Kommentar
09:25 Uhr, 10.03.2023

Kommt 2024 ein zweiter Zinsschock?

Anleger gewöhnen sich an höhere Leitzinsen und sogar daran, dass dieser höher steigen wird als bisher angenommen. Trotzdem droht ein weiterer Zinsschock.

Fast alles ist eine Sache der Gewöhnung. Bei Zinsen ist es nicht anders. Denkt man ein Jahr zurück, waren Anleger in heller Aufregung, als Leitzinsen von ihrem Tief bei 0 % angehoben wurden. Ein Jahr später haben Anleger den globalen Anstieg von 3-5 % gut verdaut. Selbst die Aussicht auf wieder größere Zinsschritte in den USA hat Anleger nur kurz verunsichert.

Der Aktienmarkt schwankt dennoch mit der Zinserwartung. Wird ein tieferes Leitzinshoch erwartet, stiegen die Kurse. Wird ein höheres Hoch erwartet, geht es mit den Kursen zumindest kurzfristig nach unten. Aktuell zeigt sich der Markt überraschend robust, trotz gestiegener Zinserwartung. Das ist zunächst positiv.

Negativ ist, dass Anleger den zukünftigen Zinspfad möglicherweise komplett falsch einschätzen. Der Marktzins (Rendite von Anleihen) wird wie der Leitzins von der Inflation bestimmt. Notenbanken haben ein Inflationsziel, daher wäre alles andere ungewöhnlich. Ein Zusammenhang muss zwischen Inflation und Zins bestehen. Ist dies nicht der Fall, läuft etwas schief.

Die Inflationsrate ist gefallen, bleibt aber hoch. Zusammen mit dem Rückgang der Inflationsrate ist auch die Volatilität etwas zurückgekommen. Beides ist für die Laufzeitprämie von Anleihen relevant.

Die Laufzeitprämie ist ein Zinsaufschlag für Anleihen mit langer Laufzeit. Je länger eine Anleihe läuft, desto größer ist das Änderungsrisiko. Es besteht ein höheres Ausfallrisiko, vor allem aber ein Risiko, dass sich die Zinsen aufgrund der Inflationsrate verändern. Um dieses Risiko auszugleichen, verlangen Anleger im Normalfall eine höhere Rendite für Anleihen mit langer Laufzeit.

Das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall. Auch jetzt noch ist die Laufzeitprämie kaum positiv (Grafik 1). Das bedeutet, dass Anleger noch immer keinen Aufschlag für höhere Inflation und Volatilität verlangen. Das macht keinen Sinn.

Dies macht vor allem deswegen keinen Sinn, weil die Inflationserwartungen auf weiterhin hohe Volatilität hindeuten. Inflationserwartungen gehen der Laufzeitprämie um ungefähr ein Jahr voraus (Grafik 2).

Derzeit sagt die tiefe Laufzeitprämie aus, dass Anleger von einer schnellen Rückkehr zum Inflationsziel von 2 % ausgehen. Inflationserwartungen stabilisieren sich allerdings auf höherem Niveau. Die jüngsten Daten untermauern zudem, dass die Inflationsrate zukünftig volatiler sein wird.

Bis sich Anleger an die neue Realität gewöhnt haben bzw. überhaupt erkennen, dass es eine neue Realität gibt, braucht es Zeit. Je länger Inflation und ihre Schwankungsbreite hoch bleiben, desto wahrscheinlicher ist die Erkenntnis. Anleger verlangen dann eine höhere Laufzeitprämie.

In diesem Fall ist der Renditeanstieg nicht überstanden, selbst wenn der Leitzins nicht weiter steigt, sondern stabil bleibt. Wann die Erkenntnis kommt, weiß niemand genau. Ist Anfang 2024 keine Zinswende nach unten absehbar, wird die Erkenntnis wohl erzwungen. Es droht ein vollkommen neuer Zinsschock.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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