Kommentar
15:20 Uhr, 11.07.2014

Kapitalmarkt-Sommer 2014: Erst einmal verschnaufen!

Erwähnte Instrumente

  • DAX
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    Kursstand: 9.653,18 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • EUR/USD
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Die letzten Konjunkturdaten haben die Aktienmärkte fundamental kalt erwischt: Die letzten Indikatoren - deutsche Industrieproduktion, euroländische Einkaufsmanagerindices, ifo Geschäftsklimaindex - gaben nach. Die jahresanfänglichen Wirtschaftsprobleme der Schwellenländer, der Konflikt in der Ukraine und Befürchtungen über eine eingeschränkte Ölversorgung aus dem Nahen Osten hinterließen ihre Bremspuren. Für „Konjunkturdämmerung“ ist aber kaum Platz. Nach einer Eintrübung zu Jahresbeginn deutet der von JP Morgan veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das weltweite Verarbeitende Gewerbe mit einem Wert von 52,7 im Juni nach 52,1 im Vormonat eindeutig auf eine Stabilisierung hin. Hier sind die USA und Schwellenländer die maßgeblichen Treiber. Nachvollzogen wird diese Einschätzung von Industriemetallen, die im Vorjahresvergleich um elf Prozent zulegen.

Konjunkturhinderliches Störfeuer der Notenbanken ist nicht zu befürchten

Auf verbesserte Konjunkturaussichten deutet auch das Unternehmensergebnis des weltgrößten Aluminiumproduzenten Alcoa - typischerweise ein harter Konjunkturzykliker - im Rahmen der beginnenden Berichtsaison für das II. Quartal hin. Alcoa konnte dank gestiegener Aluminiumpreise sowie soliden Geschäften mit Alufelgen und Flugzeugrümpfen eine deutliche Nettogewinnsteigerung bei wieder schwarzen Zahlen zeigen.

Konjunkturhinderliches Störfeuer der Notenbanken ist nicht zu befürchten. Denn in den USA sind Zinserhöhungen von vor- zu nachlaufenden Wirtschaftsindikatoren geworden. Laut letztem Sitzungsprotokoll der Fed werden die Zinsen erst bei nachhaltigem Wachstum und Arbeitsplatzaufbau erhöht. Noch sieht die US-Notenbank Abwärtsrisiken, so dass die erste Zinserhöhung erst später im nächsten Jahr und weitere mit geringem, kaum konjunkturschädlichem Tempo stattfinden und im Vergleich ohnehin homöopathisch ausfallen.

Was ist eigentlich mit…Italien?

Die italienische Wirtschaft befindet sich seit zweieinhalb Jahren in der Rezession. Dank der „Konjunkturunterstützung“ der EZB lässt der Gegenwind zumindest geldtechnisch nach. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bleibt mit einem Wert von zuletzt 52,6 in Expansion anzeigendem Terrain, hat aber dennoch etwas nachgegeben. Optimistischer zeigt sich der Dienstleistungssektor mit einem Indexwert von 53,9.

Italienische Politik: Wer reformiert, wird abgewählt oder abgesetzt

Die Hoffnungen der Wirtschaft ruhen auf dem neuen Ministerpräsidenten Renzi, der tiefgreifende politische sowie Strukturreformen zur nachhaltigen Förderung der italienischen Wettbewerbsfähigkeit versprochen hat. Allerdings ist das von Renzi angekündigte 1.000-Tage-Programm eine Herkules-Aufgabe. Zwar stellt er beginnend ab 1. September 2014 eine umfangreiche Privatisierung, eine Steuervereinfachung und eine Reform des Arbeitsmarktes in Aussicht. Aber schon allein die hier dringend gebotene Entbürokratisierung der Verwaltung trifft auf den Widerstand einer opportunistischen italienischen Polit-Landschaft. Seit der letzten Parlamentswahl haben 78 von 329 Senatoren die Parteizugehörigkeit gewechselt, was klare Mehrheitsverhältnisse zur Reformdurchsetzung zum Lottospiel macht. Fraglich ist auch, ob der aktuelle Polit-Pakt mit der Oppositionspartei Silvio Berlusconis hält. Ein Scheitern Renzis wie bei seinen Amtsvorgängern Monti und Letta und damit eine Konservierung der politischen Lähmung Italiens ist immer möglich.

