Fundamentale Nachricht
12:37 Uhr, 24.02.2016

Kennen Sie das?

Sie haben einen Optionsschein im Depot, der sich über Nacht verachtfacht hat. Aber der Emittent will ihnen den Schein nicht mehr abnehmen, er stellt einfach keine Kurse mehr. Das Protokoll eines hitzigen Telefongesprächs.

Unser Trader ist gut gelaunt. Er hat am Vorabend (aus charttechnischen Gründen) einen Put-Optionsschein auf eine Aktie erworben, und über Nacht ist die Aktie tatsächlich um 20 Prozent eingebrochen, nachdem eine Gewinnwarnung veröffentlicht wurde. Unser Trader überschlägt im Kopf, dass sich sein Put-Optionsschein ungefähr verachtfacht haben müsste. Unser Trader ist happy, endlich hatte er einmal Glück, er will sofort verkaufen! Doch nachdem er einen Blick auf die Kurse geworfen hat, verfinstert sich sein Blick. Der Emittent stellt keine Kurse für seinen Schein, weder im direkten Emittentenhandel noch an den Börsen (an denen auch der Emittent als Market Maker für den Schein zuständig ist). Der Trader wartet zehn Minuten und entschließt sich dann, beim Emittenten (einer großen deutschen Bank) anzurufen.

Trader: Guten Morgen. Warum stellen Sie für den Schein mit der WKN XYZXYZ keine Kurse mehr?

Emittent: Guten Morgen, ich sehe mal nach. Für den Schein XYZXYZ sehe ich hier eine Kursindikation von 1,12 zu 1,15 Euro auf dem Schirm.

(Der Emittent will Sie für dumm verkaufen. Er hat eine interne Kursindikation auf dem Schirm, aber das heißt nicht, dass er diesen Kurs auch extern stellt.)

Trader: Das kann nicht sein. Mein Broker zeigt mir keinen Kurs für diesen Schein an. Und auch andere Broker haben keinen Kurs.

Emittent: Wer ist denn bitte ihr Broker, wenn ich fragen darf?

Trader: Ich bin bei Broker XYZ.

Emittent: Dann möchte ich Sie bitten, direkt beim Broker XYZ anzurufen. Der wird ihnen bestimmt weiterhelfen.

(Der Emittent will Sie für dumm verkaufen. Wenn der Emittent keine Kurse stellt, kann auch Ihr Broker nichts machen. Bleiben Sie hart!)

Trader: Aber wenn Sie keine Kurse stellen, kann mir doch auch mein Broker nicht weiterhelfen! Ich habe auch auf den Seiten anderer Broker nachgesehen. Es werden nirgendwo Kurse angezeigt.

Emittent: Da bin ich leider überfragt.

Trader: Ich muss schon sagen, dass es eine ziemliche Unverschämtheit ist, dass Sie offenbar immer dann keine Kurse mehr stellen, wenn sich der Basiswert mit einem Kurssprung in die Richtung des Anlegers entwickelt...

Emittent: Einen kleinen Moment bitte, ich frage mal nach wegen des Scheins. Bitte haben Sie etwas Geduld.

(Der Gesprächspartner sagt nichts mehr. Entweder er erkundigt sich wirklich, oder er hält einfach mal die Luft an. Man kann nie wissen.)

Schätzungsweise eine Minute vergeht.

So, da bin ich wieder. Es ist in der Tat so, dass wir für den Schein XYZ aktuell keine Kurse stellen, weil wir die Aktie wegen der turbulenten Marktlage aktuell nicht richtig bepreisen können.

(Eine glatte Lüge! Der Emittent kann die Aktie sehr wohl bepreisen, sie wird ja rege gehandelt. Die Umsätze liegen sogar bei einem Vielfachen eines normalen Handelstages. Außerdem hat Ihr Gesprächspartner ja vorher verraten, dass er eine interne Kursindikation für den Schein auf seinem Schirm hat. Das Problem ist, dass der Emittent keine Kurse für den Schein stellen WILL. Vielleicht war er nicht komplett gehedgt und müsste einen Verlust verbuchen, wenn die ganzen Privatanleger den Schein ausgerechnet jetzt abstoßen. Da wartet der Emittent lieber, ob die Kurse sich nicht noch mal in seine Richtung bewegen. Oft ist die erste Reaktion auf eine Nachricht ja übertrieben. Das weiß der Emittent und ist geduldig.)

Trader: Aber die Aktie wird doch sehr aktiv gehandelt! Außerdem haben Sie doch vorher gesagt, dass Sie eine interne Kursindikation für den Schein haben!

