Kommentar
11:16 Uhr, 23.12.2015

Kann die US Zinswende gelingen? Teil II

Auf den ersten Blick ist die Zinswende aus rein technischer Sicht ein Erfolg. Die US Notenbank kann genau das umsetzen, was sie umsetzen will: steigende Zinsen. Auf den zweiten Blick ist die Sache weniger rosig. Man kann sogar von einem heraufziehenden Desaster sprechen.

Zinsen sind ein gutes Instrument, um die Wirtschaft zu steuern. Hohe Zinsen sorgen dafür, dass das Kreditwachstum begrenzt wird und es zu keiner Überhitzung der Wirtschaft inkl. Spekulationsblasen kommt. Niedrige Zinsen verbilligen Kredit. Es fördert die Kreditaufnahme und Investoren werden ermuntert mehr Risiko auf sich zu nehmen.

In den USA waren die Zinsen für viele Jahre praktisch bei null. Neben niedrigen Zinsen flutete die Notenbank den Markt mit Liquidität, indem sie Staatsanleihen aufkaufte. Dieses Geld floss überwiegend in risikoreichere Assets wie Aktien, Ramschanleihen und den Markt für Geschäftsimmobilien. Je länger die Zinsen niedrig bleiben, desto mehr Geld fließt in diese Bereiche. Das sorgt für einen Preisanstieg. Das wiederum führt zu immer niedrigeren Renditen dieser Assetklassen. Dauert der Kapitalzustrom zu lange, dann sind Risiko und Ertrag nicht mehr im Gleichgewicht. Es bildet sich eine Spekulationsblase, die früher oder später platzt.

Die US Notenbank hat ein Doppelmandat, welches Preisstabilität (definiert als 2 % Inflation) und Vollbeschäftigung zum Ziel hat. Das Inflationsziel ist noch nicht erreicht. Die Arbeitslosenrate ist immerhin deutlich gesunken und dürfte 2016 unter die Marke von 5 % fallen. Obwohl das bisher noch nicht für steigende Löhne gesorgt hat und somit auch noch keine Inflation erkennen lässt, hebt die Notenbank die Zinsen an. Sie argumentiert, dass sie lieber jetzt die Zinsen langsam anhebt, um einer Situation vorzubeugen, in der sie die Zinsen plötzlich und deutlich nach oben schrauben muss. Das würde die Wirtschaft ziemlich sicher abwürgen, also lieber jetzt erste kleine Schritte unternehmen, um später nicht zu stark auf die Bremse treten zu müssen.

Der eigentliche Zinsschritt der Notenbank war unspektakulär. Das Zielband der Zinsen liegt bei 0,25 % bis 0,5 %. Technisch ist dieser Zinsschritt geglückt. Das war keine Selbstverständlichkeit, wie ich im ersten Teil des Artikels beschrieben habe (gmtr.ly/Vksn5vz8x). Die kurzfristigen Zinsen anzuheben ist trotz aller technischen Herausforderungen nur ein kleiner Puzzlestein der Zinswende. Der Notenbank muss es nun gelingen die Gratwanderung zwischen steigenden kurzfristigen und langfristigen Zinsen hinzubekommen, ohne den Anstieg zu schnell fortschreiten zu lassen.

Grafik 1 zeigt, dass es nicht leicht wird diese Gratwanderung zu bewältigen. Seitdem der Markt an die Zinswende glaubt steigen die kurzfristigen Zinsen. Die Zinsen für einjährige Staatsanleihen stiegen auf Jahressicht von 0,1 % auf zuletzt 0,7 %. Die Zinsen für Treasury Bills mit einer Laufzeit von 3 Monaten schnellten auf 0,3 % hinauf. Dieser Anstieg ist im Einklang mit der Zinserhöhung. Was nicht mehr in Einklang ist, das ist der Anstieg kurzfristiger Unternehmensschuldverschreibungen (Commercial Paper). Die Zinsen stiegen hier überproportional an. Bisher lagen die Zinsen dieser Schuldverschreibungen am oberen Ende des Zinsbandes bei 0,25 %. Nun liegen sie deutlich darüber mit einem Aufschlag von 0,1 % bis 0,2 %. Das Zinsband liegt zwischen 0,25 % und 0,5 %. Commcerial Paper notieren im Bereich 0,7 %.