Wenn alle Stricke reißen, bleibt Italien nur die „Neuinterpretation“ des Euro-Stabilitätspaktes, um die Volkswirtschaft über mehr Neuverschuldung zu stützen. Hier kommt Renzi die seit 1. Juli begonnene italienische EU-Ratspräsidentschaft sehr gelegen. Waffenbrüder werden hierbei Frankreich und Spanien sein, die unter ähnlichen Strukturdefiziten leiden. Bereits heute ächzt Italien unter einer gewaltigen Staatsverschuldung. Während diese ab 2008 gemäß unserer Projektion bis 2016 um ca. 40 Prozent zugelegt haben dürfte, bleibt bis dahin der Konjunkturzuwachs mit fünf Prozent enttäuschend.

Italienische Aktien profitieren von EZB-Dauersorgenpause

Angesichts des Schuldenstands und der trotz Reformermüdung geplanten Schuldenabsolution - selbst in der deutschen GroKo hat die Aufwertung des Wirtschafts- und Schwächung des Stabilitätsgedanken große Fürsprecher - muss ein die Schuldentragfähigkeit gefährdender Anstieg der Zinszahlungen als Anteil am Gesamthaushalt Italiens verhindert werden. Die italienische Staatsverschuldung beträgt bereits jetzt 135 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die „Drecksarbeit“ bleibt bei der EZB hängen, die zur Verhinderung einer italienischen Staatsschuldenkrise gezwungen wird, ihre staatsanleihedrückende Geldpolitik fortzusetzen.

GRAFIK DER WOCHE

Italien: Staatsverschuldung und Anteil der Zinszahlungen an den Gesamtausgaben

Dank des Euro-Rettungsversprechens der EZB liegt die Rendite fünfjähriger italienischer Staatsanleihen mit 1,41 Prozent, trotz einem Standard & Poor‘s-Rating von BBB, Thailand und Mexiko liegen bei BBB+, auf dem niedrigsten Niveau seit Euro-Einführung. Die Finanzmärkte zweifeln definitiv nicht an der weiteren geldpolitischen Unterstützung.

Immerhin, da die systemgefährdende Euro-Staatsschuldenkrise durch den Einfluss der EZB nicht mehr virulent ist, hat der MSCI Italy Index deutlich Auftrieb erhalten.

Wie lange hält die italienische Outperformance noch?

Unter den euroländischen Aktienindices ist der italienische in diesem Jahr ein klarer Outperformer, sogar der beste Eurolands. Italienische Aktien profitieren von ihrem Nachholpotenzial vor allem gegenüber deutschen Aktien. Viele, insbesondere norditalienische Konzerne sind besser geführt als der eigene Staatshaushalt und gehören mit einer konkurrenzfähigen Industrie- und Konsumgüterkultur ähnlich wie eine Vielzahl deutscher Mittelstandsunternehmen zur Weltspitze. Sollte die Verbesserung der Standortqualitäten Italiens allerdings nicht beherzt umgesetzt werden, dürfte diese relative Stärke gegenüber den fundamental stärker aufgestellten euroländischen Aktienmärkten auslaufen.

Tatsächlich, eine Vorahnung über eine differenzierte Aktienentwicklung zeigte sich bereits in den letzten Tagen. Denn die Gerüchte um Zahlungsschwierigkeiten des portugiesischen Kreditinstituts Banco Espirito Santo haben verdeutlicht, dass von der schönen geldpolitischen Fassade blühender Landschaften der Euro-Südzone die fundamentale und finanzwirtschaftliche Realität abweicht. Das Negativimage aus der Zeit der Euro-Krise haftet insbesondere Aktien aus der Euro-Südzone immer noch an.

