Kurzlaufende Anleihen als attraktive Alternative
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Kurzfristig hoffen die Anleger, dass die Zentralbanken bald zu dem Entschluss kommen werden, dass sie mit der Straffung der Geldpolitik genug getan haben. Es ist wahrscheinlich, dass eine Kombination aus sinkender Inflation, deutlich schwächeren Wirtschaftsdaten und zunehmender finanzieller Instabilität zu einer Wende im geldpolitischen Zyklus führt. Wichtig ist aber, dass die Notenbanker nicht der Überlegung nachgeben, dass sie im Kampf gegen die Inflation kurz vor dem Ende stehen. Kurzfristig gehen die Märkte von erneuten Zinserhöhungen aus: weitere 125 bis 150 Basispunkte (BP) in den USA vor Jahresende, weitere 100 bis 125 BP in der Eurozone und weitere 200 bis 225 BP in Großbritannien. Rechnet man dazu, was die Notenbanken bereits getan haben, ist das nochmal eine ziemliche geldpolitische Straffung. Das bedeutet, dass noch mehr Schmerz zu erwarten ist.
Es bleibt zu hoffen, dass die Straffung im kommenden Jahr nicht annähernd so stark ausfallen wird. Anleger sollten das Ende dieses Jahres in jeder Hinsicht als nahe dem „Höhepunkt“ betrachten. Alles hängt davon ab, wie schnell die Notenbanken auf schwächere Daten und Anzeichen einer nachlassenden Inflation reagieren. Wenn sich die Inflation nicht verlangsamt, werden die Zinsen weiter steigen und eine weltweite Rezession wird folgen.
Gewinnprognosen nach wie vor zu hoch
Das günstigste Szenario wäre, dass die Wende durch niedrigere Inflationszahlen hervorgerufen wird. Dadurch könnten die Zinserwartungen sinken, was sich positiv auf Anleihen auswirken würde. Eine rasche Abschwächung der Wachstumsdaten und eine niedrigere Inflation wären ebenfalls positiv für Anleihen, da sich der Fokus darauf richten würde, dass die Zentralbanken als Reaktion auf das wachsende Rezessionsrisiko die Geldpolitik irgendwann lockern müssten. Die Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wurden bereits nach unten korrigiert. Doch wenn sich ein langsameres Wachstum in den tatsächlichen Zahlen zeigt, bedeutet das, dass die Aktienmärkte ihre Erwartungen bezüglich dem Gewinnwachstum noch weiter zurückschrauben müssten. Sie scheinen nach wie vor zu hoch zu sein. Zum Beispiel liegt die Konsensprognose für das Gewinnwachstum je Aktie (EPS) im Universum des MSCI World für die kommenden zwölf Monate weiter bei 6,5 bis sieben Prozent. Dies liegt unter dem Durchschnitt, aber nicht auf Rezessionsniveau. Paradoxerweise könnte eine, durch eine Datenabschwächung ausgelöste Abwärtskorrektur der Gewinne dazu beitragen, dass Aktien einen Boden finden. Wir meinen, dass das bei einem S&P 500 im niedrigen 3000er-Bereich der Fall wäre.
Bank of England reagiert auf erhöhte Volatilität
Die andere Ursache für eine Zinswende könnte eine Verschlechterung der Finanzmarktbedingungen sein. Einen Eindruck davon bekamen wir Ende September in Großbritannien, als die Bank of England (BoE) gezwungen war, auf dem Gilt-Markt zu intervenieren. Steigende Renditen hatten zu einer starken Zunahme der Einforderung von Barsicherheiten bei britischen Pensionsfonds mit fremdfinanzierten Liability Driven Investment (LDI)-Overlays geführt. Die Folge waren weitere Verkäufe von britischen Staatsanleihen und es sah so aus, als würde sich ein Teufelskreis in Gang setzen. Die BoE durchbrach diesen Volatilitätskreislauf und stabilisierte den Markt. Sie tat dies mit einer – zwar vorübergehenden – Politik, die aber dennoch im Widerspruch zur Straffungstendenz der Bank und ihrem Wunsch steht, mit dem Bilanzabbau zu beginnen. Der unmittelbare Auslöser der Krise war die Erkenntnis, dass die (expansiven) Haushaltspläne der neuen Regierung ebenfalls im Widerspruch zum (straffen) geldpolitischen Kurs standen. Dies ist nach wie vor der Fall, was bedeutet, dass weitere Volatilität am Markt für britische Staatsanleihen nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Warnlampen leuchten
Dies ist zwar ein lokales Ereignis, aber trotzdem ein Beispiel dafür, dass die Märkte in Unordnung geraten können, wenn sich die Preisbildung schnell ändert. Wir haben in diesem Jahr einen enormen Anstieg der Marktzinsen erlebt und das wirkt auf die Realwirtschaft. So beeinflussen steigende Hypothekenzinsen die Immobilienmärkte sowie die Anbieter von Hypothekenfinanzierungen. Die Neubewertung von Vermögenswerten wird einige Bilanzen geschwächt haben. Die Marktrisikoindikatoren deuten zweifellos auf zunehmende Ängste hin – die implizite Volatilität von Anleihen, Unternehmensanleihen und Aktien ist hoch und die Basis-Devisenswaps haben sich auf ein Niveau ausgeweitet, das sonst auf panikartige US-Dollar-Käufe zur Deckung eines Finanzierungsbedarfs hinweist. Wir sind eindeutig noch nicht am Stresspunkt angelangt, aber es gab genug politische Reaktionen auf Volatilitätsschübe am Markt, um dies als Auslöser für eine Änderung der Notenbankpolitik nicht auszuschließen.
