Kommentar
09:14 Uhr, 04.08.2017

Lieber Alan Greenspan, die Blase ist bereits geplatzt

Alan Greenspan war als Chef der US-Notenbank lange Zeit einer der wichtigsten Männer der Welt. Jetzt ist er es nicht mehr, macht sich aber wichtig.

Greenspan hat während seiner Amtszeit von 1987 bis 2006 die Welt so geprägt wie wohl kaum ein anderer. Durch seine Niedrigzinspolitik hat er – so vermutet man – maßgeblich zur globalen Finanzkrise beigetragen. Ausbaden mussten und müssen sie noch immer andere.

Greenspan ist aber noch für andere Dinge bekannt. Er führte das „Fed-Sprech“ ein. Es steht für eine verklausulierte Sprache, deren Inhalt sich kaum erschließt. Mit viel Mühe und Interpretation hat man Chancen, eventuell den Sinn und die Richtung zu erkennen. Seine Nachfolger haben sich inzwischen ein wenig von dieser Sprache gelöst, doch im Zweifelsfall verschleiert man den Inhalt immer noch in Unkenntlichkeit.

Bewundert wird der Ex-Notenbanker vor allem wegen seiner unglaublichen Weitsicht, die er 1996 übte. Damals sprach er von einer irrationalen Übertreibung an den Aktienmärkten. Es dauerte dann noch vier Jahre, bis die Blase platzte, aber sie platzte. Auch heute noch feiert man ihn für die damalige Erkenntnis.

Jetzt hat Greenspan wieder so eine Erkenntnis: Zinsen. Die Zinsen sind zu niedrig. Da Zinsen und Anleihepreise konträr zueinander verlaufen (niedrige Zinsen entsprechen hohen Preisen, Grafik 1), bedeutet dies, dass die Preise von Anleihen zu hoch sind. Die Zinsen sind niedrig, keine Frage, aber sind sie zu niedrig? Sind sie gar so niedrig, dass man von einer Blase sprechen muss?

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Das liegt wohl im Auge des Betrachters. Wenn man sich die Entwicklung ansieht, die seit Jahrzehnten anhält, kann man lediglich erkennen, dass es sich um eine sehr „gemütliche“ Blase handelt. Die Preise, in der Grafik anhand der T-Note Futures dargestellt, haben sich auf Sicht von 35 Jahren verdoppelt. Da hatte wirklich keiner Stress...

Wenn man von einer Blase spricht, die irgendwann platzt, dann handelt es sich um übertriebene Preise, die entstanden sind, weil ab einem bestimmten Zeitpunkt alle jenseits jeglicher Vernunft gekauft haben. Hört der Nachschub an Käufern irgendwann auf, implodiert das Ganze. Das setzt aber voraus, dass es vor der Implosion auch eine Explosion gab, also schnell ansteigende Preise.

Das kann man selbst bei übertriebener Fantasie nicht erkennen. Der Preis der Anleihen ist langsam wie eine Schnecke gestiegen. Zugegeben, das dauert nun schon 35 Jahre lang und auch Schnecken legen in so einer Zeit eine große Strecke zurück. Doch reicht das, um von einer Blase zu sprechen. Meiner Meinung nach nicht.

Hätten sich die Preise innerhalb von kurzer Zeit, z.B. wenigen Jahren, verdoppelt, sähe die Sachlage anders aus. Wenn man die Entwicklung einer Blase mit der der Treasuries vergleicht (Grafik 2), sieht man wie sich eine Blase entwickelt. Anleihen haben damit nichts, aber auch gar nichts gemein.

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Das gilt insbesondere für US-Anleihen. In anderen Märkten sieht die Sachlage ganz anders aus. Als Ende 2015 die große Panik ausbrach, konnte man in den letzten Zügen des Bond-Bullenmarktes mit langweiligen 40-jährigen japanischen Anleihen 50 % Gewinn einfahren. So bildet sich eine Blase!

