Kommentar
10:15 Uhr, 18.04.2012

Kann man Gaps profitabel handeln?

Unlängst saß ich mit einem Kollegen in einer durchschnittlichen Pizzeria in Zürich und diskutierte die Möglichkeit einer automatisierten Gap-Handelsstrategie. Sieht man einmal von der 22 Euro teuren Pizza ab war das Gespräch sehr ertragreich. Im Prinzip ist eine solche Strategie möglich. Die Annahme dafür war, dass Gaps generell geschlossen werden. Es gibt dabei aber vor allem ein Kernproblem, welches mein Kollege etwas sarkastisch auf den Punkt brachte: „Irgendwann wird wahrscheinlich jedes Gap geschlossen.“ Was damit gemeint ist zeigt der erste Chart. So steht z.B. die Schließung des Dax Gaps vom 1.4.2009 bei 4.216 Punkten noch aus. Das Warten auf eine Gapschließung kann also lange und teuer werden. Die Herausforderung besteht deswegen darin, zwischen Gaps, die rasch geschlossen werden und Gaps, die nicht geschlossen werden, zu unterscheiden.

Um profitabel mit Gaps zu handeln (ob automatisiert oder nicht), braucht man klare Kriterien wie man die Gap Arten unterscheiden kann.
Zwei Gaparten werden generell geschlossen: Common und Exhaustion Gaps. Für eine Handelsstrategie, welches auf dem Prinzip der Gapschließung beruht, müssen also alle anderen Gaps rechtzeitig erkannt und aussortiert werden. Gaps, die nicht bzw. „erst irgendwann“ geschlossen werden, sind das Breakaway und Runaway Gap. Auf dem Dax Chart ist das erste Gap aus dem Jahr 2008 ein Breakaway Gap. Es wurde geschlossen, aber erst 11 Monate nach dessen Auftreten. Wer blind auf das Füllen des Gaps gewartet hätte, musste nicht nur ein Jahr darauf warten, sondern auch 2.000 Punkte Kursverlust im Dax hinnehmen. Das waren immerhin 36%. Für ruhigen Schlaf hat das bestimmt nicht gesorgt.

Für den automatisierten Handel wollten wir das in den Griff bekommen, indem wir zwei Arten von Stop Loss setzten. Der erste Stop Loss sollte ganz klassisch ein preislicher sein, z.B. maximal 7,5% Verlust für eine Position. Der zweite SL sollte zeitlich sein. Wird die Position z.B. nicht innerhalb von 3 Wochen geschlossen, wird verkauft. Diese Idee war gut, die Umsetzung allerdings extrem schwierig. Common und Exhaustion Gaps folgen nämlich nicht so klaren Regeln, wie man glauben könnte. Wir leierten eine ziemlich massive statistische Analyse an, um herauszufinden, wie die beiden SLs am besten zu setzen seien. Mit unterschiedlichsten zeitlichen und prozentualen Kriterien optimierten wir das Ganze soweit, dass wir 72% der Gaps richtig erwischten und profitabel handeln konnten. Auf dem Papier erreichten wir eine Performance von 15% im Jahr. Klingt eigentlich nicht so schlecht. Berücksichtigt man Transaktionskosten, Kapitalbindung, Drawdowns usw. kamen wir letztlich zu dem Schluss, dass es die Mühe nicht wert ist. Der Hauptgrund dafür ist ziemlich einfach: die Performance, die man mit „freiem Auge“ erreichen kann, ist viel höher und effizienter. Im Detail und in der Praxis sind die ganzen Bedingungen, die für eine erfolgreiche Handelsstrategie formuliert werden müssen, nicht nur zahlreich, sondern auch ziemlich komplex.

Die positive Nachricht für Anleger ist, dass das händische Gap Trading sehr profitabel und leicht sein kann. Besonders ertragreich sind Breakaway Gaps. Hier bricht der Kurs eines Index oder einer Aktie mit einem Gap aus einer Chartformation aus. Diese Formationen können im Prinzip alles sein, z.B. ein steigendes/fallendes Dreieck, eine SKS, Rechteck, Trendkanal usw. Die Chartformation wird mit einem Gap und steigendem Volumen verlassen. Das erste Kursziel entspricht in etwa der Preisrange der Chartformation. Das Breakaway Gap der Apple Aktie Ende Januar 2012 ist ein schönes Beispiel. 7 Monate bewegte sich die Aktie in einer 80 USD Range (ca. 20%). Der Ausbruch brachte bei steigendem Volumen in einer ersten Welle ebenfalls 20%. Breakaway Gaps werden in Ausbruchsrichtung gehandelt. Da diese auf absehbare Zeit nicht geschlossen werden, ist ein enger Stop Loss im Gapbereich sinnvoll.

Ein anderes tolles Beispiel ist die RWE Aktie, die mit einem gigantischen Gap und Volumen aus einem Aufwärtstrend nach unten ausgebrochen ist. Das Gap entstand im Bereich von 65 Euro. Bei Apple war es im Bereich 430 USD. Apple stand zwischenzeitlich 50% über diesem Wert, die RWE Aktie erreichte ein Tief ca. 60% unter dem Ausgangswert. RWE war natürlich gewissen Sonderbedingungen ausgesetzt. Das ist aber genau das, was Breakaway Gaps anzeigen: außergewöhnliche Umstände. Sich dagegen zu stellen ist eigentlich sinnlos und kann eine Position sehr schnell in Schieflage bringen.