Aktuelle Marktlage

Momentan sind die Aktienbörsen in Konsolidierungslaune. Die klar vernehmliche geldpolitische Unterstützung, die in der ersten Jahreshälfte der hauptsächliche Aktientreiber war, wird während der Sommerpause weniger stark in Erscheinung treten. Es wird mehr auf fundamentale Daten geschaut. Diese sind zunächst noch durch die geopolitischen Irritationen und jahresanfänglichen Konjunkturunsicherheiten der Emerging Markets geprägt. Dies dürfte sich auch noch in der aktuellen Berichtsaison für das II. Quartal niederschlagen.

Das spricht für zwischenzeitliche Konsolidierungen, nicht aber für Kurseinbrüche oder gar eine Panik an den Aktienmärkten. Denn in der zweiten Jahreshälfte ist zumindest von einer weiteren Entspannung der energietechnischen Seite der geopolitischen Konflikte auszugehen. Dann wird auch fundamental geliefert. Gerade der export- und konjunktursensitive deutsche Aktienmarkt profitiert dann von der weltkonjunkturellen Stabilisierung und einem zu erwartenden, schwächeren Euro. Ohnehin wird dann die zyklische Aktienseite insgesamt die Oberhand gewinnen. Und auch - so langweilig es klingt - bleibt die Geldpolitik insgesamt ein äußerst fruchtbarer Nährboden für nachhaltig steigende Aktien.

Bankenkrise reloaded?

Eine Bankenkrise, die einige Marktteilnehmer anlässlich der Zahlungsschwierigkeiten des portugiesischen Finanzkonglomerats Banco Espirito Santo auf die Finanzmärkte zukommen sehen, ist nicht zu erwarten. Das Thema soll nicht kleingeredet werden. Es ist fest davon auszugehen, dass bei wirklich genauem Hinsehen auch andere Banken in den peripheren Euro-Länder ähnliche Liquiditätsprobleme haben. Die Kreditaltlasten aus der geplatzten Immobilienblase und die immer noch schwachen Konjunkturen legen keinen anderen Schluss nahe.

Die Risikoaufschläge 5-jähriger portugiesischer zu deutschen Staatsanleihen haben sich zuletzt bereits erhöht gezeigt und auch italienische und spanische Titel konnten sich von dieser Entwicklung nicht abkoppeln.

Systemkrise 2.0? Es kann nicht sein, was nicht sein darf!

Unter normalen Umständen wäre eine euroländische Bankenkrise zu erwarten. Aber sie kann nicht stattfinden, weil sie nicht stattfinden darf. Wir leben nicht mehr in von Normalität geprägten Rahmendaten, sondern in Kriseninterventionszeiten von unbegrenzten geldpolitischen Gnaden. Wäre es nicht ein Treppenwitz seitens der EZB, wenn sie, die seit mindestens zwei Jahren die Rettung der Banken und Staatsschulden betreibt, jetzt ihre geldpolitischen Hände in den Schoß legt?

Es kann, darf und wird keine zweite Systemkrise in der Eurozone geben.

Charttechnik

Da kurzfristig der dritte Versuch, die psychologisch wichtige Marke bei 10.000 Punkten nachhaltig zu überwinden, scheiterte, ist zunächst eine Fortführung der Korrektur möglich. Tragfähige Haltelinien verlaufen im Bereich um die 9.600 und darunter bei 9.518 Punkten.

Im Falle einer technischen Erholung liegen die ersten Hürden bei 9.750 und darüber bei 9.838 Punkten. Überschreitet der DAX diese Widerstände, treten die nächsten Hürden bei rund 9.900 und bei 9.981 Punkten in den Vordergrund. Eine deutliche Verbesserung der technischen Situation ist erst nach einem Ausbruch über die Widerstandszone zwischen 10.033 und 10.050 Punkten zu erwarten.

Und was passiert in der nächsten Woche?

