KONJUNKTUR IM BLICK/Das große Stillhalten
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Von Hans Bentzien
DOW JONES--Nach dem Aufschlag durch die Europäische Zentralbank (EZB) - unveränderte Zinsen bei deutlich hawkisher Note - folgen in der kommenden Woche die Zinsentscheidungen anderer großer Zentralbanken. Erwartet wird, dass Federal Reserve und Bank of Japan (BoJ) stillhalten werden, wobei sie grundsätzlich in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind: Die Fed (so hoffen viele Marktteilnehmer) wird ihren Leitzins irgendwann senken, die BoJ den ihren dagegen irgendwann anheben. Den Hintergrund der Zinsentscheidungen bildet eine ganze Flut von Inflations- und Wachstumsdaten aus den USA und Europa.
Fed hält die Linie - Powell unter Druck
Ökonomen und Börsianer erwarten, dass die Fed ihren Leitzins in der Spanne von 4,25 bis 4,50 konstant halten wird. Die Märkte werden vor allem auf drei Aspekte achten: Erstens auf die Reaktion von Fed-Chef Jerome Powell auf die beständige Kritik von US-Präsident Donald Trump, der Zinssenkungen fordert, um die Kosten der Staatsverschuldung zu senken und die Wirtschaft anzutreiben. Bisher hat Powell auf die Kritik kaum reagiert und betont, dass die Fed ihre Arbeit verrichte.
Zweitens werden die Anleger im Statement der Fed oder in Powells Pressekonferenz nach Hinweisen suchen, ob es möglicherweise eine Zinssenkung im September geben wird. Drittens stehen abweichende Meinungen innerhalb der Fed im Fokus. Einige Ratsmitglieder haben sich als potenzielle Nachfolger von Powell in Position gebracht und unterstützen die Forderungen von Trump nach Zinssenkungen. Ein Mangel an Konsens könnte als Signal für eine bevorstehende Zinssenkung im September gewertet werden.
Die Fed macht ihre geldpolitischen Emtscheid8ungen am Mittwoch (20.00 Uhr) bekannt, worauf (ab 20.30 Uhr) eine Pressekonferenz mit Powell folgt.
BoJ ändert Geldpolitik vorerst nicht
Die BoJ veröffentlicht ihre geldpolitischen Entscheidungen am frühen Donnerstagmorgen. Analysten rechnen damit, dass die BoJ den Leitzins unverändert lassen, aber ihre Inflationsprognose anheben wird. Die Notenbank hatte ihre massiven Konjunkturmaßnahmen im vergangenen Jahr beendet und im Januar den Leitzins auf 0,50 Prozent angehoben. Zwar signalisiert die BoJ seither ihre Bereitschaft zu weiteren Zinserhöhungen, doch zwangen sie die erwarteten Auswirkungen der US-Zölle dazu, ihre Wachstums- und Preisprognosen am 1. Mai nach unten zu korrigieren. Inzwischen haben Japan und die USA ein Handelsabkommen geschlossen, das die Aktienmärkte mit starken Kursgewinnen quittierten.
Die EZB, die ihren Leitzins unverändert gelassen hat, veröffentlicht in der Woche einige der Daten, die ihr bei der Entscheidung zur Verfügung standen: Die Ergebnisse der Umfrage unter geldpolitischen Analysten (Montag, 10.00 Uhr), die Ergebnisse der Konsumentenumfrage (Dienstag, 10.00 Uhr) und den Wage Tracker (Mittwoch (10.00 Uhr).
Die bereits veröffentlichten Dokumente (Unternehmensumfrage, Survey of Professional Forecasters) haben kein Bild gezeichnet, dass vollkommen zur hawkishen Kommunikation von EZB-Präsidentin Christine Lagarde passt. So wird zum Beispiel ein etwas schwächerer Rückgang des Lohnwachstums als zuletzt erwartet. Auch sah sich EZB-Ratsmitlied Francois Villeroy de Galhau zu der öffentlichen Erklärung genötigt, dass die EZB "völlig offen" bezüglich ihrer Zinsentscheidungen sein müsse. Im Lichte dieser EZB-Kommunikation dürften Marktteilnehmer auch die anstehenden Inflations- und Wachstumsdaten sehen.
Euroraum-Inflation sinkt im Juli leicht
Die Inflation im Euroraum dürfte um Juli leicht zurückgegangen sein. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass die Verbraucherpreise gegenüber dem Vormonat um 0,1 Prozent gesunken sind und um 1,9 (Juni: 2,0) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats lagen. Auslöser dürften Energie- und Dienstleistungspreise gewesen sein. Eurostat veröffentlicht die Daten am Freitag (11.00 Uhr). Daraufhin führende Veröffentlichungen sind die aus Spanien (Mittwoch, 9.00 Uhr), Frankreich (Donnerstag, 8.45 Uhr) und Deutschland (Donnerstag, 14.00 Uhr). In Deutschland dürfte der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) laut Volkswirteprognose ebenfalls mit einer Jahresrate von 1,9 (2,0) Prozent gestiegen sein.
Euroraum-BIP sinkt im zweiten Quartal leicht
Die Wirtschaftsleistung des Euroraums dürfte im zweiten Quartal leicht gesunken sein. Von Dow Jones Newswires befragte Ökonomen erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent zurückgegangen ist, nachdem es im ersten Quartal um 0,6 Prozent zugelegt hatte. Den Ausschlag für diese Entwicklung dürfte unter anderem Deutschland (Prognose: minus 0,1 Prozent) gegeben haben, während für die drei anderen größeren Volkswirtschaft - Spanien, Frankreich und Italien - BIP-Zuwächse von 0,6, 0,1 und 0,1 Prozent erwartet werden. Eurostat veröffentlicht die Daten am Mittwoch (11.00 Uhr) und die deutschen eine Stunde vorher.
Daneben gibt es wichtige US-Konjunkturdaten: Am Mittwoch (14.30 Uhr) veröffentlicht das Bureau of Economic Analyses die US-BIP-Daten für das zweite Quartal. Erwartet wird ein Anstieg um 2,5 (Vorquartal: minus 0,5) Prozent. Am Freitag zur gleichen Zeit folgen Daten zu den persönlichen Einkommen und Konsumausgaben im Juni einschließlich des Preisindex' der persönlichen Konsumausgaben (PCE-Deflator). Der PCE-Deflator, das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß, dürfte gegenüber dem Vormonat um 0,3 (Mai: 0,2) Prozent gestiegen sein. Ebenfalls am Freitag (14.30 Uhr) kommt der US-Arbeitsmarktbericht für Juli.
US-Jobwachstum lässt im Juli nach
Das US-Stellenwachstum dürfte sich im Juli abgeschwächt haben. Ökonomen erwarten ein Jobwachstum von rund 110.000 (Vormonat: 147.000) und einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 4,2 (4,1) Prozent. Für die Stundenlöhne wird ein Zuwachs um 0,3 (0,2) Prozent gegenüber dem Vormonat und von 3,9 (4,0) Prozent auf Jahressicht vorhergesagt.
(Mitarbeit: Andreas Plecko)
Kontakt: hans.bentzien@dowjones.com
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