Runaway Gaps sind den Breakaway Gaps sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich hauptsächlich darin, dass sie in einem bestehenden Trend auftreten und nicht selbst einen neuen Trend anzeigen. Es gibt also keine Chartformation, die verlassen werden muss. Ein eindrucksvolles Beispiel stellt die Aktie von Research in Motion dar. Diese Aktie stand einmal bei 150 Euro. Nach einer längeren Seitwärtskonsolidierung nahm die Aktie im April 2011 wieder einen Abwärtstrend auf. Die ersten zwei Gaps sind schöne Runaway Gaps. Hier gab es absolut keine Chance, dass diese Gaps wieder geschlossen werden könnten. Das dritte Gap war ein bisschen von beidem. Einerseits ein starkes Trendfortsetzungs-Gap, andererseits auch ein Breakaway Gap aus einer einjährigen Konsolidierung. Treten Runaway Gaps auf, sollte man als Anleger unbedingt in Gaprichtung handeln.

Exhaustion Gaps sind sehr spannend. Sie zeigen nämlich Trendwenden an. Voraussetzung ist ein letzter „Kraftakt“ in einem intakten Auf- oder Abwärtstrend. Der Trend wird mit einem Gap bei außergewöhnlich hohem Volumen beendet. Der Kurs muss daraufhin innerhalb weniger Tage wieder gegen die vorherige Trendrichtung steigen bzw. fallen. Bewegt sich der Kurs in Gaprichtung weiter, handelt es sich um ein Runaway Gap. Da man als Anleger schnell erkennen kann, ob der Kurs weiter fällt bzw. steigt, können enge Stops gesetzt werden. Sicherer ist es natürlich, einfach einige Tage zu warten. Stabilisiert sich der Kurs bzw. geht er gegen die letzte Trendrichtung, sollte man gegen die letzte Trendrichtung einsteigen.

Damit bleibt nur noch eine Gapart übrig: das Common Gap. Wie der Name schon sagt ist dieses am häufigsten. Während Exhaustion Gaps sehr schnell geschlossen werden, kann sich dieser Prozess bei normalen Gaps in die Länge ziehen. Diese Zeitspanne ist ein gewisses Problem, sowohl für den automatisierten wie auch für das freie Trading. Der Ansatz auf ein Schließen des Gaps zu wetten, also z.B. bei einem Gap-Up eine Shortposition einzugehen, ist daher nicht wirklich befriedigend. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht gleich am Tag des Gaps klar sein muss, um welche Art es sich handelt. Von Breakaway Gaps abgesehen können Runaway und Common Gaps und Runaway und Exhaustion Gaps auf den ersten Blick leicht verwechselt werden. Das Common Gap (oder wie man im Deutschen auch sagen könnte, das gemeine Gap), zeichnet sich vor allem durch die Abwesenheit eindeutiger Identifizierungsmerkmale aus. Das Volumen gibt kein klares Signal, ebenso wenig wie Chartformationen. Daher ist es so schwierig eine profitable Common Gap Strategie zu entwickeln.

Exhaustion, Breakaway und Runaway Gaps hingegen sind besser identifizierbar, weil entweder das Volumen oder das Verlassen einer Chartformation bzw. das Brechen eines Trends vorliegt. Die Wette, dass Gaps geschlossen werden ist häufig unprofitabel. Das Traden von spezifischen Gaps hingegen ist sehr lukrativ. Aufgrund der Einfachheit und der größten Trefferquote sind Breakaway Gaps am interessantesten. Die Suche nach Ausbrüchen aus Chartformationen kann zugegebenermaßen recht mühsam sein. Sie können die Arbeit aber auch für sich erledigen lassen. Die kostenlose Charting Plattform auf GodmodeMembers bietet auch einen Pattern Scout an. Mit dieser Mustererkennungssoftware können Sie hunderte Basiswerte auf Chartformationen hin scannen und mit einem Blick feststellen, ob ein Wert mit einem Gap aus einer Formation ausgebrochen ist. Noch einfacher kann man es sich machen, indem man generell darauf wettet, dass Gaps nicht geschlossen werden. Gehandelt wird in Gaprichtung. Als Stop Loss kann der letzte Kurs vor dem Gap genommen werden. Oft bewegt sich damit das Risiko im Bereich von 2-4%. Wird das Gap geschlossen, verliert man vergleichsweise wenig. Wird es hingegen nicht geschlossen, kann man relativ viel gewinnen. Der Trick einer erfolgreichen Gap-Handelsstrategie ist also nicht auf ein Schließen der Kurslücke zu spekulieren sondern darauf, dass die Gaps nicht geschlossen werden. Das lässt sich übrigens auch hervorragend automatisieren...

Viel Erfolg

Clemens Schmale

Technischer Analyst bei GodmodeTrader.de

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1 Kommentar

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  • Stallion
    Stallion

    Vielen Dank für den tollen Beitrag.

    09:31 Uhr, 11.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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