Im Rahmen der US-Berichtsaison für das II. Quartal werden die Wall Street-Banken Citigroup, JPMorgan, Goldman Sachs, Bank of America und Morgan Stanley von abgearbeiteten Altlasten aus Rechtsstreitigkeiten profitieren. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich das Geschäft im Investment Banking als Hemmschuh herausstellt. Die IT-Konzerne Google und Yahoo dürften über sinkende Werbepreise für Werbung auf mobilen Endgeräten klagen, während IBM und Intel Gegenwind von der Schwäche im klassischen PC-Geschäft erhalten. Die Ausblicke dürften stabiler ausfallen. Auf

Makroebene dürften die BIP-Zahlen für das abgelaufene II. Quartal in China Stabilisierungstendenzen unterstreichen. In den USA hält die binnenwirtschaftliche gute Stimmung mit verbesserten Einzelhandelsumsätzen und einem soliden Verbraucherindex der Universität von Michigan an. Der US-Immobiliensektor setzt seinen Aufwärtstrend mit stabilen Baubeginnen und -genehmigungen fort.

Ein stabiles Konjunkturbild dürfte auch der von der US-Notenbank veröffentlichte Konjunkturbericht - das Beige Book - zeichnen. Anleger dürften diesen akribisch auf Signale in punkto Leitzinsentwicklung abklopfen. Das gleiche gilt für die halbjährliche Anhörung von Fed-Cefin Yellen vor dem US-Kongress.

In Deutschland schaut man auf die ZEW Konjunkturerwartungen der gegenüber Unternehmen eher pessimistischen Analysten.

HALVERS WOCHE: In der Finanz-Geschichte sind alle Blasen geplatzt - Wann ist die Rentenblase dran?

Anlageblasen hat es an den Finanzmärkten immer schon gegeben. Sie fanden rollierend bei Edelmetallen, Immobilien oder am Aktienmarkt, z.B. in Japan oder am Neuen Markt, statt.

Doch das waren alles nur Bläschen im Vergleich zur aktuellen Mutter aller Blasen am Rentenmarkt. Die Renditen von Staatsanleihen der Industrieländer kennen seit September 1981 nur den Sinkflug. Als Luftpumpe kam dabei vor allem die US-Notenbank zum Einsatz, die unter ihren letzten drei Vorturnern die Leitzinsen immer mehr drückte. Seit nunmehr 34 Jahren wird der Luftballon der Staatsanleihen aufgeblasen. Diesen Renten-Blähungen kann sich auch die Euro-Peripherie nicht mehr entziehen. Im Euro-Zeitalter waren die Renditen italienischer oder spanischer Staatspapiere niemals niedrig als jetzt.

Leider zeigt die Finanzhistorie, dass es bei Anlageblasen nie ein Happy End gab. Alle Blasen hatten das gleiche Schicksal: Sie platzten. Denn der jeweilige Herr US-Notenbankpräsident - bis vor kurzem waren es nur Männer - ließ regelmäßig die zuvor Fed-geschaffene Blase wieder in die ewigen Jagdgründe der Finanzwelt eingehen. Der Herr gibt es, der Herr nimmt es.

Bloß nicht auf Umkehrschub umschalten

Was passiert, wenn die Geldpolitik zum Staubsauger wird?

Staatsschulden gibt es wie Sand am Meer. Allein das Land der unbegrenzten Schulden-Möglichkeiten, die USA, hat Staatstitel von 18.000 Mrd. US-Dollar im Umlauf. Grundsätzlich ist die Liste der in Schuldenschönheit erstarrten Länder länger als die Wunschliste der Kinder an Weihnachten. Da Staatsschulden die weltgrößte Anlageklasse sind, wimmelt es in unendlich vielen weltweiten Anlagedepots von Kapitalsammelstellen, Versicherungen und Pensionsfonds nur so davon. Momentan stehen dicke Kursgewinne darauf. Da stellt sich die Frage, ob die Renditen überhaupt noch sinken können, also ob man nicht lieber aus Buch- tatsächliche Gewinne macht. Auch wird in Anlagestrategiesitzungen frevelhaft diskutiert, was passieren würde, wenn sich die Finanz-Geschichte wiederholt, die Bank of Japan, die EZB und die Fed von Blasen auf Aufsaugen umschalten und so ihren jahrzehntelangen geld-militärischen Feuerschutz für Staatspapiere einstellen. Dann erlebten wir die Kapitulation der Rentenmärkte: Anleger würden in Massenpanik - dann gibt es keinen geordneten Exodus mehr - den Rückzug antreten.