Während die Kosten für den Staat und für Banken für Geld genau im Rahmen der Zinsanhebung liegen, explodieren die Kosten für Unternehmen. Das kann zu einem Problem werden. Wenn eine Zinsanhebung von 0,25 % zu einer Erhöhung der Kosten für Unternehmen von 0,5 % führt, dann ist das eine enorme Straffung der Geldpolitik, die in diesem Ausmaß nicht beabsichtigt sein dürfte.

Je stärker die kurzfristigen Zinsen steigen, die vom Markt festgelegt werden, desto flacher wird auch die Zinskurve. Eine abflachende Zinskurve führt früher oder später zu einer Verlangsamung der Kreditvergabe. Genau das will die Notenbank mit der Zinserhöhung auch erreichen. Insofern gibt es hier kein Problem, oder doch?

Ein Problem entsteht dann, wenn sich die Zinskurve zu schnell abflacht. Genau das steht zu befürchten. Grafik 1 zeigt die langfristigen Zinsen. Diese sind seit Ankündigung der Zinswende gesunken, während die kurzfristigen Zinsen deutlich anstiegen. Als Langfristzins gilt die Rendite 10-jähriger US Staatsanleihen. Von diesem Zinssatz sind viele andere stark abhängig, z.B. die Zinsen für Hypotheken. Grafik 2 zeigt den Vergleich von Hypothekenzinsen und den 10-jährigen US Anleihen. Sie laufen parallel.

Beide Zinssätze laufen parallel, weil Banken nur einen Teil der Hypotheken selbst auf ihren Büchern halten. Ein Großteil wird weiterverkauft und an Investoren weitergegeben. Diese kaufen Hypotheken nur, wenn sie mehr Rendite abwerfen als Staatsanleihen, weil das Risiko höher ist. Hypotheken und Staatsanleihen stehen bis zu einem gewissen Grad in Konkurrenz um Investorengelder zueinander. So erklärt sich einerseits der Aufschlag für das Risiko und andererseits die parallele Entwicklung.

Steigen nun die langfristigen Zinsen nicht, vor allem wenn die kurzfristigen Zinsen im Gegensatz dazu steigen, dann haben Konsumenten und Unternehmen einen hohen Anreiz die niedrigen Zinsen am langen Ende der Zinskurve zu nutzen. Das geschah auch von 2004 bis 2007. Die kurzfristigen Zinsen stiegen, die langfristigen blieben ziemlich stabil. Der Immobilienmarkt überhitzte.

Zu niedrige Langfristzinsen begünstigen Spekulationsblasen. Der Markt für Wohnimmobilien zeigt momentan noch keine Überhitzung an. Der Markt für Geschäftsimmobilien hingegen bewegt sich bereits in sehr luftigen Höhen. Solange die Langfristzinsen niedrig bleiben wird sich die Situation nur verschärfen. Es droht eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität.

Generell sind die langfristigen Zinsen für die Finanzmarkstabilität ausschlaggebend. Der Notenbank muss also daran gelegen sein diese Zinsen steigen zu sehen, wenn ihr an der Finanzmarktstabilität gelegen ist. Momentan gibt es keine Anzeichen für steigende Langfristzinsen. Für die Finanzmarktstabilität bringt die jetzt erfolge Zinsanhebung erst einmal nichts.

Im Idealfall gelingt der Notenbank eine Anhebung sowohl der kurzfristigen als auch der langfristigen Zinsen. Sie kann allerdings nur die kurzfristigen direkt beeinflussen. Die langfristigen Zinsen werden vom Markt bestimmt. Die Notenbank kann versuchen den Markt zu beeinflussen, doch die Instrumente dafür stehen ihr derzeit nicht zur Verfügung. Sie könnte zwar ihre Bestände an Staatsanleihen verkaufen, um das lange Ende der Zinskurve zu beeinflussen, doch das würde den Markt vermutlich sofort aus der Bahn werfen.

Derzeit ist die Situation ungünstig. Die Zinskurve flacht ab. Die langfristigen Zinsen bleiben niedrig, was zu Fehlallokation von Kapital und zu Spekulationsblasen führt. Gleichzeitig steigen die kurzfristigen Zinsen für Unternehmen überproportional an. Das gilt nicht nur für klassische Kredite oder kurzlaufende Schuldverschreibungen, sondern vor allem für Anleihen – einem extrem wichtigen Finanzierungsinstrument.

