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11:46 Uhr, 26.04.2004

K: Es ist kurz vor zwölf

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Externe Quelle: Bankgesellschaft Berlin

Es ist kurz vor zwölf

Die Zinsangst hat sich auf den Märkten etwas verflüchtigt; die meisten Marktteilnehmer haben nunmehr einen neuen Zinserhöhungszyklus der Fed in ihre Gleichung aufgenommen. Ein paar positive Konjunkturzahlen aus den USA und das Vertrauen der Anleger in die Anlagekategorie Aktie kehrt zurück. Trotzdem stellen sich die folgenden Fragen: Wie lange wird der im März 2003 begonnene Aufwärtstrend noch weitergehen? Wann sollte man sich aus den europäischen Aktienmärkten verabschieden? Welche Sektoren werden in den nächsten Wochen und Monaten eine Outperformance aufweisen?

Marktteilnehmer preisen Zinserhöhung ein

Mit seinen jüngsten Äußerungen hat der US Notenbankchef Alan Greenspan deutlich gemacht, "dass die Leitzinsen ab einem gewissen Punkt steigen müssen, um einem womöglich aufkommenden Inflationsdruck vorzubeugen". Nach diesen Äußerungen ist nunmehr fast jedem klar, dass in den nächsten Monaten ein neuer Zinserhöhungszyklus beginnen wird.

Es ist kurz vor zwölf Ordnet man den erwarteten neuen Zinserhöhungszyklus der Fed in die bekannte "Investment- Uhr" ein, so heißt das, es ist kurz vor 12 Uhr. Wie sieht es aber mit den anderen Indikatoren zur Bestimmung der aktuellen Uhrzeit aus? Wie sieht es beispielsweise mit den Wachstumserwartungen und der Gewinndynamik aus?

Wenig Dynamik in Euroland

Gemessen an den Consensus-Erwartungen ist seit Sommer letzten Jahres ein Anstieg der BIP-Wachstumsprognosen für die großen Regionen dieser Welt zu beobachten. Am deutlichsten ausgeprägt sind die Aufwärtskorrekturen der Wachstumserwartungen für die USWirtschaft sowie Asien-Pazifik und Japan, aber auch Großbritannien, während für Euroland und Deutschland nur geringe Aufwärtsrevisionen der Wachstumserwartungen zu beobachten sind. In Euroland und Deutschland sind am aktuellen Rand sogar schon wieder Abwärtsrevisionen zu beobachten.

BGB Analysten mit Aufwärtsrevisionen

Während die Consensus-Prognosen für das deutsche BIP-Wachstum innerhalb des letzten Jahres nur wenig nach oben korrigiert wurden, haben unsere Analysten ihre Gewinnschätzungen für die DAX-Erträge seit dem Frühjahr letzten Jahres deutlicher nach oben revidiert.

Leading-Indikatoren

Die vorlaufenden Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass sich in den USA die sehr starke Dynamik etwas abzuflachen beginnt, während sich Euroland und Japan auf niedrigem Niveau weitgehend seitwärts bewegen.

Aktienmärkte im Aufwind

Zusammengenommen zeigt sich seit dem Frühjahr letztes Jahres eine deutliche Konjunkturerholung. An dieser Feststellung bestehen vermutlich kaum Zweifel. Auch die Aktienmärkte haben seit dem Frühjahr letzten Jahres diese Sichtweise geteilt.

Technologie mit deutlicher Outperformance

Die üblicherweise der Phase "Erholung" zugeordneten Sektoren "TMT" haben sich tendenziell, aber nicht ganz entsprechend dem klassischen Schema entwickelt. Während die Sektoren Technologie und Medien zu den erwarteten Outperformern gehörten, konnte der Sektor Telekommunikation nur eine unterdurchschnittliche Performance aufweisen. Dieses Phänomen stellt jedoch nicht die aktuelle Phase in Frage, sondern vielmehr die Zuordnung des Telekommunikationssektors zu den sogenannten "zyklischen Wachstumswerten". Seit dem Platzen der Blase an den Aktienmärkten haben die Telekommunikationswerte zunehmend einen defensiven Charakter angenommen und sind nunmehr eher den defensiven Sektoren, wie beispielsweise Versorgern zuzuordern.

Vor oder nach 12 Uhr?

Jetzt stellt sich die Frage, ob die Phase, in der zyklische Wachstumswerte outperformen bereits vorüber und "12 Uhr" schon erreicht ist, oder ob noch etwas Zeit für die zyklischen Wachstumssektoren bleibt. Der OECD Leading Indikator zeigt am aktuellen Rand eine Abschwächung für die USA. Eine Zunahme der Wachstumsdynamik ist also dort nicht mehr festzustellen. Bei den BIP-Consensus-Schätzungen ist das Bild je nach Region unterschiedlich. Während Japan weiterhin sehr dynamisch und die USA sowie Großbritannien zunehmend dynamisch gesehen werden, sind für Euroland und Deutschland geringere Wachstumserwartungen zu beobachten. Die erstgenannte Gruppe könnte sich in der Zeit zwischen neun und drei Uhr befinden, während für die zweite Gruppe sogar schon ein Übergang in die Zeit nach drei Uhr möglich wäre.

