KONJUNKTUR IM BLICK/Aufgalopp für alle außer EZB
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Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Volkswirte philosophieren derzeit gerne darüber, ob die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen vor der US-Notenbank senken dürfe. Sicher ist: Selbst wenn sie beide im Juni ihren Lockerungsparcours beginnen sollten, läge die EZB im Aufgalopp vor der Fed: Sie entscheidet nämlich schon am 6. Juni, die Fed aber erst am 12. Juni. Auch im März hatte die EZB vorne gelegen (sogar mit zwei Wochen Abstand). Sie hat schon alles hinter sich, und ist quasi beim Trockenreiben, während in der Woche fast alle anderen erst aufs Feld traben: Bank of Japan, Reserve Bank of Australia, People's Bank of China, Federal Reserve, Bank of England, Schweizerische Nationalbank, sowie die Notenbank Norwegens und der Türkei. Wichtigster Konjunkturtermin ist die Veröffentlichung des Ifo-Index am Ende der Woche.
Bank of Japan entscheidet über Negativzins
Die Woche der Zentralbanken beginnt im Fernen Osten mit der Zinsentscheidung Bank of Japan (BoJ) am frühen Dienstagmorgen. Die anstehende Sitzung des geldpolitischen Rats wird von Anlegern weltweit genau beobachtet werden, da in letzter Zeit die Wetten auf einen baldigen Ausstieg der Zentralbank aus den Negativzinsen und ihrer Politik zur Steuerung der Zinskurve zugenommen haben. Ökonomen und Anleger erwarten, dass die BoJ ihren Leitzins entweder im März oder im April von minus 0,10 Prozent anheben wird. Die Notenbanker sind zuversichtlicher geworden, dass nach jahrzehntelanger Deflation endlich ein positiver Zyklus aus höheren Löhnen und höheren Preisen einsetzt. Viele Unternehmen haben angekündigt, dass sie die Löhne in diesem Jahr deutlich anheben werden.
Die Reserve Bank of Australia veröffentlicht ihre Zinsentscheidung um 4.30 Uhr. Die People's Bank of China (PBoC) hat die Erwartungen von Analysten zuletzt erneut enttäuscht, als sie den Zinssatz ihrer für Banken gedachten Medium Term Lending Facility (MLF) abermals unverändert ließ. Auch mit Blick auf die Leitzinsen für Unternehmen, die am Mittwoch (2.15 Uhr) bekannt gemacht werden, könnte es eine Enttäuschung geben. Manche Beobachter wollen aber nicht ausschließen, dass die PBoC nach der Senkung des Satzes für 5-jährige Kredite im Februar nun beim 1-jährigen Leitzins nachzieht.
Fed hält Zinsen konstant - Fokus auf Projektionen
Der Offenmarktausschuss FOMC (Mittwoch, 20.00 Uhr) dürfte seine Zinsen unverändert lassen. Beobachter warten vor allen gespannt darauf, ob der relativ starke Preisdruck im Februar dazu geführt hat, dass die Notenbanker ihre Prognosen für Zinssenkungen in diesem Jahr verändert haben. Im Dezember hatten die meisten Fed-Vertreter mit drei Zinssenkungen für dieses Jahr gerechnet - sofern die Inflation weiterhin Fortschritte in Richtung des Ziels von 2 Prozent machen würde. Eine wichtige Frage ist, ob eine Mehrheit Notenbanker bei dieser Prognose bleibt. Die Projektionen sind zwar nicht das Produkt der FOMC-Beratungen, aber sie haben oft eine überragende Bedeutung für die Entwicklung der Zinserwartungen.
SNB lässt Geldpolitik unverändert
Die Schweizerische Nationalbank (SNB)) dürfte ihre Geldpolitik unverändert lassen. Analysten erwarten überwiegend, dass der Leitzins bei 1,75 Prozent bleiben wird, obwohl die Inflationsrate im Januar auf 1,2 Prozent gefallen ist. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist bei Dienstleistungspreisen und Mieten noch mit Anstiegen zu rechnen. Zum anderen hat kürzlich SNB-Gouverneur Thomas Jordan seinen Rücktritt per September erklärt, und mancher Analyst rechnet damit, dass er vorher noch den binnenwirtschaftlichen Inflationsdruck unter Kontrolle bringen und Zinssenkungen gerne seinem Nachfolger überlassen würde. Interessant wird neben der Zinsentscheidung die Inflationsprognose für das Ende des Prognosehorizonts. Die SNB veröffentlicht ihre Entscheidungen am Donnerstag (9.30 Uhr).
Bank of England wartet auf weitere Beweise
Am gleichen Tag (13.00 Uhr) kommt die Zinsentscheidung der Bank of England. Die Sitzung des geldpolitischen Rats dürfte relativ ereignislos verlaufen, der Leitzins dürfte bei 5,25 Prozent bleiben. Analysten erwarten, dass die BoE darauf hinweisen wird, dass mehr Beweise für einen anhaltenden Inflationsrückgang erforderlich seien, bevor eine Zinssenkung in Betracht komme. Das Lohnwachstum in Großbritannien hat sich zuletzt geringfügig abgeschwächt, während die Arbeitslosenquote stieg - eine kleine Erleichterung für die britischen Notenbanker, die hoffen, dass der Druck auf den Arbeitsmarkt im Vorfeld der erwarteten Zinssenkungen im Laufe dieses Jahres nachlassen würde.
Am Donnerstag kommen außerdem die geldpolitischen Entscheidungen der Norges Bank (10.00 Uhr) und der türkischen Zentralbank (12.00 Uhr).
Ifo-Geschäftsklimaindex steigt im März
Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft dürfte sich im März erneut leicht aufgehellt haben. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte erwarten, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex auf 86,0 (Februar: 85,5) Punkte gestiegen ist. Bemerkenswert an der Entwicklung im Februar war, dass die befragten Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage erstmals seit November nicht schlechter als im Vormonat beurteilten. Für März wird nun erwartet, dass die Lagebeurteilung auf bei 86,9 Punkten stagniert hat, während die Geschäftserwartungen bei 84,9 (84,1) gesehen werden. Das Ifo-Institut veröffentlicht die Daten am Freitag (10.00 Uhr).
Am Freitag (0.30 Uhr) kommen außerdem die japanischen Verbraucherpreisdaten für Februar und am Donnerstag die Einkaufsmanagerindizes für März.
EZB-Führungsriege spricht bei "The ECB and its Watchers"
Und zum Abschluss das Trockenreiben der EZB: Bei der 26. Auflage der Konferenz "The ECB and its Watchers" sprechen am Mittwoch neben EZB-Präsidentin Christine Lagarde (9.45 Uhr) die beiden einflussreichsten Mitglieder des Direktoriums, Chefvolkswirt Philip Lane (10.30 Uhr) und die für Finanzmärkte zuständige Isabel Schnabel (14.45 Uhr). Beide haben bis zuletzt vor zu frühen Zinssenkungen gewarnt, auch wenn sie verschiedenen geldpolitische Lagern zugeordnet werden - Lane den Tauben und Schnabel den Falken.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/jhe
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