Diese Blase ist geplatzt. Das gilt für Japan und für einige europäische Märkte wie Großbritannien. Was ist geschehen? Nichts. Die Blase, die platzen konnte, ist bereits geplatzt. In den USA sehe ich keine Blase.

Lesen Sie auch: Steigende Zinsen könnten zu Aktien-Crash führen

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5 Kommentare

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  • Morningstar
    Morningstar

    Kurzfristige Anleihen in Europa notieren unter 0%, diverse Corporate Junk Bonds in EU werfen weniger Rendite ab als 10Y Treasuries, BoJ sitzt auf einem Berg Anleihen der größer ist als das BIP Japans , die 3 großen ZB haben eine Bilanzsumme von über 10Bio € und wir haben keine Blase? Wir haben die größte Kapitalfehlallokation aller Zeiten. Die Aktienindices werden meist nur von wenigen Aktien nach oben gehievt und suggerieren einen boomenden Aktienmarkt. Mal den Vorhang beiseite schieben, dann erscheint manch Erschreckendes. Und wenn die EZB alles an Bonds leergekauft hat und wir immer noch keine Inflation haben, kaufen wir ETFs und rechnen uns alle reich und haben immer noch keine Blase....

    15:27 Uhr, 04.08.2017
  • tschak
    tschak

    Es ist ein trauriges Kapitel unserer globalen Finanzgeschichte. Dieser eine Mann hat uns im Zeitraum 1990 bis 20xy nicht gut getan. Er hat den Weg geebnet für die Real-Estate Bubble 2008 und greedy waters von 1995 bis 2007 !! Danke ALAN - lass uns bitte in Ruh' Du hast es versaut !

    10:09 Uhr, 04.08.2017
  • rex007
    rex007

    Nun ja, man kann dieser Argumentation gut folgen. Aber wenn man eine "Blase" mit dem Aufblasen eines Ballons vergleicht... kann man bis zum Platzen schnell aufblasen, aber auch langsam... Der Anleihen-Ballon scheint jedenfalls hautnah bis zum Platzen gefüllt, denn ein weiteres Anschwellen ist ja kaum möglich, weil ja die Zinsen dann (immer mehr) negativ werden. Der prall gefüllte Ballon könnte aber tatsächlich platzen, wenn irgendeines der großen BIP-Länder ins Gerede kommt, die Anleihen in Panik verkauft werden - und die Märkte der anderen Länder mit in die Tiefe gerissen werden. Und die Notenbanken die platzenden Ballons nicht flicken können.
    Bei den Atom-Meilern war einst "Berstschutz" ein wichtiges Thema. Der würde hier wohl darin bestehen, wieder Billionen von Dollars aus dem Ärmel zu zaubern. Wäre natürlich möglich. Aber wie lange kann man das immer wieder machen, ohne dass irgendwann eine Art "atomare" Finanzbombe explodiert, eine galoppierende, explodierende Inflation?

    09:50 Uhr, 04.08.2017
    1 Antwort anzeigen
  • agnostika
    agnostika

    Naja, ich stimme Herrn Schmale ja sehr oft zu und schätze sein Denken abseits des Mainstream, aber der Artikel ist zumindest unpräzise.

    "Diese Blase ist geplatzt. Das gilt für Japan und für einige europäische Märkte wie Großbritannien. Was ist geschehen? Nichts. Die Blase, die platzen konnte, ist bereits geplatzt."

    Ohne um die letzte Nachkommastelle zu streiten: BUND 10 Jahre bei 0,5% = 200er KGV. Italienische Anleihen 10 Jahre bei knapp 2% = 50er KGV. Das ist alles sehr sehr sportlich bewertet und bietet jede Menge cliff bzw. event risk. Also die Blase in Europa am Rentenmarkt, die schon geplatzt sein soll, sehe ich noch durchaus intakt. Anderer Fall in Japan, dort hat die Zentralbank den Markt abgeschafft und diktatorisch bestimmt, dass Zinsen 10 Jahre bei Null zu liegen haben - ergo kann man nicht mehr von Bewertung und/oder Blase sprechen.

    09:36 Uhr, 04.08.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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