Wie steht es mit der Inflation?

Zur weiteren Identifikation der aktuellen Uhrzeit bleibt noch die Frage nach der Inflation.

Inflationserwartungen in den USA steigen an

In den USA sind die Inflationserwartungen in den letzten beiden Monaten stark nach oben korrigiert worden. Dies geht weitgehend Hand in Hand mit den aktuellen Inflationszahlen, die am aktuellen Rand deutlich gedreht haben.

Großbritannien: Rückgang der Inflationserwartungen

In Großbritannien ist am aktuellen Rand eine Rücknahme der Erwartungen zu beobachten.

Euroland und Deutschland: Anstieg der Inflationserwartungen

Sowohl in Euroland insgesamt als auch in Deutschland ist seit Mitte letzten Jahres ein Anstieg der Inflationserwartungen zu beobachten.

Unterschiedliche Trends in Euroland insgesamt und Deutschland

Während sich die tatsächlichen Inflationsraten in Euroland insgesamt immer noch im Abwärtstrend befinden, zeichnet sich in Deutschland bereits ein Ende des Abwärtstrends ab.

Inflationsindikator nicht einheitlich

Hinsichtlich des Indikators Inflation ist das Bild somit sehr heterogen. In den USA und in Deutschland befinden wir uns gerade nach 12 Uhr, während es in Euroland insgesamt immer noch nicht "12 geschlagen" hat.

Welche Asset-Klassen wann bevorzugen?

Die genaue Feststellung der aktuellen Uhrzeit ist allerdings nicht nur wichtig für die Sektorallokation, sondern auch für die Allokation der Asset-Klassen insgesamt. Im klassischen Investment-Zyklus werden Aktien von neun bis 12 Uhr übergewichtet, während Commodities von 12 bis drei Uhr einzuordnen sind. Der obige Chart lässt jedoch vermuten, dass im aktuellen Zyklus die Entwicklung der Commodity-Preise etwas dynamischer verläuft als in der Vergangenheit. So überrascht es auch nicht, dass Commodities weitgehend parallel mit Aktien bereits im letzten Jahr eine deutliche Performance aufweisen konnten. Eine klare Zuordnung zu 12 bis drei Uhr scheint derzeit nicht angemessen.

Es kommt darauf an

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die typische Aussage eines Volkwirtes "Es kommt darauf" zur Bestimmung der aktuellen Uhrzeit vermutlich die passendste Antwort ist. Allerdings muss die Frage noch einmal konkretisiert werden. Wir interessieren uns vornehmlich dafür, wohin in den kommenden Monaten die europäischen bzw. der deutsche Aktienmarkt geht. Eine isolierte Betrachtung der europäischen bzw. deutschen Indikatoren ist zur Beantwortung dieser Frage jedoch wenig hilfreich. Wir gehen davon aus, dass der grundlegende Trend der europäischen Aktienmärkte in den kommenden Monaten weiterhin durch die US-Märkte bestimmt sein wird. Deshalb spielen die US-Indikatoren u.E. am Ende eine wichtigere Rolle zur Beantwortung der genannten Frage als die europäischen Indikatoren.

Blick auf die USA

Die Wachstumsdynamik in den USA ist immer noch vorhanden - die Inflation hat ihren Tiefpunkt durchschnitten und Zinserhöhungen stehen in den kommenden Monaten bevor. Wir erwarten den ersten Zinsschritt der Fed im August. Unsere Analysen zeigen, dass in der Zeit vor der Zinserhöhung und in den ersten Monaten des neuen Zinserhöhungszyklus noch Kursgewinne am Aktienmarkt wahrscheinlich sind (vgl. dazu BGB Strategy Weekly 17 vom 19. April). Bezogen auf die Investment-Uhr befinden wir uns somit kurz vor zwölf. Technologie-Sektoren sollten noch eine kurze Weile eine überdurchschnittliche Performance aufweisen können.

Hochstufung des Ölsektors von underweight auf overweight

Bereits jetzt sollte man sich jedoch stärker im Ölsektor positionieren. Dafür sprechen nicht nur die Zuordnung dieses Sektors zu den zyklischen Substanzwerten, sondern auch strukturelle Aspekte. Wir gehen davon aus, dass sich der langfristige Durchschnitt des Ölpreises aufgrund veränderter Angebots- und Nachfragebedingungen von mindestens 22 US Dollar pro Barrel erhöhen wird. Dies rechtfertigt in unserer europäischen Sektorallokation eine Hochstufung des Ölsektors von underweight auf overweight. In diesem Sektor sind keine deutschen Werte enthalten.

Zurückstufung des Telekomsektors von overweight auf neutral

Gleichzeitig stufen wir den europäischen Telekommunikationssektor von overweight auf neutral zurück. Derzeit sind in diesem Sektor keine Kurstreiber zu erkennen, so dass eine Outperformance in den kommenden Monaten unwahrscheinlich ist.

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