Geldpolitische Apokalypse now? No never!

Die Geister, die die Notenbanken riefen…

Zu volkswirtschaftlichen Risiken und Nebenwirkungen dieses Vertrauensverlustes braucht man dann auch nicht mehr den Arzt oder Apotheker zu befragen. Wenn eine schuldenabhängige Volkswirtschaft keine neuen Schulden mehr machen kann, weil sie aus Risikomeidung der Anleger kein Geld mehr erhält und/oder die hohen Zinsen nicht mehr bezahlen kann und auch Unternehmen mit ihren Anleihen dann in den gleichen Sack gesteckt werden, verdörrt die gute Konjunkturstimmung wie Blumen, die während des Urlaubs nicht gegossen wurden. Ebenso würde die finanzwirtschaftliche Stimmung schneller sinken als die brasilianischer Fußballfans bei der 1:7-Klatsche gegen Deutschland. Denn das Vermögen großer internationaler Anleger - z.B. China mit seinen über drei Billionen US-Staatspapieren - fällt über Kursverluste zusammen wie ein Kartenhaus. Staatspapiere wären auf einmal tatsächlich Papier. Haben beim Platzen der Immobilienblase die Dämme des Finanzsystems noch geradeso gehalten, würden beim Bersten der Mega-Blase Staatsanleihen wohl alle Dämme der westlichen Finanzwelt brechen.

Das ultimative Dilemma der Geldpolitik

Ist diese Gefahr real? Eher besteigt Prince Charles den britischen Thron. Zwar sollten die Notenbanken dringend den Luftdruck in der Rentenblase abbauen, um den bereits seit Jahren andauernden, fatalen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Bislang werfen sie reformunwilligen Ländern ihr zinsbilliges Geld geradezu in den Rachen und verteilen damit - ohne bonitäts- und investitionsstandortverbessernde Gegenleistungen - großzügige Blankoschecks für eine ungehemmte Schulden-Wollust. Ich behaupte jedoch, dass die Zentralbanken aus dieser geldpolitischen Luftakrobatik nicht mehr heraus kommen. Sie befinden sich in einem massiven Dilemma: Wenn sie keine Luft absaugen, werden die Rentenblase und ihre volkswirtschaftlichen Schäden immer noch größer. Wenn sie aber Luft absaugen, setzen sie unser geld-drogenabhängiges Welt-Rentensystem und nebenbei auch die konjunkturell frei atmenden Schwellenländer schlimmster finanzwirtschaftlicher Luftnot aus. Nicht zuletzt fliegt ihnen auch noch die größte Lüge der Finanzgeschichte - dass große Staatschulden netto jemals zurückgezahlt worden sind - gewaltig um die Ohren. Das alles weiß auch die Fed, die mit ihrer aktuell verbalerotischen Luftakrobatik auf große geldpolitische Restriktion macht.

Dreh Dich nicht um, denn der Zinsklau geht um

Mir gefällt diese alternativlose Abhängigkeit unseres “Rentensystems“ von der guten Laune der Geldpolitik überhaupt nicht. Übrigens, warum sollte man in Staatsanleihen investieren, wenn von ihren Renditen nach Inflation und Steuern weniger als NIX übrig bleibt. Leider werden mit dieser Rendite-Diät auch die anderen Formen von Zinsanlagen in Sippenhaft genommen. Selbst die Renditen der windigsten Mittelstandsanleihen fallen. Es riecht nach Neuem Markt, nur dieses Mal auf der Zinsseite. Zugegeben, Staatspapiere haben den Vorzug, dass ihre Schuldner nicht pleitegehen können. Bei Fälligkeit erhalten sie 100 Prozent zurück. Damit machen Anleger immerhin nominal keine Verluste. „Staatspapiere sind risikolos“, heißt es schon in der modernen amerikanischen Portfoliotheorie. Das ist ihr oberster, geradezu heiliger Grundsatz. Aber bestätigt sich diese theoretische Heiligkeit von Staatstiteln auch in der Praxis?