Hauptteil der Straffung passiert im laufenden Jahr
Das Tempo der Zinserhöhungen, das die vergangenen Monate bestimmt hat, wird sich verringern und schließlich aufhören. Im kommenden Jahr wird die Geldpolitik nicht in gleichem Maße gestrafft werden und die Fed Funds werden nicht auf acht Prozent steigen. Die Märkte sind billig und die Anleger werden im neuen Jahr wahrscheinlich auf einer Menge Cash sitzen. Bargeld zahlt sich derzeit in einem Umfeld mit schwachem Sentiment aus. Aber die Stimmung könnte sich mit dem Ende des Zinszyklus ändern. Ein Jahr mit negativen Renditen bei festverzinslichen Wertpapieren ist recht ungewöhnlich, zwei Jahre in Folge gab es noch nie. Daher sollten zumindest Anleihen eine Überlegung wert sein, wenn es darum geht, Cash an den Märkten zu investieren.
Die gestiegene Zinshürde
Das Problem besteht nun darin, dass die höheren Zinsen für Bargeld die Messlatte für alles andere erhöht haben, vor allem, wenn es so viele makroökonomische und politische Unsicherheiten gibt. Das Bewertungsargument für Anleihen und Aktien ist vernünftig und die höheren Anleiherenditen haben die Diversifizierungsvorteile von Anleihen wiederhergestellt. Dennoch ist die Stimmung so schlecht, dass es einiger guter Nachrichten bedarf, damit Anleger ihre Barmittel investieren. Lohnt es sich noch Cash in US-Dollar (was selbst vier Prozent abwirft) in risikoreichere Anlagen zu investieren? Die Hürde in Euro liegt bei 2,5 Prozent und in Pfund Sterling bei fünf Prozent.
Kurz laufende Anleihen zahlen sich aus
Wenn Anleger keine großen Kursschwankungen in Kauf nehmen wollen, bieten festverzinsliche Papiere mit kurzer Laufzeit jetzt einen attraktiven Renditeaufschlag im Vergleich zu Bargeld – ohne zu viel Risiko einzugehen. Die Indizes für Unternehmensanleihen aus dem Investment-Grade-Bereich mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren (Bank of America/ICE Range) in US-Dollar, Euro und britischem Pfund weisen derzeit eine Yield-to-worst von 5,36 Prozent, 3,80 Prozent und 6,57 Prozent auf. Das Eingehen eines höheren Bonitätsrisikos steigert die verfügbare Rendite noch – europäische Hochzinsanleihen bieten 8,24 Prozent und US-Hochzinsanleihen 9,2 Prozent.
Diese Renditen für Unternehmensanleihen sind attraktiv. Für die langfristige Gesundheit der Wirtschaft jedoch sind sie nicht gut. Die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung von Investitionen zu diesen Kosten dürfte über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren betrachtet eine hohe reale Rendite darstellen. Es droht ein Anstieg der Zahlungsausfälle bei Hochzinsanleihen, wenn die Unternehmen ihre Schulden refinanzieren müssen.
Kurzfristig können Aktien kaum mit diesen Renditen konkurrieren. Aber langfristig, wenn die Erträge durch Umsatzwachstum und Profitabilität bestimmt werden, dürften Aktienerträge, wenn die kurzfristigen Renditen sinken, wieder attraktiver aussehen. Im Moment ist es aber noch besser, über Rendite mit geringem Risiko nachzudenken, bis die Wende wirklich vollzogen ist und die dunklen Wolken über der Weltwirtschaft verschwinden.
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