Fundamentale Nachricht
11:12 Uhr, 07.12.2021

Mehr Impfungen notwendig

Damit sich die Aussichten für Risikoanlagen verbessern, braucht es laut Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers, Anfang 2022 einen massiven Schub bei den Impfraten in den Schwellenländern.

Nicht mehr „vorübergehend“

Die aktuelle Konsensprognose der Volkswirte für die monatliche Veränderung des US- Verbraucherpreisindex im November liegt laut Bloomberg bei 0,7 Prozent. Dies entspräche einer Inflationsrate von 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und würde mehr oder weniger sicherstellen, dass die Gesamtinflation in den USA auch Anfang 2022 über sechs Prozent liegt. Die sinkenden Ölpreise werden dazu beitragen, die Gesamtinflation zu senken. Dennoch dürften die Zahlen bestätigen, dass es notwendig ist, das Wort „vorübergehend“ zu streichen – wie Jerome Powell, Vorsitzender der Federal Reserve (Fed), vergangene Woche vorgeschlagen hat. Alles in allem wird die jährliche Inflationsrate im kommenden Jahr zwar sinken, aber sie dürfte in den kommenden zwölf Monaten die meiste Zeit bei mindestens vier Prozent bleiben. Die Inflation und ihre Folgen für Zinsen, Anleiherenditen und die Aktienbewertung werden für Anleger ein Hauptthema bleiben. Die erwarteten Renditen der einzelnen Anleihen sehen überwiegend nicht so aus, als würden sie zur voraussichtlichen Inflation im kommenden Jahr passen. Inflationsgebundene Anleihen oder höher verzinste Titel bleiben nach wie vor die beste Wahl.

Gegenwind

Zinsen und Inflation sind zwei der Faktoren, die den Anlegern zu schaffen machen. Ein weiterer ist die Omikron-Variante, die das Potenzial hat, die wirtschaftliche Aktivität erneut weitgehend zu stören. Die Aktienmarktvolatilität hat auf die Ankündigung neuer Reisebeschränkungen und sozialer Distanzierung in aller Welt reagiert, und es könnte noch schlimmer werden, bevor es besser wird. Die Kombination aus schwächerem Wachstum und höherer Inflation erfordert höhere Risikoprämien in allen Anlageklassen.

Mean Reversion – Umkehr zum Mittelwert

Die Marktentwicklung in diesem Jahr hat die reflationäre Phase widergespiegelt, die die Weltwirtschaft durchlaufen hat. Am besten schnitten Aktienanlagen mit hohem Beta ab, während Anleihen mit langer Duration, deren Renditeprofil am empfindlichsten auf Veränderungen bei den Zinserwartungen reagiert, insgesamt am schlechtesten abschnitten. Die Differenz in der Gesamtrendite zwischen dem S&P Growth Index und dem US-Treasury 10-yr plus Index lag bei 30 Prozent. Die Geschichte legt jedoch nahe, dass der Abstand im kommenden Jahr nicht so groß sein wird – es könnte eine gewisse Umkehr zum Mittelwert bei den relativen Renditen geben. Wir haben immer betont, dass die Renditen von Anleihen mit langer Laufzeit und die Renditen von Risikoanlagen negativ korreliert sind, wenn es darauf ankommt. Ein ausgewogener Anleihen-Aktien-Ansatz könnte sich im kommenden Jahr lohnen. Wenn man diese beiden repräsentativen Indizes heranzieht, wurden negative Aktienrenditen in den vergangenen 25 Jahren jedes Jahr durch positive Anleiherenditen ausgeglichen.

Defensive Optionen

Wer Bedenken hat, dass 2022 weniger positiv ausfallen könnte, für den gibt es viele defensive Optionen. Variabel verzinste Anleihen und Anleihen mit kurzer Duration haben ein geringes Abwärtsrisiko, selbst wenn sie wie forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset-Backed Securities) und besicherte Darlehensverpflichtungen (Collateralised Loan Obligations, CLOs) stark kreditbeladen sind. Das Ausfallrisiko bleibt unserer Meinung nach gering, aber bei langlaufenden Titeln aus dem Unternehmensanleihebereich könnte die Überrendite, die der Credit-Spread bietet, nicht ausreichen, wenn die Durationskomponente der Rendite weiter volatil ist. Die Renditen von Investment-Grade-Unternehmensanleihen sind in diesem Jahr im Wesentlichen unverändert geblieben, und wir können uns nicht vorstellen, dass sich das ändert. Es sei denn, die risikofreien Renditen gehen stark zurück.

