Fundamentale Nachricht
10:39 Uhr, 27.05.2024

Langfristig hohe Relevanz der Europawahl

Die Experten der DWS schauen auf die möglichen Auswirkungen der Europawahl – nicht nur, aber auch auf die Kapitalmärkte.

Ganz generell: Kurzfristig dürfte die Wahl unserer Einschätzung nach keinen merklichen Einfluss auf den Finanzmarkt haben. Das leitet sich aus dem ab, was im Nachgang der Europawahlen der vergangenen Dekaden zu beobachten war. Weder hat im Zeitraum um die jeweiligen Wahlen der Economic Policy Uncertainty Index, als Maßstab für die zu messende Unsicherheit, merkliche Ausschläge aufgewiesen, die Volatilität von Dax und EuroStoxx verhielt sich ebenfalls wenig auffällig. Und auch in diesem Jahr scheint der Fokus der Marktteilnehmer eher auf anderen geopolitischen und konjunkturellen Problemfeldern zu liegen als auf Straßburg und Brüssel, den Sitzen des Europaparlaments.

Dabei liegt in der Weiterentwicklung bzw. der Stärkung insbesondere des Finanz- und Bankensektors in der EU unserer Einschätzung nach eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre, um die Finanzierung der in der Priorisierungsliste ganz oben stehenden Transformationen, sei es die grüne, die digitale oder die zu mehr Wehrhaftigkeit, zu gewährleisten und darüber hinaus die europäische Wettbewerbsfähigkeit zukünftig sicherzustellen. Der Vertiefung der Kapitalmarktunion kommt dabei eine sehr hohe Relevanz zu.

Wir gehen davon aus, dass der Wahlausgang Ausdruck allgemein zu beobachtender Tendenzen und Veränderungen sein wird. Ob beispielsweise das Vorantreiben der Energiewende auch nach der Wahl ganz oben auf der Prioritätenliste steht, bleibt abzuwarten. Aber auch protektionistische Entwicklungen, die bereits in unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten zu beobachten sind, dürften ihren Weg in die europäische Ebene finden. Unserer Meinung nach dürfte die so dringend benötigte politische Integration Europas auch weiterhin auf sich warten lassen.

Andererseits ist es aber auch so, dass die politischen Kräfte auf europäischer Ebene wohl auch zukünftig nicht die Treiber der eigentlich gewollten Entwicklung sein dürften. So ist beispielsweise zwar das europäische Parlament das einzige direkt demokratisch gewählte Organ innerhalb der EU. Im Gegensatz zu den meisten Parlamenten hat es jedoch kein formelles Initiativrecht. Dieses liegt fast ausschließlich bei den Exekutivorganen der EU, der Kommission und – in begrenztem, aber zunehmendem Maße – beim Europäischen Rat. Folglich wird das Europäische Parlament weiterhin seine bestehenden Befugnisse nutzen – die Prüfung und Abstimmung bei der Ernennung von EU-Kommissaren, das Ändern und Überprüfen jeglicher Kommissionsvorschläge für neue EU-Gesetzgebungen, sowie das Anspornen der Kommission zu Handlungen bei Themen, die es als entscheidend ansieht. Das ist letztendlich das, was die Bedeutung der diesjährigen Europawahlen in die richtige Perspektive rückt.

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