Emittent (zögerlich): Moment, da muss ich noch einmal nachfragen.

(2 Minuten später) Sind Sie noch da?

Trader: Ja!

Emittent: Also es ist wie ich gesagt habe. Wir können aktuell keine Kurse für den Schein stellen.

Trader: Wann werden Sie denn voraussichtlich wieder Kurse stellen?

Emittent: Ich kann Ihnen da leider keine genaue Uhrzeit nennen.

Trader: Aber sie werden heute noch Kurse stellen?

Emittent: Auch das kann ich leider nicht garantieren. Möglicherweise (aha!) werden wir später wieder Kurse stellen.

Trader: Ich finde das eine Unverschämtheit. Die Konsequenz kann für mich nur sein, dass ich in Zukunft keine Scheine ihres Hauses mehr erwerbe, wenn Sie immer dann keine Kurse mehr stellen, wenn sich der Kurs stark in die Richtung des Anlegers entwickeln müsste!

Emittent: Moment, ich erkundige mich noch einmal.

(5 lange Minuten vergehen. Wahrscheinlich hofft ihr Gesprächspartner, dass Sie einfach auflegen. Aber Sie haben Geduld! Denn sie haben nicht bei der 0900-Abzock-Nummer des Emittenten angerufen - obwohl es diese gibt - sondern bei einer ganz normalen Rufnummer mit Vorwahl 069.)

So, da bin ich wieder. Um wie viele Scheine geht es denn, die Sie verkaufen wollen?

Trader (zögerlich): Es geht um x Scheine. (Der Trader nennt absichtlich keine zu hohe Zahl. Das dürfte seine Erfolgsaussichten erhöhen.)

Emittent: Einen kleinen Moment bitte.

(Eine Minute vergeht.)

Da bin ich wieder. Mir wurde eben gesagt, dass wir sehr wohl Kurse für den Schein stellen!

(Siehe da: Wie von Wunderhand erscheinen in dem Moment, als sich der Gesprächspartner wieder meldet, Kurse auf dem Schirm. Mit einem ganz ordentlichen Spread zwar, aber mit einer solchen Kleinigkeit will sich unser Trader jetzt nicht mehr beschäftigen. Er hat einen Gewinn von knapp 700 % eingefahren, da gönnt er dem Emittenten sogar den etwas größeren Spread. Aber er nimmt sich vor, den Emittenten genau im Auge zu behalten und vorerst keine Scheine dieses Emittenten mehr zu kaufen.)

Die Konversation basiert auf einem realen Gespräch, das mit einem Emittenten geführt wurde. Natürlich funktioniert es nicht immer, telefonisch zu verlangen, dass Kurse gestellt werden, wenn der Emittent einfach kein Interesse daran hat. Aber die Erfolgsaussichten sind höher, als man meinen sollte, obwohl die Emittenten tatsächlich nicht einmal verpflichtet sind, Kurse zu stellen.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

55 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Andree-2789
    Andree-2789

    Seltsam... unter dem 2. Absatz war ein Screenshot des Kursverlaufs von UT1GT3. Jetzt ist er weg... Wer sich dafür interessiert schaue bitte selbst nach mit einem Zeitfenster auf dem der Oktober 2015 noch drauf ist.

    16:38 Uhr, 29.02. 2016
  • x__x
    x__x

    Also um mal konkret einige Namen zu nennen:

    VONTOBEL hat zwar auf alles bis auf das Wetter einen Schein im Angebot aber miese Ausführungen, schräge Spreads, Handelbarkeit eingeschränkt, Kunde ist nur zum Melken da.

    Faktor-Zertis werden auch gern mal eben gekündigt wenn das Underlying danndoch nachhaltig in die für den Eigentümer günstige Richtung zu drehen scheint (z. B. im Öl)

    Eindeutig FINGER WEG! Ende.

    BNP stellt gern auch mal keine Kurse wenn es hektisch wird - vor allem morgens im DAX. Aber bei dem 600 PKT-DAX-Absturz nach dem GR-Abstimmungsdesaster haben sie dankenswerterweise meine Put-KOs vom Freitag vorher als eine der wenigen sauber getaxt und mit +600 Punkten zurückgenommen. Da haben andere Emmis sich üblere Sachen geleistet an dem Tag (FAST MARKET von der EUREX war an dem Morgen angesagt)

    DBK handle ich selten da mir Gebühren zu teuer. Haben aber immer in Ausnahmesituationen gut funktioniert (z. B. 2015 bei dem zweiten größeren VOW3-Downmove. Da haben die nach meinem eigenen Erleben auch Abends ganz gut getaxt wenn man sich nur schlecht hedgen kann (Spreads dann größer aber noch nicht unverschämt) und waren durchgängig handelbar (DBK macht allerdings irgenwie immer 20 Uhr Feierabend ;-)

