Kommentar
16:00 Uhr, 23.10.2009

Kommt jetzt der Crash oder doch nicht?

Es gibt meiner Meinung nach grundlegend zwei Möglichkeiten, wie es jetzt weiter gehen kann: Wir bekommen keinen deutlichen Rücksetzer mehr, oder es kommt ein deutlicher Rücksetzer.

Was mich zu erster Variante neigen lässt, ist zum einen das, was mein Kollege André Tiedje "bewusstseinsverändernde Welle" nennt, in der es immer schwieriger wird, eine klar bärische Meinung zu vertreten. Zum anderen aber auch die Tatsache, dass die Verluste im US-Finanzsektor, die durch das Platzen der Immobilienspekulationsblase entstanden sind, einfach versteckt werden. Kaum verwunderlich dass mit der Änderung der FASB-Bilanzierungsänderungen Ende März auch die Rally an den Aktienmärkten begann. Denn diese Änderung ermöglicht es Finanzinstituten und Banken in den USA, ihre toxischen Aktiva zu Preisen zu verkaufen, die sie nicht mehr nach Marktpreisen, sondern eigenen Berechnungsmodellen festlegen können. Das Fed kauft die Papiere dann zu diesen neuen Preisen auf, und die Banken haben wieder Kapital.

Sie wissen aber auch: Sie sind quasi pleite, würde es diese neue Bilanzrichtlinie nicht geben. Das ist wiederum der Grund, warum die Kreditvergabe nur schleppend (manche Marktbeobachter meinen: garnicht) anläuft. Ein Institut, das pleite ist, will keine Kredite vergeben.

Die zweite Variante knüpft an die Tatsache an, dass durch dieses Verstecken der Verluste nichts besser wird, außer dass Preise von Aktiva wie Aktien und Rohstoffen, allen voran aber die wichtigen Immobilienpreise stabilisiert und nach oben getrieben werden. Das alles aber auf Basis der sehr spekulativen Annahme, dass der Markt für toxische Wertpapiere irgendwann mal wieder in Gang kommt, und ausreichend hohe Marktpreise ermöglicht, dass wieder auf das realistische "mark-to-market"-Verfahren umgestellt werden kann.

Ob der Crash kommt oder nicht - in beiden Fällen rechne ich im Anschluss mit einem massiven Anstieg bei Aktien und Rohstoffen.

Kurz- bis mittelfristig gilt es aber das Risiko einer Rally beim Dollar und einer daraus folgenden Verknappung der Liquidität einzukalkulieren - und das trotz oder gerade wegen des negativen Sentiments um die US-Währung. Steigt der Dollar zu stark, muss der Dollar Carry Trade abgewickelt werden, was massive Verkäufe bei Aktien und Rohstoffen zur Folge hätte.
Denn die laufende Rally speist sich aus dem Dollar Carry Trade (mehr dazu erfahren Sie im "Godmode-Trader.de Forex Trading eBook", das Mitte nächster Woche unter diesem Link kostenlos heruntergeladen werden kann).

Insofern kommt dem US-Dollar bei der ganzen Rohstoff-Thematik in den nächsten Jahren eine wachsende Bedeutung zu. Langfristig (Zeithorizont fünf oder mehr Jahre) sehe ich aber kaum eine Aufwertung des US-Dollars, sondern über diesen Zeitraum einen weiteren kontrollierten Rückzug des Greenback.

Ein mögliches kurzes Intermezzo einer Dollarrally, wie es kurz- bis mittelfristig möglich ist, würde ich daher im langfristigen Kontext nicht überbewerten.

Es gilt für mich weiterhin: Das Thema Rohstoffe ein langfristiges, das weiter gefragt sein wird. Wir leben in einer Welt, in der ein exponential wachsendes monetäres System auf eine begrenzte Menge von Rohstoffen und Naturressourcen trifft. Die Weltmeere sind leergefischt, die Debatte um Peak Oil gewinnt an Bedeutung, die Weltbevölkerung wird sich bis 2050 noch einmal fast verdoppeln. Man kann es auch anders ausdrücken:

Was wir in den nächsten Jahren unabhängig von der wirtschaftlichen Situation sehen werden, ist ein Handelskrieg um Rohstoffe.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass Rohstoffe wie die Edel- oder Basismetalle als Ersatzwährung und sicherer Hafen gesehen werden. Geld, geschaffen aus Luft, trifft auf reale Güter und fragt diese nach. In der realen Wirtschaft spielt vor allem China und der asiatische Raum auf der Nachfrageseite eine Rolle.

Auf mögliche zwischenzeitliche, auch massive Kapriolen, ausgelöst durch monetäre Ungleichgewichte durch Verwerfungen an den Devisenmärkten, sollten Sie sich vorbereiten.

Den neuen Rohstoff-Report kennen Sie wahrscheinlich noch garnicht. Abonnieren Sie den Rohstoff-Report kostenlos unter www.rohstoff-report.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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