Kommentar
07:00 Uhr, 17.01.2007

Kämpfe nicht gegen das Tape!

Von Jim Wyckoff

Vor einiger Zeit habe ich an einem Morgen eine E-Mail von einem Trader erhalten. Er schrieb, dass er sehr bullish auf einen Markt eingestellt wäre, der sich schon seit einiger Zeit in einer langfristigen Abwärtsbewegung befindet. Er wollte also ein wenig „Bottom Fishing“ betreiben, also den potentiellen Tiefpunkt kaufen. Den ganzen weiteren Morgen trafen immer mehr E-Mails in meiner Inbox ein. Viele von den Tradern versuchten ihre Longpositionen in diesem Markt damit zu rechtfertigen, dass sie ein „Schnäppchen“ machen könnten, weil der Preis gerade niedrig genug wäre.

In diesem Moment habe ich aufgehört zu machen, womit ich an diesem Morgen begonnen hatte und schrieb über die Gefahren des „Kampfes gegen das Tape“ (oder den Trend) in den Märkten. Denken Sie darüber nach. Wollen Trader wirklich gegen den Markt kämpfen? Vergessen Sie nicht, dass nur der Markt IMMER Recht hat, und sonst niemand.

Trader denken oft wie Konsumenten beim Shopping: „Ich muss zu Schnäppchenpreisen kaufen, um das beste Geschäft zu machen.“ Unglücklicherweise führt das Verhalten von Konsumenten beim Shopping an den Futures (und Aktien-) Märkten zu unweisen und unprofitablen Entscheidungen. Meiner Meinung nach liegt einer der größten Fehler die Trader machen können darin, sich auf „Schnäppchenjagd“ zu begeben und in einem Markt (oder einer Aktie) eine Longposition einzugehen, weil sie den Markt als „niedrig gepreist“ wahrnehmen.

Dasselbe gilt natürlich auch beim Shorten (leerverkaufen) von Märkten, wenn die Kurse als Hochkurse wahrgenommen werden. Crude Öl ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Vor einigen Jahren war die Tradinglandschaft von „Traderkadavern“ übersäht, die versucht haben, den Hochkurs bei Crude Öl zu shorten. Diese so genannten „Top-Pickers“ wurden vom Markt brutal auf den Boden der Realität zurückgeholt, denn dieser hat immer Recht.

Kämpfe nicht gegen das Tape

Wenn der generelle Markttrend in eine Richtung zeigt, dann sollte man sich generell nicht gegen ihn stellen. In meinen „Top 10“ Tradingregeln nimmt eine ganz bestimmte Regel den ersten Platz ein. Und zwar jene, ob sich Tages-, Wochen- und Monatschart übereinstimmend in dieselbe Richtung bewegen. Wenn ich darüber nachdenke, an einem Markt Positions-Trading durchzuführen, die vorher genannten Charts jedoch nicht einen einheitlichen Weg eingeschlagen haben, dann verzichte ich auf diesen Trade. Ich gehe für gewöhnlich keinen Positions-Trade ein, der sich gegen den übergeordneten Trend stellt, der am Chart erkennbar ist.

Informierte Trader könnten vielleicht fragen, „Wie sieht es denn mit dem Trading der „Contrary Opinion“ (Konträrmeinung) und dem Commitments of Traders (COT)-Reporten aus, die zeigen, wann Commercials (Produzenten sowie industrielle Abnehmer) in Abwärtstrends kaufen?“ Tja, ich kann zwar nicht damit argumentieren, dass das konträre Denken und Trading von einigen Personen nicht erfolgreich durchgeführt würden. Ich habe beides schon probiert. Aber ich denke, dass diese Art des Tradings die Ausnahme und nicht die Regel darstellen sollte, wenn es darum geht ein erfolgreicher Trader zu werden. Es ist vergleichbar mit einem erfolgreichen Footballteam, dass ein sehr gutes Laufspiel verfolgt. Dieses Laufspiel macht sie zu einem siegreichen Team, dennoch streuen sie von Zeit zu Zeit einen Pass ein, um die gegnerische Defensive auf Trab zu halten. Genauso verhält es sich bei Commercial Tradern (den ganz großen Jungs im Geschäft). Auch sie scheinen sich die meiste Zeit auf der richtigen Seite des Marktes zu befinden. Dennoch haben wir als individuelle Trader nicht die Ressourcen (Personal für die Nachforschungen, weltweite Verbindungen, ausreichend Geld, etc.), die den Commercials zur Verfügung stehen.

Auch wenn sich gute Markttrends entwickeln und es Tradern oft nicht möglich ist, den Boden (bzw. das Hoch) zu erwischen, bleibt meistens noch genug Distanz, die der Markt zurücklegen kann, um Profiten die Möglichkeit zu geben zu wachsen.

Quelle: www.traders-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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