Kommentar
10:14 Uhr, 02.05.2013

Kein Rettungsschirm für Slowenien

  • Die Aktionen der Rettungsschirme in der Europäischen Währungsunion sind aus dem Ruder gelaufen. Das muss gebremst werden.
  • Slowenien sollte nicht unter den Rettungsschirm des ESM kommen.
  • Das wäre ein wichtiges Signal, das das Vertrauen der Menschen in die Gemeinschaft wieder stärkt.

Irgendwann muss Schluss sein. Nach dem Rettungs­pa­ket für Zypern wird jetzt schon wieder über Hilfen ge­sprochen, diesmal für Slowenien. Es ist absehbar, dass weitere Länder folgen werden, als nächstes viel­leicht Malta. Von den großen Staaten Italien und Frank­reich ganz zu schweigen. Dann wäre bald die Hälfte der Mit­glieder der Europäischen Währungsunion unter dem Rettungsschirm.

Das kann so nicht weitergehen. Ich halte die Institution der Rettungsschirme für richtig, um Unglücke wie die Lehman-Pleite in den USA zu vermeiden. Diese Schirme dürfen aber nicht überstrapaziert werden. Eine Feuer­wehr ist wichtig, um einen Brand zu löschen. Wenn es aber permanent und überall brennt, dann braucht man keine Feuerwehr, sondern einen Brandschutz. Ich plä­diere daher dafür, dass Slowenien keine Gelder aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM erhält.

Ich weiß, dass das eine schwere Entscheidung ist. Slo­wenien braucht in diesem Jahr zur Bedienung seiner Schulden, zum Ausgleich des Haushalts und zur Reka­pitalisierung der Banken mehr als EUR 4 Mrd. Es be­fin­det sich im zweiten Jahr einer Rezession. Es wird sich fragen, warum alle anderen Länder Rettungsgelder er­halten haben und ausgerechnet es selbst nichts be­kommen soll.

Andererseits hat Slowenien eine solide wirtschaftliche Basis. Es hat gut ausgebildete Arbeitnehmer. Viele renommierte Firmen haben sich in dem Land angesie­delt (unter anderem Siemens, Bosch, IBM, Microsoft). Über Jahre ist die Wirtschaft schneller gewachsen als die Eurolands (siehe Grafik). Die Staatsverschuldung des Landes lag im vorigen Jahr bei nur 54 % der Wirt­schaftsleistung (Deutschland 82 %).

Es bedarf natürlich wichtiger Gründe, Slowenien ein Ret­tungspaket zu verweigern. Der wichtigste ist ordnungs­politischer Natur: Wie in einem nationalen Staat ist auch in einer Währungsunion Solidarität wichtig. Sie hat aber Grenzen. In Deutschland wurde vor zehn Jahren mit der Einführung der Hartz-Reformen das Prinzip des "For­derns und Förderns" eingeführt. Menschen wird nur dann geholfen, wenn es gar keine andere Lösung gibt. Die Betroffenen müssen einen erheblichen Eigenbeitrag leisten. Auf diese Weise gelang es, den Anstieg der So­zialausgaben nachhaltig zu bremsen und die Wirtschaft auf eine verlässlichere Basis zu stellen.

So etwas wird jetzt beim Euro gebraucht. Auch hier sind die Hilfen aus dem Ruder gelaufen (selbst wenn es sich hier nicht um Transfers, sondern um Kredite handelt). Natürlich wird von der Troika – den Experten von EU, IWF und EZB – ein Eigenbeitrag gefordert, der für die Länder sehr schmerzhaft ist. Aber warum muss das immer in Form von bürokratischen Spar- und Reform­programmen geschehen? Warum kann man nicht auf den Marktdruck von Pleiten und oder Zahlungsverzöge­rungen vertrauen? Innerhalb der einzelnen Volkswirt­schaften kommt der Staat ja auch nicht auf die Idee, jedem Unternehmen in Schwierigkeiten mit Geld zu helfen und Restrukturierungsprogramme vorzuschrei­ben.

Die Ablehnung eines Rettungspakets an Slowenien würde potenziellen Kandidaten für den Rettungsschirm klar machen, dass sie nicht quasi automatisch auf Hilfe vertrauen können. Die Zustimmung der Bevölkerung der Gläubigerländer zur Gemeinschaftswährung würde stei­gen, wenn die Währungsunion keine Umverteilungsma­schinerie mehr wäre. Wir haben bei den Hartz-Gesetzen gesehen, wie wichtig auch der Symbolgehalt von Hand­lungen ist.

Slowenien braucht nicht in erster Linie Geld, um wieder auf die Beine zu kommen. Es benötigt vor allem Vertrau­en bei den internationalen Investoren. Das kehrt aber nur wieder, wenn es einschneidende Reformen in das Wirtschaftssystem gibt. Die ungute Verquickung von Staat und Wirtschaft, die noch aus der Zeit des kom­mu­nistischen Regimes in Jugoslawien stammt, schreckt viele ab. Sie muss abgeschafft werden.

Wenn das Land jetzt Geld von außen bekäme, würde die Bereitschaft dazu nicht zunehmen, sondern eher nachlassen. Umgekehrt würde die Verweigerung von Geld der Regierung helfen, den Widerstand der ge­sellschaftlichen Gruppen gegen Reformen zu brechen.

Dass Slowenien im Falle einer Ablehnung eines Ret­tungspakets auf den Märkten vielleicht 7 % Zinsen zah­len müsste (mehr als seinerzeit Griechenland, Portugal und Irland), ist kein Gegenargument. Das ist zwar ein hoher Satz. Es gilt jedoch nur für begrenzte Zeit, wenn die Regierung wirklich die Reformen in Angriff nimmt.

Manche befürchten Ansteckungseffekte, wenn die Slo­wenen ihre Schulden nicht rechtzeitig zahlen oder Ban­ken pleite gehen. Ich teile die Befürchtungen nicht. Kein anderes Land käme durch Slowenien in Schwierigkeiten. Die Finanzmärkte würden keinen größeren Schaden nehmen. Die größte slowenische Bank, die Nova Ljubl­janska Banka, hat eine Bilanzsumme von gerade mal EUR 16 Mrd. (kaum mehr als eine große Sparkasse in Deutschland).

Für den Anleger

Der Fall Slowenien kann zu einem Lackmustest der Eu­rokrise werden. Wenn die Gemeinschaft ein Rettungs­paket an das Land ablehnt, kann es zwar vorüber­ge­hend zu Irritationen kommen. Auf Dauer aber werden die Märkte positiv reagieren, wenn der Trend zur Trans­ferunion gestoppt wird und der Rückhalt des Euros bei der Bevölkerung steigt. Dann wäre es an der Zeit, in die Aktien- und Rentenmärkte der Krisenländer Europas einzusteigen. Diese Märkte sind – mein ceterum censeo – nach wie vor sehr niedrig bewertet. Sie haben ein im­menses Aufholpotenzial, wenn die Eurokrise überwun­den wird.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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