    CITI ebenso wie DBK - zu teuer. Aber gut getaxt und handelbar (z. B. erster größerer DBK-Absturz nach der Desaster-Bilanz 2015) Auch bei KO-Puts auf VW immer Quoten und Handelbarkeit gegeben

    CBK funktionieren eigentlich immer recht zuverlässig. Ist mein "Brot und Butter" Emmi für alle Lebenslagen. Bei OS etwas träge bis sie eine gestiegene Vola auch in den Scheinen die man hält dann auch hochdrehen. Bei KOs bisher nie wirkliche Probleme gehabt.

    Wie gesagt - eigene Erfahrungen, keine Empfehlung. Andere haben möglicherweise anderslautende Erfahrungen gemacht.

    08:20 Uhr, 28.02. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • FutTrader
    FutTrader

    Hier hätte besser der Trader Geduld zeigen müssen, ob sich der Impuls nicht etwa nach einem Rücklauf weiter in seine Richtung fortsetzt. Das macht den Unterschied zwischen Privatanleger und Profi. Ein Thema, dass ich leider viel zu oft in dieser Form sehen muss.

    07:38 Uhr, 28.02. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Sharedoc
    Sharedoc

    Na dann bitte einen Tipp statt leerer Worte! Freie Broker machen anscheinend lieber CFDs.

    00:29 Uhr, 26.02. 2016
  • Swiss Investor
    Swiss Investor

    Solche Spielchen gibt es auch bei Minifutures. Ich hatte einmal einen Silber Mini Long und lag mit meiner Spekulation richtig. Aber als ich im Depot nachschaute war der Minifuture aus gestoppt, obwohl der Silberpreis nicht unter den Stopp gefallen war. Reklamationen bei der Bank halfen nicht, denn sie schickten mir den Tageschart vom Silberpreis und dort war der Kurs kurzfristig intraday genau einen Cent unter den Stopppreis gefallen, lies vom Emittenten gedrückt worden.

    10:07 Uhr, 25.02. 2016
  • Thomas9100
    Thomas9100

    Kenne ich nur zugut !! 22.02 um 19.00 Uhr DOW Short von der Commerzbank gekauft. Um 19.45 Uhr plötzlich keine Kursstellung mehr. Tags drauf der Schein schön Fett im Gewinn und man kann nicht mehr verkaufen. Vorsicht vor den Verbrechern der Commerzbank !!!

    09:00 Uhr, 25.02. 2016
  • Andree-2789
    Andree-2789

    Hi Oliver,

    eine spannende, bewegende Story, die mir wie aus dem Leben gegriffen scheint. Ein ähnliche Erfahrung habe ich vor ein paar Monaten selbst gemacht:

    Ich hatte einen Call auf VW gekauft (WKN UT1GT3): 100.000 Stück zu 0,29 € am 25.9.2015. Verkauf am 8.10.2015, 10:08 alle 100.000 Stück zu 0,32€. Keine Heldentat, aber immerhin etwas...

    Exakte 3 Stunden später, um 13:08, springt der Kurs von 0,32 € um sage und schreibe 3209 %auf 10,27 € ! Die Ungläubigen können dies auf boerse-stuttgart.de unter „times & sales“ zu o.g. WKN versuchen nachzuvollziehen, sofern die Historie soweit zurückreicht. Nach etwas mehr als 1 Monat sprang der Kurs wieder auf 0,3 € zurück und dümpelt seither unmotiviert rum...

    Vermutlich hat sich der Algorhythmus der UBS gedacht, er könne seiner Bank durch diesen kleinen Aufschlag in Bezug auf diesen Schein wieder zu Gewinnen verhelfen. „Marktanpassung“...

    Die UBS habe ich jedenfalls von meiner Shoppingliste gestrichen. Wäre schön zu erfahren, welche Banken noch zu derartigen Ausuferungen neigen, dann könnte man sich auf diejenigen konzentrieren, die sich an die Spielregeln halten...

    LG Andree

    22:13 Uhr, 24.02. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • Gargol
    Gargol

    ja, kenne ich und nicht nur einmal so passiert, habe meine Konsequenzen gezogen und handle nur noch ganz bestimmte Broker.

    Das ist übrigens ein Betrug durch den Broker, der so etwas macht. + Vielen Dank für diesen Artikel

    21:53 Uhr, 24.02. 2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

Mehr über Oliver Baron
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanalyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten