Kapitaleinkünfte und die liebe Steuer
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Als ich 1997 mit dem Traden begann, sah die steuerliche Welt für Börsen-Spekulanten im Wesentlichen so aus: Es hat einfach niemand seine Gewinne angegeben! Die Einnahmen des Fiskus aus privaten Veräußerungsgeschäften lagen damals unter der Milliarden-Grenze. De facto hat es keinen gejuckt, de jure war die Gesetzgebung für kurzfristig orientierte Trader recht hart. Wer binnen eines halben Jahres kaufte und verkaufte ("Spekulationsfrist"), musste zum vollen Einkommensteuersatz versteuern. Wer länger hielt, konnte den Gewinn steuerfrei vereinnahmen. Es war nicht gerade die Hochzeit des Tradings. Jedes Jahr wurde separat betrachtet, und eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten war nicht möglich. D.h. wer in einem Jahr Verluste machte und im nächsten Gewinne in gleicher Höhe, zahlte Steuern, obwohl er summa summarum nichts verdient hatte. Aufgrund der Tatsache, dass die Behörden aber äußerst lasch bis gar nicht kontrollierten, war der Ehrliche wie so oft der Dumme. Das Bundesverfassungsgericht erklärte schließlich die Steuer auf Spekulationsgewinne für die Jahre 1997 und 1998 für verfassungswidrig – ein Steuerrechtler hatte erfolgreich und mit guten Argumenten geklagt.
Als 1999 die steuerliche Haltefrist auf ein Jahr heraufgesetzt wurde, wurde immerhin die Möglichkeit eingeführt, Verluste vorzutragen, wenn auch die Verrechnung mit anderen Einkunftsarten unmöglich blieb, was bis zum heutigen Tag so ist. Ausnahme: Man hielt in den letzten 5 Jahren irgendwann mal mind. 1% an einer AG. Dann ist man „wesentlich“ beteiligt, und etwaige Verluste aus dem Verkauf sind betriebliche Verluste, die mit anderen Einnahmen verrechnet werden können.
Die erste wahre Revolution der steuerlichen Behandlung von Spekulationsgewinnen kam 2001. Der Ausgangspunkt war dabei die Behandlung von Dividenden. Es gab bis 2000 ein „Anrechnungsverfahren“, das hier nicht näher erläutert werden soll. Was in der öffentlichen Debatte gerne vergessen wird: Dividenden werden aus Bilanzgewinnen gespeist, das heißt das Unternehmen hat den Gewinn vor der Ausschüttung bereits versteuert. Landet der Gewinn schließlich als Cash beim Unternehmenseigner, langt der Fiskus nochmal zu. Ein klassischer Fall von Doppelbesteuerung, den man abmildern muss.
Da das deutsche Anrechungsverfahren nicht mit europäischem Recht zu vereinbaren war, wurde es 2001 durch das Halbeinkünfte-Verfahren ersetzt. Bis Ende 2008 wurden nun Dividenden beim Aktionär hälftig nochmal versteuert. Da Aktienkurse, jedenfalls theoretisch, nichts anderes als abdiskontierte zukünftige Dividenden sind, galt das Halbeinkünfteverfahren auch für Gewinne aus Aktienveräußerungen. Es waren goldene Zeiten für Trader, die Effektivbelastung lag selbst für Topverdiener bei 21% plus Solizuschlag.
2009 schließlich kam die zweite Revolution der Besteuerung von Kapitaleinkünften. Seither gibt es die praktische Abgeltungsteuer. Mit 25% plus Soli plus etvl. Kirchensteuer ist man dabei. Erfasst sind nicht nur Spekulationsgewinne, sondern auch Zinserträge. Eine Spekulationsfrist gibt es seitdem nicht mehr. Ausnahmen: Immobilien (zwei bzw. zehn Jahre, je nachdem man die Immobilie selbst genutzt oder vermietet hat) und physische Aktiva wie z.B. Goldbarren (1 Jahr).
Warum ist die Abgeltungsteuer praktisch? Früher musste man seinen Gewinn selbst ermitteln, und dabei gab es nicht wenige Fallstricke. Wer seinen Gewinn falsch errechnete, ging das Risiko der Steuerverkürzung bzw. –hinterziehung ein. Im Abgeltungsteuer-Regime ermittelt die Bank den Gewinn dagegen selber und führt die Steuer direkt ab. Somit hat man als Bürger nahezu null administrativen Aufwand.
Die Abgeltungsteuer war von Anfang an umstritten. Sie ist vor allem von links unter Beschuss. Dabei echauffiert man sich besonders über die optisch niedrigen Steuersätze. Sehr gerne wird dabei einfach ignoriert, dass – wie oben bereits erläutert – Dividenden beim Anteilseigner zweitversteuert werden (was zu einer effektiven Gewinnbelastung von über 48% führt). Und auch die Behandlung von Zinserträgen scheint mit 25% plus Soli zunächst sehr gnädig. Auch hier wird aber ein wichtiger Fakt übersehen: Beträgt der Zins 4% und die Inflationsrate 2%, dann beträgt der reale Ertrag eben nur 2%. Versteuert werden aber die vollen 4%. Wirtschaftswissenschaftler sprechen hier zu Recht von „Scheingewinnen“, die besteuert werden.
Es ist heute nicht abzusehen, ob die Abgeltungsteuer auf Dauer Bestand haben wird. Eine neue linke Regierung könnte 2018 oder auch schon früher die Steuer entweder kippen und das alte Verfahren wieder einführen (Besteuerung zum persönlichen Einkommensteuersatz) oder aber den Abgeltungsteuersatz deutlich anheben. Das wäre im wahrsten Sinne ein Bärendienst für die deutsche Aktienkultur, die eigentlich das Gegenteil bräuchte.
Ihr
Daniel Kühn
Soweit ich weiß, wird die Abgeltungssteuer auf den erzielten Bruttogewinn berechnet, d.h., dass man auf die Provisionen der Bank auch noch Steuern zahlen muss. Das ist doch ausgesprochen ungerecht oder?
Stimmt, Futures waren steuerlich irrelevant. Die einen fanden es schön, die anderen eher weniger :)
Als sie mit dem Börsenhandel angefangen haben, war ich schon 15 Jahre dabei und habe 1997 fast ausschließlich Futures gehandelt. Wenn ich mich richtig erinnere, galt der Handel mit Futures damals als Wette, die den Fiskus nicht interessierte, man mußte also gar nicht steueunehrlich werden. Schöne Zeiten.