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14:30 Uhr, 28.10.2016

Kann das gutgehen? US-Unternehmen im Schuldenrausch

Die Notenbank ist besorgt – und das nicht erst seit gestern. Unternehmen kümmert das wenig. Sie tun, was sie zuletzt am besten konnten: Schulden aufnehmen.

2016 wird ein Jahr der Rekorde. Derzeit geben US-Firmen Anleihen in einem Tempo aus, dass einem schwindelig wird. Pro Monat sind es in diesem Jahr bisher 139,5 Mrd. USD an neuen Anleihen gewesen. Das ist noch einmal deutlich höher als der bisherige Rekordwert von 124 Mrd. USD im Vorjahr.

Es ist noch gar nicht lange her, dass erstmalig die magische Grenze von 100 Mrd. überschritten wurde. Das war im Jahr 2012. Seitdem scheint es kein Halten mehr zu geben. So verwundert es auch nicht, dass die Summe an allen ausstehenden Anleihen von einem Rekord zum nächsten eilt. Derzeit sind es 8,45 Billionen USD an Unternehmensanleihen, die auf dem Markt sind. Damit haben Unternehmen halb so viele Schulden wie der Staat.

Geht der Trend so weiter wie bisher, dann dauert es nur noch maximal drei Jahre, bis die Grenze von 10 Billionen überschritten wird. Das ist eine horrende Zahl und eine Frage bleibt bisher unbeantwortet: werden die Unternehmen die Schulden überhaupt jemals zurückzahlen können?

Von Staaten geht eigentlich niemand mehr davon aus, dass die Schulden jemals beglichen werden. Bei Unternehmen muss man inzwischen von einem ähnlichen Trend ausgehen. Sie haben sich im Niedrigzinsumfeld so viel Fremdkapital beschafft wie nie zuvor. Inzwischen ist der Schuldenberg so hoch, dass er wohl kaum wieder abgetragen werden kann.

Genau darüber macht sich die Notenbank Sorgen. Sie hat Angst, dass höhere Zinsen von den Unternehmen nicht verkraftet werden können, wenn sie weiter Schulden am laufenden Band aufnehmen. Ob die Bedenken der Notenbank begründet sind, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Das Verhältnis von Vermögen zu Schulden ist zuletzt stabil geblieben. Grafik 1 zeigt in diesem Zusammenhang den Anteil des Nettovermögens im Verhältnis zum Gesamtvermögen und den Schuldenanteil am Gesamtvermögen. Beides zusammen ergibt das Gesamtvermögen.

Seit 20 Jahren bleibt das Verhältnis relativ stabil. Die Verschuldung pendelt seit zwei Jahrzehnten zwischen 40 % und 50 %. Derzeit befinden sich Unternehmen mit einer Verschuldungsquote von 44 % genau in der Mitte. Das mag auf den ersten Blick beruhigen, doch vergleicht man diese Quote mit der Zeit vor 1990, dann ist sie relativ hoch. Es gab Zeiten, in denen die Verschuldung bei lediglich 30 % bis 35 % lag.

Je höher die Quote ist, desto schwieriger wird es, die Schulden zurückzuzahlen. Es schwächt darüber hinaus die Position der Unternehmen, wenn sich das Umfeld ändert. Steigen die Zinsen, kommen Unternehmen schnell unter hohen Druck. Da es vollkommen unrealistisch ist, dass die Schulden schnell zurückgezahlt werden können, steigen die Zinsausgaben, wenn die Zinsen steigen.

Auch im Wirtschaftsabschwung werden die Schuldenberge zum Problem. Selbst wenn die Zinsen niedrig bleiben, brechen während einer Rezession die Einnahmen weg. Die Schulden weiterhin zu bedienen wird schwierig.
Unternehmen engen durch zunehmende Verschuldung ihren Handlungsspielraum ein. Das wäre nicht schlimm, wenn sie das Geld für Investitionen und Wachstum aufnehmen würden. Das tun sie jedoch nicht. Sie nehmen Schulden auf, um Aktien zurückzukaufen und Dividenden auszuschütten. Das hat wenig mit Unternehmertum zu tun, sondern vielmehr mit Financial Engineering.

Wie lange Anleger die Finanzierung der Unternehmen mitmachen, steht in den Sternen. Man sollte sich allerdings so langsam Gedanken darüber machen, ob man sein Geld wirklich wiedersieht. Grafik 2 zeigt das Verhältnis von Schulden und Vermögen zum materiellen Vermögen. Materielles Vermögen ist alles Greifbare wie Fabriken und Bürogebäude, sowie Bargeld. Dieses Vermögen steht im Ernstfall zur Verfügung, um Schulden zu begleichen.


Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass Unternehmen immer weniger materielles Vermögen besitzen. Entsprechend steht weniger hartes Vermögen zur Verfügung, um Schulden zu begleichen. Die Deckungsquote der Schulden nimmt ab.

Wie stark die Deckungsquote abgenommen hat, zeigt Grafik 3. Dargestellt sind die Gesamtverbindlichkeiten sowie nur Fremdkapital (Anleihen und Kredite) im Verhältnis zum materiellen Vermögen. Hier werden nicht nur Betriebsanlagen und Cash zum Vergleich herangezogen, sondern auch finanzielle Anlagen wie Aktien. US-Unternehmen halten inzwischen 600 Mrd. Dollar an Aktien in ihren Bilanzen. Aktien sind zwar liquide, doch im Stressszenario, wenn die Liquidität gebraucht wird, sinkt der Wert dieser Anlagen für gewöhnlich sehr schnell.

Unternehmen vergeben auch zunehmend Kredite an ihre Kunden. Wer sich neu einrichtet, muss den Kauf nicht sofort bezahlen, sondern kann ihn finanzieren. Diese Kredite machen an die 3 Billionen Dollar aus. Wie viel in einer Rezession davon ausfällt, kann man sich vorstellen. Es ist also kein Vermögenswert, der mit dem Buchwert zur Schuldentilgung zur Verfügung steht. Es ist auch kein sonderlich liquides Vermögen.

Geraten Unternehmen während eines Abschwungs unter Zugzwang, bleibt ihnen wenig anderes übrig, als ihre Substanz zu verkaufen, also ihre Betriebsanlagen. Das ist kein Erfolgsmodell, um weiter bestehen zu können. Die Notenbank ist zu recht besorgt. Die Lage ist nicht katastrophal, aber durchaus bedenklich. Ewig darf das so nicht weitergehen, sonst droht ein ganz böses Erwachen.

Clemens Schmale

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  • gruetzi
    gruetzi

    welche Quelle nutzen Sie für Ihre Analyse? Und welche US-Unternehmen fallen alle darunter (gesamte Wirtschaft oder ist das nur eine Teilmenge z.B. aller Unternehmen mit einem Jahresumsatz > $500Mio.?) Und: Sind die Angaben inflationsbereinigt?

    Danke für den interessanten Artikel

    17:46 Uhr, 28.10.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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