Kommentar
11:38 Uhr, 13.05.2011

Lasst Pleiten endlich zu!

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Europa und der Rest der Welt stehen am Scheideweg. Wenn wir das kapitalistische System retten wollen, das quasi alleiniger Grund für unseren Wohlstand ist, dann müssen wir auch den im Kapitalismus beheimateten Säuberungsmechanismus zulassen. „Schlechte Schulden“ müssen vernichtet werden. Schumpeters schöpferische Zerstörung mag nur auf Unternehmensebene erdacht worden sein, sie hat ihre Berechtigung jedoch auch auch in der Makroökonomie.

Gehen wir ohne große Umschweife nach Griechenland. Mir ist es völlig egal wie oft noch wiederholt wird, dass diese und jene Hilfs-Maßnahme alternativlos sei – es zeigt mir nur die chronische Beschränktheit derer, die so argumentieren (in Wahrheit manipulieren sie uns damit einfach nur gezielt). Ich will nicht, dass deutsches Geld nach Griechenland fließt, da ich weiß: es kommt nicht mehr zurück! Ich würde nicht mal meinen Nachbarn Geld leihen, ich leihe sogar Freunden ungern Geld, weil ich weiß es ist immer ein Kampf es zurückzukriegen. Aber wenn ich es verleihen würde, dann wäre es meine Entscheidung, ich müsste dann geradestehen wenn es nicht klappt. Unsere Regierung aber verschenkt unser Geld, obwohl sie weiß, dass die Mehrheit der Bevölkerung NICHT dahintersteht. Das zeigen alle Umfragen.

Ich mag Griechenland. Ich mag die Griechen, ich finde auch Spanier und Portugiesen klasse. Ich finde ganz Europa super. Ich will aber nicht für meine sympathischen europäischen Freunde finanziell aufkommen. Und sie wollen es für uns sicher auch nicht.

Was ist die EU, was sollte sie sein, was ist der Euro?
In meinen Augen ist die EU eine Interessengemeinschaft und der Euro eines der Instrumente dieser gemeinsam gepflegten Interessen. Freier Handel, freie Reise, arbeiten und leben wo man will. Das ist eine tolle Errungenschaft, die wir unbedingt verteidigen sollten.

Was ist die EU und der Euro nicht, was sollten sie nicht sein?
Eine Schuldner-und Schicksalsgemeinschaft! Nein das sind wir bestimmt nicht. Wir können auch allesamt alleine. Die ständig wiederholten Argumente, wir könnten nur gemeinsam gegen die Asiaten und den Rest der Welt bestehen, sind lächerlich. Ein Blick auf die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt zeigt doch, dass die schlagkräftigsten die kleinen sind. Siehe Singapur oder die Schweiz. Small is beautiful, small is powerful!

Und die Behauptung, es handle sich beim Euro letztlich um eine Friedensfrage, ist eine psychische Geiselnahme, das ist Erpressung. Die Frage um den Euro zu einer Frage um Krieg oder Frieden umzufunktionieren ist schon fast kriminell. Das soll dazu dienen, uns unser grundlegendstes demokratisches Recht zu entziehen: Zwischen Alternativen zu wählen. Daher ja auch die ständige Wiederholung des Alternativlosen.

Zurück zum Ausgangspunkt: Lassen wir die Griechen pleite gehen! Lassen wir die Portugiesen pleite gehen. Oder anders gesagt: Lassen wir diese Staaten doch einfach mit den Gläubigern verhandeln und geben wir die Illusion auf, wir könnten noch ewig so weiter wursteln, jeden und alles versuchen zu retten obwohl doch jeder spürt, dass das Spiel zu Ende geht. Vielleicht setzt Griechenland einige Jahre die Zinszahlungen aus? Ich weiß es nicht. Frisches Geld bekommen sie am Markt erst mal keines mehr, das ist völlig klar. Und wenn Sie mich fragen: Das ist auch gut so!

Zentrales Anliegen jeglicher künftiger Finanzpolitik muss es sein, dass die öffentliche Hand keine Schulden mehr macht. Der Staat muss mit dem auskommen, was er einnehmen kann. Er muss in guten Zeiten sparen und kann dann in schlechten Zeiten leicht stabilisierend auf die Konjunktur einwirken. In der Realität der westlichen Welt wird aber in guten und schlechten Zeiten die Verschuldung hochgefahren.
Natürlich ist es schmerzhaft, wenn man aus der Schulden-Matrix erwacht. Es ist schon toll, im Heute auf Kosten des Morgen zu leben, vor allem wenn morgen dann jemand anders die Zeche zahlen muss. Aber es ist unehrlich und unmoralisch.

Die Annahme, dass die „Aufgabe“ von Griechenland auch die anderen Krisenstaaten in den Strudel reißt, ist realistisch. Auch dass es dann zu massiven “Verwerfungen“ an den Märkten kommt. Das ist absolut richtig – früher oder später wird das aber so oder so passieren. Und wenn wir so weitermachen wie bisher, wird das zu einem Zeitpunkt sein, an dem sogar Deutschland seine Kreditwürdigkeit verspielt hat. Noch sind Investoren bereit, Deutschland alleine aufgrund seiner überragenden Wirtschaftskraft Geld zu leihen - zu niedrigen Zinsen. Und sollte es unsere Banken in der nächsten Krise zerreißen, dann werden wir sie eben rekapitalisieren – das ist sinnvoller als das Geld in andere Länder zu überweisen.

Noch zuletzt zur Frage des Euro. Mir persönlich würde es völlig reichen, die Hilfspakete radikal zu stoppen. Ob Griechenland den Euro behalten will muss das Land selbst entscheiden, genauso wie jedes andere Mitglied der Währungsunion (abgesehen von der Tatsache, dass ein Austritt juristisch nicht vorgesehen ist). Mit genug Willen und Entschlossenheit kann jeder Staat konkurrenzfähig werden - auch mit einer starken Währung. Das hat die Bundesrepublik zu DM-Zeiten ausführlich bewiesen. Es könnte aber durchaus sein, dass zur griechischen Mentalität und Struktur eine eigene Währung mit voll funtionsfähiger eigener Notenbank besser passen würde. Wenn Sie mich fragen, dauert es keine drei Jahre mehr und der erste Staat hat die Währungsunion verlassen.

Ihr
Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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