Kommentar
06:22 Uhr, 05.04.2016

Kopiert Fed-Chefin Yellen Draghis Taktik?

Nachdem sich die US-Notenbank bei ihrer Märzsitzung klar gegen schnelle Zinserhöhungen ausgesprochen hat, scheren nun einige Notenbanker aus der Reihe. Yellen hält dagegen, indem sie eine Taktik von Mario Draghi kopiert.

Bisher hat die US-Notenbank einen erstaunlich guten Job gemacht. Dabei geht es nicht um eine Beurteilung der Geldpolitik, sondern darum, wie sie ihre Politik kommuniziert. Die Fed ist zwar immer vage und hält sich viele Optionen offen, doch Überraschungen gibt es nicht. Es gibt auch keine Ausrutscher in der Kommunikation, wie es sie etwa bei der EZB gibt.

Als die EZB ihre Entscheidung im März schriftlich bekannt gab, war der Markt begeistert. Als Draghi zu sprechen begann, passierter ein großer Ausrutscher. Er sagte, dass es keine weiteren Zinssenkungen geben würde. Was er eigentlich sagen wollte: Hätte die EZB die Notwendigkeit für noch aggressivere Schritte gesehen, dann hätte sie diese umgesetzt. Sollten weitere Schritte notwendig werden, dann werden sie auch unternommen.

Durch diesen Kommunikationspatzer verpuffte die Wirkung der Maßnahmen am Markt sofort. An solchen "Geniestreichen" wird sich die US-Notenbank keine Anleihen nehmen, doch in einem anderen Punkt beginnt die Notenbankchefin Draghi zu kopieren. Neben Draghi gibt es weitere Notenbanker, die eine aggressive Politik befürworten, doch es sind bei weitem nicht alle.
Draghi brachte die Notenbanker in der Vergangenheit auf Linie, indem er in seinen Reden eine Lockerung ankündigte. Er ließ den anderen Notenbankern dadurch keine Wahl, als neuen Maßnahmen zuzustimmen. Er erpresste durch öffentliche Äußerungen seine Kollegen, die ebenfalls ein Wörtchen mitzureden hatten.

Das ist eigentlich kein guter Ton. Letzten Dezember schlug das fehl. Es wurden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden konnten. Draghis Kollegen traten quasi in den Streik, um ihm Grenzen aufzuzeigen. Das hat den Markt stark verunsichert. Zusammen mit dem Kommunikationspatzer im März hat sich die EZB nun selbst stark beschädigt.

Das sind alles keine besonders guten Argumente, um die EZB nachzuahmen. Genau das scheint nun aber in den USA zu geschehen. Die Notenbankchefin der regionalen Notenbank von Cleveland, Loretta Mester, sprach sich vergangenen Woche sehr deutlich für Zinserhöhungen aus. Sie könnte sich sogar einen Zinsschritt im April vorstellen.

Auch Eric Rosengren, Präsident der Bostoner Notenbank, versucht den Markt auf mehr Zinserhöhungen vorzubereiten, als dieser derzeit erwartet. Janet Yellen scheint anderer Meinung zu sein. Sie sagte in einer Rede in der vergangenen Woche ganz klar, wie es laufen wird. Sie bekannte sich öffentlich zu weiterhin niedrigen Zinsen und sprach fast schon eine Garantie dafür aus. Sie erweckt dadurch die Erwartung, dass der nächste Zinsschritt wohl erst im September kommt.

Durch das ungewöhnlich klare Statement von Yellen drängt sie ihre Kollegen nun genauso in die Enge, wie es Draghi getan hat. Ob das gut geht, bleibt derzeit offen. Die Fed ist relativ stark auf Konsens fokussiert. Yellen will diesen Konsens nun erzwingen. Die kommenden Monate könnten etwas unruhiger werden, wenn Notenbanker sich nicht in eine Sackgasse manövrieren lassen wollen.

Was auch immer geschieht, der Markt hat derzeit eine vermutlich unrealistische Einschätzung der Zinserhöhungen. Die Grafik zeigt die Einschätzung der Notenbank und die derzeit implizierten Leitzinsen, die der Markt für wahrscheinlich hält. Die Lücke zwischen der Erwartung der Notenbank und der Erwartung des Marktes geht weit auseinander. Das birgt Sprengstoff.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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