COP26 und Klimarisiken

Ein anderes Thema ist die Reaktion auf den Klimawandel, die für Anleger immer wichtiger werden wird. COP26 hat zwar viel Positives gebracht, doch die wichtigste Erkenntnis ist: Es gibt keine Garantie dafür, dass die Welt den Anstieg der atmosphärischen Temperaturen bis 2050 auf über 1,5 Grad Celsius begrenzen kann. Daher werden sowohl physische als auch Übergangsrisiken für Unternehmen und Investoren an Bedeutung gewinnen. Wenn wir weit vom Höhepunkt der globalen Erwärmung entfernt sind, werden extreme Wetterereignisse und Umweltkatastrophen wahrscheinlich häufiger auftreten. Anleger sind den Verlusten, die sich aus diesen Ereignissen ergeben und die sich auf die Unternehmen auswirken, ausgesetzt. Zudem werden die Übergangsrisiken zunehmen, da wir uns noch nicht auf dem richtigen Weg befinden.

Bepreisung von Risiken

Es wird immer üblicher und glaubwürdiger, diese Klimarisiken zu identifizieren und ihnen einen Preis zu geben. Eine breitere Anwendung der Kohlenstoffbepreisung würde in dieser Hinsicht helfen, aber Bewertungsmodelle können verschiedene CO2-Preisszenarien einbeziehen, um den potenziellen Value-at-risk zu bewerten. Es macht Sinn, dass Anleger eine höhere potenzielle Rendite bei Vermögenswerten anstreben, die einem stärkeren physischen oder Übergangsrisiko ausgesetzt sind. Das könnte noch deutlicher werden, wenn mehr Anleger in grüne und weniger in braune Assets investieren. Die aktiveren und stärker fokussierten Klimastrategien werden auch einen Übergangspfad einbeziehen, so dass Klarheit über die künftigen Emissionen und damit über die mit den Unternehmen in einem Portfolio verbundenen Risiken besteht.

Bereiten Sie sich vor

Diversifizierung und das Management des Kohlenstoffrisikos sollten zwei Grundsätze für Investitionen in den kommenden Jahren sein. Es braucht zudem Schutz für den Fall, dass die Inflation höher ausfällt und folglich die realen Renditen erodieren, sowie vor einer möglichen politisch bedingten Neubewertung von Vermögenswerten. Während sich die Angebotsprobleme möglicherweise abschwächen, könnte die Energiewende weiter zu weiteren Inflationsschüben führen. Kurzfristige Inflationsstrategien bleiben in dieser Hinsicht eine attraktive Option. Soweit es den Growth-Bereich betrifft, werden erneuerbare Energien und klimabezogene Technologien sowie ein breites Engagement im Bereich digitaler Trends für längerfristiges Wachstum sorgen. Auf regionaler Ebene ist Europa weniger durch die endemische Inflation und die Straffung der Geldpolitik gefährdet als die USA. Und auf der Aktienseite haben europäische Aktien gewiss einen Bewertungsvorteil. Schließlich könnte der Value Trade im kommenden Jahr von einer Erholung bei asiatischen Vermögenswerten getragen werden.

Mehr Impfungen überall

Die optimistischste Entwicklung im Jahr 2022 wäre etwas, das ein Ende der Pandemie in Sicht bringt. Die Impfraten in den Schwellenländern müssen deutlich erhöht werden, um zu verhindern, dass sich weitere Mutationen ausbreiten. Es gibt nur sehr wenige Länder, in denen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind. Noch beunruhigender ist, dass in vielen Schwellenländern die Impfrate weit unter 50 Prozent liegt – darunter laut den Daten von „Our World in Data“ bevölkerungsreiche Länder wie Indonesien (35,3 Prozent), Russland (39,6 Prozent) und Südafrika (24,65 Prozent). Es stimmt nachdenklich, dass eine internationale Zusammenarbeit zur Bewältigung des Klimawandels möglich ist, während es ein kollektives Versagen bei der Bewältigung von etwas gibt, gegen das wir bereits die nötigen Mittel und die Erfahrung haben. Wenn sich das nicht ändert, wird es weitere Krankheitswellen geben, weitere Beeinträchtigungen des Welthandels und der Wirtschaftsaktivität sowie ein zunehmendes Stagflationsrisiko. Das wäre extrem schlecht für die Anlagerenditen. Der Durchbruch bei der Impfstoffentwicklung 2020 war ein wichtiger Impuls für die Märkte – im kommenden Jahr müssen wir echte Fortschritte bei der Verbreitung von Impfstoffen verzeichnen, um globale Immunität zu erreichen und zu einer echten, ausgeglicheneren Ausdehnung des globalen Wohlstands zu kommen.

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