Kommentar
18:08 Uhr, 04.04.2011

Kehrt die EZB zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurück?

Am kommenden Donnerstag wird die EZB erstmals seit der Finanzkrise den Leitzins anheben. Darin sind sich praktisch alle Marktbeobachter einig. Zunächst nur ein viertel Prozent auf 1,25%, aber das ist nur der Anfang. Meiner Meinung nach werden wir schon 2012 eine 2 vor dem Komma sehen, und auch das reicht noch lange nicht. Denn die Nachrichten von der Preisfront sind alarmierend. Im März lag die Teuerung in der Euro-Zone bei 2,6% p.a. und damit weit entfernt von der EZB-Wohlfühlgegend unter 2%.

Mögen die offiziellen Daten schon alarmierend sein, so ist es die "echte Inflation" erst recht. Sie haben ja sicher von dem fiktiven Warenkorb gehört, der zur Inflationsermittlung herangezogen wird. Das ist für mich statistische Spielerei. Viel interessanter und aussagekräftiger ist doch z.B., was mit den Vermögenswerten passiert.

Silber, oft verächtlich als Gold des kleines Mannes bezeichnet, hat sich seit letzten Sommer mal eben so verdoppelt. Gold hat immerhin rund ein Viertel zugelegt. Und auf Immobilien in Deutschland gibt es einen wahren Run. Am Wochenende war ich auf einer Musterhausausstellung im Raum München - die Leute haben sich gerade zu totgetreten! Jeder will bauen, Land kaufen oder sonst wie sein Geld in Sicherheit bringen!

Besonders verwunderlich ist das nicht. Das chronische Schnüren von Euro-Rettungspaketen trägt ebenso wenig zur Vertrauensbildung bei wie die völlig offensichtliche Schieflage mehrerer Staaten des gemeinsamen Währungsraums. Bei den Bürgern verfestigt sich die Erwartungserhaltung, dass der Euro zumindest in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht überleben wird. In Griechenland schaffen Wohlhabende schon eine Weile ihr Geld ins Ausland, und nach und nach dürfte das auch in anderen Ländern passieren. Selbst das noch stabil scheinende Italien ist gefährdet, und aller spätestens dann wird der gesamte Rettungsmechanismus zur Farce. Es kann auch mal der Tag kommen, an dem man selbst Deutschland nicht mehr zutraut, halb Europa zu retten.

Das Vertrauen in das Geldsystem rasch wiederherzustellen ist auch für die Zentralbank fast unmöglich. Aber die EZB kann man mit einer rigideren Zinspolitik zumindest dazu beitragen, den Inflationsdruck zu mildern. Das ist ja ohnehin ihre eigentliche Aufgabe - die Wahrung der Preisstabilität. Die Zentralbänker müssen höllisch aufpassen, dass sie sich nicht von politischen Hilferufen beeinflussen lassen.

Ihr
Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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