) gesucht

    19:19 Uhr, 17.06.2019
    1 Antwort anzeigen
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Der Bierdeckel war ja auch net gewollt.

    19:15 Uhr, 17.06.2019
  • G3ckOoo
    G3ckOoo

    Erst kippt man mit der Schubkarre das Geld in den Markt, und anschließend wundert man sich, dass die Immobilierenpreise und daran gekoppelt die Mieten explodieren. Mietpreisbremse und Deckelung der Mieten ist der größte Witz und Irrsinn dieser Politiker.

    Wie der Mindestlohn. Da denkt auch keiner mal daran ob es nicht vielleicht sinnvoll wäre auch mal die andere Richtung zu deckeln. Schon ok, dass sich das Vermögen so stark konzentriert wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Das 8 Menschen soviel besitzen wie die ärmere Hälfte der Menschheit, das wirkt sich auch bestimmt nicht auf andere Bereiche aus...

    19:01 Uhr, 17.06.2019
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Der Mangel muß ordentlich verwaltet werden

    18:51 Uhr, 17.06.2019
  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn Chefredakteur

    Unabhängig von der Finanzierung: Im Moment gibt es einen wirklich massiven Mangel an Kapazitäten im Bau.
    Und in München kannst durch kaum noch eine Straße fahren, in der nicht gebaut wird :)

    16:03 Uhr, 17.06.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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