Grafik 3 zeigt die Zinsen für BAA geratete Anleihen sowie deren Spread zu US-Treasury Notes (10-jährige Anleihen). Der Spread liegt bereits wieder auf dem Niveau des Crashs im Jahr 2011 und nur wenig unterhalb des Rezessionsniveaus aus dem Jahr 2002. Der Spread ist in den letzten Monaten bedenklich schnell angestiegen.

Trocknet der Markt für Unternehmensanleihen wegen der zu hohen Zinsen, die Investoren verlangen, aus, dann wirkt das relativ schnell auf die Realwirtschaft. Anleihen sind die wichtigste Finanzierungsquelle für Unternehmen. Der Anleihenmarkt ermöglichte lange Zeit hohe Summen zu guten Konditionen zu erhalten. Ist das nicht mehr möglich, dann haben Unternehmen ein Problem. Während mit einer Anleiheemission mehrere Milliarden eingenommen werden können, gibt es kaum eine einzelne Bank, die einem einzelnen Unternehmen solche Beträge als klassischen Kredit zur Verfügung stellt.

Kurz gesagt: wenn die Zinsen für Unternehmensanleihen in diesem Tempo weiter steigen, dann ist der Markt de facto ausgetrocknet. Unternehmen werden sich zu diesen Kosten kaum noch Geld leihen. Investitionen werden verschoben oder ganz gestrichen.

Zusammengefasst kann man sagen, dass die Zinswende enorme Gefahren birgt. Derzeit steigen die kurz- bis mittelfristigen Zinsen dort, wo es darauf ankommt (Unternehmensanleihen) ins Unermessliche. Die langfristigen Zinsen, die vor allem das Schicksal des Immobilienmarktes bestimmen, sind zu niedrig und sind auf einem Niveau, welches Fehlallokation und Spekulationsblasen begünstigt. Das ist derzeit das schlechteste aus zwei Welten.

Die Notenbank geht davon aus, dass es sich nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt und sich die Zinsen an den unterschiedlichen Stellen bald wieder normalisieren. Das ist zu hoffen, denn wenn sich die Lage nicht bald normalisiert ist der Schaden für die Wirtschaft erheblich und möglicherweise ohne eine neue Krise nicht mehr reparabel.

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6 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Die USA schlittern gerade in eine Rezession und die FED erhöht die Zinsen, um ihr Gesicht nicht zu verlieren. Frau Yellen und ihre Direktoren wissen genau, wie es um die US-Wirtschaft tatsächlich bestellt ist, allerdings ist die FED inzwischen die Gefangene der eigenen Politik. Positiv aus Sicht der FED mag sein, das die erhöhten Zinsen wenigstens wieder gesenkt werden können, wenn die Wirtschaft in 2016 stark unter Druck kommt. Ich vermute für 2016 eine Rücknahme der Zinserhöhung, gefolgt von einem neuen QE Ende 2016 Anfang 2017.

    23:32 Uhr, 27.12.2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Sie schreiben tolle Artikel, Herr Schmale

    21:58 Uhr, 27.12.2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Marc1
    Marc1

    Das ist ein hochinteresannter Artikel und zeugt von viel Sachverstand des Autors. Für mich immer noch verblüffend, warum die Inflationsrate so niedrig ist bei all dem gedruckten Geld und er Zinspolitik. Reicht die Analyse, dass das Geld in die erwähnten Assets geflossen ist und die Energiepreise so niedrig sind. Wenn jetzt das Geldrucken aufhört und die Unternehmenskredite sich verteuern, dann bekommen wir doch eine richtige Deflation, wovor doch alle Angst haben, oder

    17:43 Uhr, 23.12.2015
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Leider sind die hier erwähnten Arbeitsmarktdaten, auf die sich die Notenbank bei ihrer Zinswende maßgeblich stützt, reine Makulatur. Daher wird die Fed die Geldschleusen in absehbarer Zukunft wieder aufreißen müssen.

    Die Frage ist, wie man das den Investoren dann verkauft. Findet man keine sehr gute Erklärung, wird der ganze Budenzauber auffliegen - was früher oder später allerdings ohnehin ansteht...

    11:50 Uhr, 23.12.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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