IWF - Liebe Anleger verzeihen Sie ihm nicht, denn er weiß, was er tut

Der Internationale Währungsfonds (IWF) - keine unbedeutende Adresse in der Finanzwelt - hat bereits zum zweiten Mal innerhalb von 10 Monaten die Mithaftung der Gläubiger von Staatsanleihen ins Spiel gebracht. Laut IWF könnten auslösende Bedingungen sein, dass Schuldnerländer am Kapitalmarkt kein Geld mehr erhalten und/oder Staatsschulden oberhalb bestimmter „Obergrenzen“ liegen. Was heißt Obergrenze? Es ist ein Gummiparagraph, der bei Bedarf in die gewünschte Richtung rechtsgebeugt werden kann. Unabhängig davon wird aber angesichts zunehmender Schulden in der westlichen Welt irgendwann jede Obergrenze überschritten.

Käme es bei Staatsanleihen tatsächlich zu Kuponherabsetzungen, einem Verzicht auf Zinszahlungen, Laufzeitverlängerungen oder gar Schuldenschnitten, würde aus dem theoretisch risikolosen Heiligenschein von Staatstiteln schnell ein praktisch problematischer Scheinheiligenschein. Und das nennt man Enteignung. Eine Blaupause gibt es hierfür auch schon: Griechenland.

Lieber IWF, hättest Du geschwiegen, wärst Du Philosoph geblieben. Aber ich glaube, das war gar nicht Deine Absicht, oder?

Liebe Anleger, behalten Sie ihre Blasenprobleme im Auge!

Ist der Makro-Kosmos der Finanzwelt pfui, muss der Mikrokosmos der Anleger hui sein

All diese Argumente gegen Staatsanleihen scheinen bei deutschen Anlegern kein Gehör zu finden. Im Gegenteil, der Deutschen liebstes Kind ist nicht etwa das Auto oder Fußball, sondern das Zinsvermögen, also auch Staatspapiere. Darin legen wir unser Geldvermögen zu etwa 80 Prozent an. Soll doch niemand behaupten, wir hätten keinen Humor.

Ich spreche nicht davon, aus dem Klumpenrisiko Zinsvermögen ein Klumpenrisiko Sachvermögen, z.B. in Form von Aktien, zu machen. Aber gegen eine Verteilung Richtung 50:50 ist nichts einzuwenden.

Über restriktive Geldpolitik oder Enteignung wird die Renten-Blase nicht heute, morgen oder übermorgen platzen. Wie im Möbelhaus dudelt die beruhigende Musik der Geldpolitik auch am Rentenmarkt von morgens bis abends durchgehend. Aber wer kann schon in die Zukunft schauen? Denken Sie sich in das Jahr 2008 zurück: Hätten Sie damals erwartet, dass wir dort stehen, wo wir heute stehen? Wie auch immer, sollte diese entspannende Musik irgendwann verstummen, sollte man - ähnlich wie beim Spiel „Reise nach Jerusalem“ - schnell einen sicheren Platz ergattern.

Aber warum sich nicht schon heute nach einer passenden Sitzgelegenheit umschauen? Substanzaktien haben alle Finanzkrisen gut überlebt. Es spricht nichts dafür, dass es bei einer theoretisch neuen anders laufen wird. Anlegern, denen Aktien zu teuer oder ungeheuer sind, ist mit regelmäßigen Ansparplänen prima geholfen.

Staatspapiere haben wir in diversen Formen - Versicherungen, Betriebsrenten, staatlichen Renten - alle schon genug, nämlich bis Oberkante Unterlippe.

Anleger-Auge sei wachsam! Behalten Sie ihre Rentenblase, sozusagen Ihre Blasenprobleme, im Blick!

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

1 Kommentar

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  • Spocki
    Spocki

    wieder mal ein sehr guter Artikel

    18:20 Uhr, 12.07.2014