Markterholung voraus?
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Die Volatilität an den Märkten ist hoch. Für langfristig ausgerichtete Anleger ist es deshalb hilfreich, einen Rahmen zu haben. Unser Fokus liegt dabei auf den Märkten und nicht auf einzelnen Aktien oder Anleihen. Es geht also um einen Top-Down-Ansatz, mit dem man versucht, die Triebkräfte und die erwarteten Renditen der wichtigsten Anlageklassen und der Märkte innerhalb dieser Assetklassen zu verstehen. Der Ausgangspunkt ist folglich der makroökonomische Ausblick. Wenn die Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts nach unten korrigiert werden, wie es derzeit der Fall ist, dann werden die Aktienanalysten auch ihre Erwartungen für die künftigen Gewinne pro Aktie (Earnings per share, EPS) reduzieren. Die erwartete Reaktion der Märkte ist dann eine Abwärtsbewegung bei den Aktien. Doch selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, müssen die makroökonomischen Erwartungen eingepreist werden. Ähnlich verhält es sich mit den politischen Erwartungen.
Senkung der Wachstumsprognosen
Das aktuelle makroökonomische Umfeld ist schwierig, die Wachstumsprognosen werden gesenkt und zum Teil wird in Analysen erstmals das Wort Rezession erwähnt. Auch auf der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) letzte Woche wurde die offizielle Reduzierung der Wachstumsprognose hervorgehoben. Die Federal Reserve (Fed) dürfte in dieser Woche das Gleiche tun. Manche Marktkommentatoren bezeichnen dies bereits als „Stagflation“. Es bedeutet, dass die Notenbanken in ihrer Fähigkeit, „zur Rettung zu eilen“, eingeschränkt sind. Angesichts einer so hohen Inflation macht es für Europa keinen Sinn, einen Leitzins von -0,5 Prozent zu haben. Die EZB muss und wird die Zinsen anheben. Soweit es die Fed betrifft, ist sie noch entschlossener, ihre Politik zu normalisieren. Interessanterweise beginnen die Märkte für die zweite Jahreshälfte 2023 Zinssenkungen einzupreisen. Dies ändert jedoch nichts an der Erwartung, dass die Zinsen im Vorfeld steigen werden. Natürlich sind die Bedingungen für das Wachstum in den USA nicht mehr so stark wie 2020 und 2021, aber die Überwindung von COVID-19 bringt immer noch eine gewisse Dynamik mit sich. Abgesehen von den globalen Ereignissen bezweifeln wir, dass die USA in eine Rezession geraten, wenn die Fed die Zinsen in dem derzeit eingepreisten Umfang anhebt.
Energiepreisschock wird zum Problem
Die Folgen des Energieschocks werden weltweit zu spüren sein. Es wird einige negative Wohlstandseffekte am Rande geben. Anlageentscheidungen könnten aufgeschoben werden, bis die geopolitischen Aussichten klarer werden. Die Unterbrechung der Lieferkette könnte ein Problem bleiben – insbesondere für europäische Energie- und Rohstoffimporteure. Die Investmentaussichten bleiben schlecht und es besteht die Tendenz zu glauben, dass dies anhalten wird, vor allem ohne den Notenbank-Put.
Märkte haben Rezession teils eingepreist
Allerdings ist die Bewertung der globalen Aktienmärkte bereits in einem Ausmaß gesunken, das mit früheren Rezessionen vergleichbar ist. Die gestiegenen Credit Spreads weisen auf Stress bei den Unternehmen hin, auch wenn sie noch nicht auf Krisenniveau sind. An den Zinsmärkten sind die Renditekurven in einer Weise flach, die auf eine Rezession hindeutet. All diese Bewegungen könnten sich kurzfristig ausweiten, wenn sich die makroökonomischen Daten negativ entwickeln.
Boden an den Aktienmärkten noch nicht erreicht
Vor kurzem haben wir darauf hingewiesen, dass Aktien wohl wieder fair bewertet sind oder in vielen Fällen unter ihrem fairen Niveau liegen. Die USA bleiben am höchsten bewertet, aber seit dem Höchststand Mitte 2020 sind die Forward-Gewinn-Multiples um über vier Punkte gesunken. Möglicherweise ist das Abwärtspotenzial noch höher, insbesondere wenn die EPS-Prognosen gesenkt werden und/oder der risikofreie Zins deutlich über das aktuelle Niveau von 2 Prozent steigt. Um eine Bewegung vom Höchst- zum Tiefstand zu sehen, der dem Anfang der 2000er Jahre (Dot.com) und dem Zeitraum 2007 bis 2008 (Finanzkrise) entspricht, müssten die Anleiherenditen bei 2,5 Prozent oder darüber liegen und die Schätzungen für die EPS beim S&P 500 um weitere 10 Prozent sinken.
Luft nach oben
In Anbetracht dessen ist es vielleicht noch zu früh, um Entwarnung bei Aktien zu geben. Ein Ende des Krieges würde das makroökonomische Bild und die Stimmung aber erheblich verbessern. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, müssen wir die Lücke zu üblichen Bärenmärkten im Auge behalten. Anders bei Unternehmensanleihen, die Spreads haben sich in den vergangenen Monaten erheblich ausgeweitet. Gegenüber Staatsanleihen haben sich Credits aus dem Investment-Grade-Bereich um etwa 2,5 Prozent schlechter entwickelt, US-Hochzinsanleihen um 2 Prozent und europäische Hochzinsanleihen um 3,5 Prozent. In diesen höheren Spreads spiegeln sich Rezession oder niedriges Wachstum und die Erwartung steigender Ausfallraten wider. Wenn man sich die aktuellen „Break-even-Spreads“ anschaut – die Anzahl der Basispunkte, um die sich die Spreads von hier aus ausweiten müssten, um sich schlechter zu entwickeln als die entsprechende Benchmark für Staatsanleihen –, dann befinden sie sich heute auf Niveaus, die in der Vergangenheit zu einer deutlichen positiven Überschussrendite im Folgejahr geführt haben (was bedeutet, dass Unternehmensanleihen besser abschneiden als Staatsanleihen). Dies gilt sowohl für Investment Grade als auch für High Yield. Kurzfristig mag es schmerzhaft sein, aber die Spreads von Unternehmensanleihen deuten einen frühen Einstiegspunkt an.
Überprüfung des Zentralbank-Puts
Eine vollständige Umkehr der von den Zentralbanken in der QE-Ära angehäuften Schulden ist unrealistisch, wenn das globale Wachstum zurückgeht. Die langfristigen realen Zinssätze werden deshalb wohl nicht ganz auf das Niveau vor der großen Finanzkrise steigen. Das könnte letztlich bedeuten, dass der Zentralbank-Put immer noch Bestand hat und dass die Performance von Aktien und Credits nicht die Tiefen der Bärenmärkte der Vergangenheit ausloten wird.
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